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Frag mich, wer ich bin – the guts company verorten sich in »Das Eigene / Heimat«

22. April 2016 – Irgendwie unschön, diese Atmosphäre. An einem wuchtigen, dunklen Tisch sitzen zwei Männer, regungslos, und schauen ins Publikum. Ein dritter lehnt entspannt an der Rückwand der Bühne. Ringsum alte, schwere Stühle. An der Decke hängen Geweihe, an der Wand alte Stores, glatt, faltenfrei, korrekt. Die Tischwäsche ist frisch gestärkt. Dieses Angestaubte hat etwas Unangenehmes. Als beträte Goebbels jeden Moment die Bühne.


Die Männer sind Mitglieder des Dresdner Gnadenchors und begleiten fünf Tänzerinnen mit nicht weniger angestaubten Volksweisen durch den Diskurs über das Konzept »Heimat«. Maßkrüge inklusive. Es überrascht nicht, dass der Abend viel Text bringt. Die Arbeit stellt sowohl rhetorische Fragen als auch solche, deren Antworten scheinbar banal sind, aber immer auch einen kleinen Teil einer Person ausmachen: Mag ich Sauerbraten? Anders könnte man auch einfach fragen: Aus welchen Teilen setze ich mich zusammen? Der generelle Diskurs ist zweifelsfrei aktuell, läuft hier aber auffällig ruhig ab. Keine Aufgeregtheit, keine Anspannung. Und zwischendurch führen die Tänzerinnen ihren Reigen auf, aber diszipliniert, ordentlich und mit Nachdruck. Was sein muss, muss sein. Oder?


»Heimat« wird hier nicht nur als Bürde eines jeden Einzelnen diskutiert, sondern auch als eine Generationenfrage. Wer in einem geeinten Europa mit terroristischen Bedrohungen aus dem Nahen Osten aufwächst, erfährt Heimat logischerweise in einer ganz anderen Dimension. An einer Stelle meint Cindy Hammer, sie wolle nicht in eine Schachtel gesteckt werden. Darin sei es eng und dunkel. Zum Sehen benötigt der Mensch eben Licht.


Die Choreografie (Johanna Roggan) steht als abstraktes Ausdrucksmittel zwangsläufig neben der Konkretheit der verbalen Äußerungen, aber ohne davon isoliert zu sein. Simone Detig sinniert am Tisch sitzend darüber, dass sie einfach mal wieder mit allen an selbigem zusammenkommen möchte, ohne dass man nett sein muss und erst alles ins Deutsche übersetzt werden muss. Früher ging das doch auch. Und was machen Cindy Hammer, Anna Fingerhuth und Romy Schwarzer? Sie hauen einfach ab, flüchten vom Tisch, ganz langsam, unauffällig und stellen sich hinter Simone Detig. Denn hinter ihrem Rücken sind sie sicher. Dort können sie so lange Grimassen schneiden, wie sie wollen. Und Jule Oeft gurkt unterm Tisch rum. Sieht doch eh keiner. Zuhören sieht anders aus. Verantwortung auch. Flüchtet hier jemand vor der Reflektion? Und wenn ja, kann man das jemandem zum Vorwurf machen?


Auch die Kostüme (Julia Pommer) haben so ihre kleinen Macken. Rüschchen und Borten lassen sich entfernen, einfach abstreifen, ganz so, als würde man einen Teil seiner Persönlichkeit loswerden. Darin finden sich keine Antworten. Trotzdem umreißt der Abend aber deutlich einen Fragebogen, der tatsächlich nachdenklich macht.


Diese Arbeit ist die erste von drei Produktionen, für die die guts company und das Societaetstheater von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Programms »Doppelpass« eine langfristige Förderung erhalten. Die nächste Produktion wird sich ins Gegenteil drehen und das Fremde befragen. Die Premiere ist für Ende November angesetzt.

Lars Eder / Fotos: Benjamin Schindler

Nächste Vorstellungen: 23. und 24. April sowie am 26. und 27. Mai im Societaetstheater



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