Essenz des Weltentheaters – Die Akram Khan Company in Hellerau
Akram Khan ruft, und das Dresdner Publikum strömt auf den Grünen Hügel nach Hellerau. Ein gut gelaunter Dieter Jaenicke eröffnete die neue Spielzeit mit einem launigen Verweis auf die gestarteten Sanierungsarbeiten am Westflügel und der Aussicht, Hellerau könne es tatsächlich auf die Vorschlagsliste für das Weltkulturerbe schaffen. »Da könnten wir das Weltkulturerbe für Dresden nach Hellerau holen«, so sein optimistisches Credo.
Was danach folgte, war erneut Bildertheater vom Feinsten. Akram Khan hat sich mit seiner Arbeit »ITMOI – In the Mind of Igor« Strawinskys »Sacre du Printemps« zugewandt, allerdings ohne Einsatz von Strawinskys Musik. Es handelt sich auch um keine Neuchoreographie des Stoffes, sondern um eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Gedanken des Opfers innerhalb einer Gesellschaft.
Mit eigens geschaffenen Kompositionen, die zwischen zartem Reigen und harter Extase changieren, greift er den Aspekt des heidnischen auf. Gleich zu Beginn denkt man unweigerlich an Derevos »Göttliche Komödie«: Glockengeläut, ein gehörntes Fabelwesen und Räume aus Licht, in denen eine Art geistiger Würdenträger zu predigen scheint und sich dabei immer mehr in die Besessenheit steigert. »And the Lord said...«.
Das Heidnische scheint vor allem in den gruppendynamischen Szenen der hervorragenden Tänzer auf, die streckenweise in nur vermeintlicher Simplizität und Schlichtheit choreographiert sind. Die Präzision der Bewegungen erinnert durchaus immer wieder an die der Tänzer der Batsheva Dance Company. Besonders interessant erscheint hier der dramaturgische Ansatz. In besonders dichten Szenen geraten immer wieder retardierende Elemente, die den eigentlichen Opferungsprozess hinauszögern. Akram Khan erlaubt sich dabei kleine Skurillitäten, die die Bildgewaltigkeit der Inszenierung in ihren Dimensionen noch weiter öffnet.
Innerhalb der Riten scheint auch von Anfang an der Widerstand dagegen auf, die Kritik am System als solchem. Und Widerstand gehört bestraft. Innerhalb des Systems muss das als logische Konsequenz gelten.
In all dem findet sich quasi die Essenz der menschlichen Konfliktgesellschaft, gestaltet als zeitlos mustergültiges Exemplum. Die Frage nach dem Opfer innerhalb dieser Gesellschaft erhält individualisierende Züge. Wenn das Ich einen Namen hat ändert sich dessen grundlegende Position im Beziehungsgefüge.
Rico Stehfest
Nächste Vorstellung: 7.9.2013 im Festspielhaus Hellerau.
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