Entkleidungskunst mit überraschend viel Gehalt - »Der Stripper« in der Comödie
Frivoles Spaß-Theater ist in Dresden durchaus beliebt. Sei es mit klemmenden Kanülen und rutschenden Kutten beim Boulevardtheater oder mit strippenden Landwirten und Rettungsschwimmern am Titisee in der Comödie. Wenn die Darsteller auf der Bühne, mal mehr mal weniger, blankziehen und dabei ihre Sprüche reißen, dann kommen die Zuschauer in Scharen. Klar, dass es also damit weitergehen muss. Und bevor im Juli dann im Bouli dem Landwirt seine Gurke wächst, lässt die Comödie einmal mehr die Hüllen der Männer fallen. Wer jetzt aber an ein reines »Nur für Frauen«-Stück glaubt, der täuscht sich.
»Der Stripper« erzählt die Geschichte von Sissi und Johannes. Beide sind glücklich verliebt, doch es fängt an zu bröckeln, als Johannes jedes Wochenende Nachtschichten im Altersheim schieben muss. Sissi vermutet zunächst eine Liebschaft, doch es stellt sich heraus, dass Johannes in diesen Nächten einem Zweitjob nachgeht: er strippt. Zunächst schockiert, kann sie sich doch einigermaßen damit abfinden. Doch der Job ist gefärdet: Das Stripplokal muss sich der Konkurrenz eines Edelschuppens zur Wehr setzen. Und dann taucht eine Dragqueen auf, die Interesse an dem Schuppen hat. Zu allem Überfluss wird dann auch noch Sissi und deren Mutter schwanger. Johannes hat alle Hände voll zu tun...
Regisseur Ingmar Otto, Intendant des Kammertheaters Karlsruhe, inszeniert mit »Der Stripper« nun kurz nach »The Show Must go On« bereits das nächste Stück aus seinem Haus an der Comödie Dresden. Die befreundeten Häuser tauschen sich in ihrem Programm gerne aus, so dass z.B. Kühns »Tussipark« im Oktober nach Karlsruhe geht. Mit »Der Stripper« ist Otto jedenfalls eine große Überraschung gelungen, zumindest wenn man erst einmal oberflächlich an die Sache herangeht und glaubt, dass wohl nur Frauen daran Spaß haben dürften. Jedoch haben wir es hier nicht mit einer Show der »Chippendales« zu tun, sondern mit einem Theaterstück, das, ganz nach der Art des Hauses, eine höchst komische Geschichte zu erzählen hat, die mit sympathischen Charakteren und viel gelungenem Witz genauso überzeugen kann, wie eben mit perfekt choreografierten Showszenen. Erotisch-lasziv geht es dabei eher weniger zu, wenngleich die Damen natürlich trotzdem viel zu gucken und zu kreischen haben, wenn die Hüllen der durchaus attraktiven Herren fallen.
Jedoch sei jeder, der bei dem Titel es nicht eh schon erwartet, gewarnt, dass die Dialoge und so mancher Gag schon stark unter die Gürtellinie gehen. Das berühmt berüchtigte F-Wort fällt zum Beispiel nicht nur immer wieder, es gibt sogar einen, durchaus kontrovers gehaltenen Song, in dem es um den Beischlaf für den Frieden geht. Und auch sonst dürften prüden Zeitgenossen bei nicht wenigen Texten die Ohren schlackern. Wer jedoch schon »The Show must go On« gesehen hat, weiß, was ihn dahingehend erwartet.
Eine besondere Erwähnung sei noch dem Bühnenbild gewidmet. Schon im Vorfeld kamen Fragen auf, was es damit auf sich hat, dass man sich für dieses Stück sogar Plätze auf der Bühne buchen kann. Tja, das Bühnenbild ist ein Hybridmodell zwischen der Wohnung der beiden Hauptfiguren und der Strip-Bar. Und um die Illusion perfekt zu machen, wurden auch Plätze auf der Bühne vergeben. Dass die Sicht auf das Geschehen dabei zwar etwas eingeschränkt ist, liegt auf der Hand. Jedoch spielt sich das Geschehen alles in allem so ab, dass man auch auf der Bühne die Darsteller nicht nur von hinten zu sehen bekommt.
Und wenn es dann mit dem Ausziehen losgeht, dann ist sowieso Partystimmung angesagt, bei der das gesamte Bühnenbild in Beschlag genommen wird. Dass es zum Strippen gehört, sich möglichst kreativ seiner Kleidung zu entledigen, hat Choreograf Patrick Nitschke dabei übrigens perfekt verstanden und bietet ein Potpourri an kurzen, teils wirklich ideenreichen Variationen, in denen vor allem eine mit Neon-Lichteffekten absolut herausragt. Aber auch zu Rock-, Schlager- und Weihnachtsmusik wird sich hier ausgezogen, ohne dass es allzu jugendgefährdend wird.
Was die Darsteller angeht, dürften Comödien-Fans vor allem Michaela Hanser kennen, die am Haus schon in »Heisse Zeiten« und »Weihnachten auf dem Balkon« zu sehen war. Hier spielt sie die Mutter der Hauptfigur Sissi und hat es dabei faustdick hinter den Ohren. Alle anderen stehen dagegen das erste Mal auf der Bühne des Hauses und sind mit großer Freude dabei, wenn es darum geht, ihre Rollen zu verkörpern.
Alles in allem ist »Der Stripper« somit ein rundum gelungener, frivoler Theaterspaß geworden, der vor allem aufgrund seiner tollen Figuren, dem knackigen, wenn auch manchmal etwas sehr schmutzigem Witz, sowie toller Strip-Choreographien durchweg unterhalten kann. Frauen im Besonderen, aber eben auch Männer, werden die Show mit dem guten Gefühl verlassen, zwei höchst vergnügliche Stunden hinter sich zu haben, die sie vielleicht noch einmal wiederholen würden. Was kann sich ein Theater sonst wünschen? David Hilbert
Nächste Vorstellungen: täglich bis 22.06.2019 (außer am 17.06.2019), sowie vom 01.10.2019 - 12.10.2019 in der Comödie
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