Ein hörbares Kinderspiel – Die Cullberg-Company bringt mit »The Listeners« das Hellerauer Publikum zum Klingen
29. Februar 2020 – Es beginnt mit dem Heulen einer Sirene, bei deren Getöse man sich fragen kann, ob das vielleicht sogar eine menschliche Stimme sein könnte, schließlich geht es in dieser Choreografie Alma Söderbergs für die Cullberg-Company um die Verbindung und Kommunikation zwischen Klang und Bewegung. Das ist aber nur der Startschuss für ein Fest des verspielten Miteinanders im Festspielhaus Hellerau.
Ein Knirschen, Rattern, Knallen. Es schnalzt, heult und tickt. Die Tänzer tragen Mikrofone, die es ihnen erlauben, ihre Bewegungen akustisch zu komplementieren, sowohl ihre eigenen Bewegungen als auch die der anderen Tänzer. Und das ist ganz offensichtlich ein Heidenspaß, ein Kinderspiel, in dem sie gleichzeitig Marionette und Spielführer sind. Ganz klar: Hier sollte man mit den Augen zuhören, oder so ähnlich.
Das ist kein intellektueller Höhenflug, ganz im Gegenteil. Im Vordergrund steht die sinnliche Erfahrung. Es ist ein Genuss. Das spiegelt sich auch im Bewegungsvokabular. Tänzerische Virtuosität spielt hier nicht die geringste Rolle. Offen bleibt, wie viel des Materials improvisiert ist, wahrscheinlich eine ganze Menge.
Alles ist entspannt, die Dynamiken variieren. Immer wieder kommt es zu loser Grüppchenbildung, innerhalb derer wiederholte Bewegungsabläufe Assoziationen zu alltäglichen Verrichtungen wie auch rituellen Ansätzen erlauben. Das ist der Wohlfühl-Modus.
Dann zerfällt die Spannung immer wieder, manche Momente erscheinen beliebig. Dadurch verliert man schnell das Interesse. Das ist aber kein Manko. Es ist nur das Gegenteil von künstlerischer Überfrachtung. Die Tänzer selbst verlassen immer wieder den weißen Tanzboden, trinken am Rand der Bühne aus einer Wasserflasche. Und weiter geht’s. Hat noch jemand Lust, weiterzuspielen? Klar. Es gibt noch so viele Geräusche, die man austesten kann. Und jedes ist anders, genau wie die Tänzer. Einfarbige Kostüme unterstreichen deren unbedingte Individualität, jeder Schnitt ist anders. Trotzdem sind es vor allem die gemeinsamen Szenen, in denen die Tänzer nicht synchron, aber in Harmonie rhythmisierte Kompositionen aus Klang und Bewegung schaffen, die das Publikum in den Stühlen wippen lässt. Das beeindruckt besonders deshalb, weil alle Gemeinsamkeiten im Prinzip nur auf der akustischen Ebene, in der Überblendung von Gesang und Geräusch entstehen. Zu körperlichen Berührungen kommt es nur ansatzweise. Physisch bleiben die Tänzer bis zum Schluss voneinander isoliert, aber trotzdem nie allein. Damit entsteht eine starke Gemeinschaft, die es schafft, die Individualität eines jeden Einzelnen ohne jede Kritik erstrahlen zu lassen.
Rico Stehfest / Fotos: Urban Jörén, Nina Andersson
nächste Vorstellung: 29. Februar 2020 im Festspielhaus Hellerau, 20 Uhr.
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