Die jüdische Leidensgeschichte als heiteres Singspiel – Joseph Roths »Hiob« im Kleinen Haus

26. Februar 2017 – Der jüdische Witz kommt traditionellerweise heiter daher, birgt in sich aber eine tiefe Weisheit, die oftmals die Zwiespältigkeit der Welt darstellt. Das mag vielleicht der Ansatz gewesen sein, Joseph Roths düstere Romanhandlung als Lustspiel mit viel Musik zu inszenieren, die immer wieder von einer plötzlich einsetzenden Düsterheit gebrochen wird, um sich dann in der Abgründigkeit des menschlichen Daseins zu verlieren.


In die Geschichte des Juden Mendel Singer, der in Folge zahlreicher Schicksalsschläge mit seiner Familie aus dem antisemitisch geprägten Russland nach Amerika flieht, hat Joseph Roth eigene biografische Züge eingeflochten. Das jüdische Volk wird bei ihm zu einer Verkörperung der Hiobsgestalt, die gezeichnet vom Leid auf eine Hoffnung im Glauben setzt und letztlich erlöst wird. Ganz nüchtern betrachtet ist das eine recht naive Ansicht, die der Regisseur Nurkan Erpulat treffend karikiert und die dem geschichtskundigen Theaterbesucher bitter im Halse stecken bleibt – besonders wenn Bilder der gegenwärtigen Flüchtlingsthematik darin auftauchen. Konkret wird dies dann in der Mitte des Stücks, wenn Familie Singer mit dem Schiff nach Amerika übersetzt. Die ergreifende Schlüsselszene, die von Schauspieler Christian Clauß wirklich meisterhaft gespielt ist und genial in Szene gesetzt wurde, passt aber leider nicht in die Handlung. Es wirkt gekünstelt und übertrieben, wenn die Familie plötzlich durchs Mittelmeer irrt, um dann doch in Amerika zu landen. Hätte es nicht bei einer bloßen Anspielung bleiben können?


Auch sonst überzeugt die Leidensgeschichte der Hauptperson nicht. Sein Darsteller hat sich wohl zu sehr an die Romanvorlage gehalten, in der Mendel Singer als gefühlloser und unsympathischer Langweiler dargestellt wird, der meist nur durch das Äußern pathetischer Pseudoweisheiten in das Geschehen eingreift. Leider führt das dazu, dass die Szenen, in denen Mitleid erzeugt werden soll, hölzern und langatmig wirken und somit die Dynamik unangenehm brechen. Eine Straffung würde in der zwei Stunden und 15 Minuten dauernden Inszenierung Wunder wirken.


Die restlichen Darsteller überzeugen aber durch ihr parodiehaftes Spiel und gehen auf der Bühne, die in regelmäßigen Abständen von herabfallendem Regen unter Wasser gesetzt wird, an ihre körperlichen Grenzen. Besonders sticht dabei auch der Musiker Daniel Kahn heraus, der durch jiddischen Gesang und die dazu gehörenden Akkordeonklänge dem »Hiob« ein gutes Stück jüdischen Temperaments einhaucht.

Stephan Zwerenz / Fotos: Matthias Horn

Nächste Vorstellungen: 28. Februar, 8./14./29. März



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