»Die Entführung auf dem Jahrmarkt oder Mangelwirtschaft in Serkowitz«: Die Serkowitzer Volksoper mit komisch-kritischem Open-Air Stück in der Saloppe
Das Wetter sieht wenig einladend aus am 6. September: dunkle Regenwolken werden vom böenartigen Wind über den Himmel getrieben, ein frösteliger erster Sonntag im September. Nichtsdestotrotz ist der Zuschauerraum hinter dem überdachten Zirkuswagen, der dieses Jahr erstmalig die Bühne stellt, gut gefüllt. Unerschrocken hat das Publikum sich in Decken gehüllt, die die Saloppe anbietet und wartet, ein Glas Bier in der Hand, gut gelaunt auf Vorstellungsbeginn. Sicher ist es hilfreich, dass die Zuschauer mit einem Dach vor Regengüssen geschützt sind – zusammen mit der kleinen »Orchesterstation« neben der schmucken Bühne hat es fast ein familiär kuscheliges Ambiente.

Bereits zum fünften Mal ist die Serkowitzer Volksoper mit ihrem Sommertheater zu Gast in der Saloppe. Dieses Jahr hat sich das Team um Wolf Dieter Gööck und Milko Kersten einem sehr aktuellen, sehr ernsten Thema zugewandt, welches mit viel Humor und beißender Ironie vorgetragen wird. Eingerahmt in eine Stadtfestszenerie, die angelehnt ist an den Goetheschen Schwank »Das Jahrmarktsfest zu Plunderweilern« wird Mozarts Singspiel »Entführung aus dem Serail« gegeben – freilich nicht ohne Bezug zu nehmen auf die derzeitige kulturpolitische Situation.

Mit einer typischen Stadtfestszene startet das Stück. Eine hungrige Familie am Bratwurststand, der Verkäufer weit und breit nicht zu sehen. In gekonnten und schwungvollen Reimen, die das Publikum immer wieder zum Lachen bringen, wird das grausame Schicksal des ewig Wartenden dargeboten. Weitere Figuren bereichern das Jahrmarktstreiben: eine Nonne, Mafiosi, ein betrunkener Dynamo-Fan, Pegida-Anhänger... Mit viel Witz und Charme und dennoch tiefer Ernsthaftigkeit entsteht ein beinahe naturgetreuer Einblick in einen typischen Dresdner Stadtfesttag. Und das alles gereimt, alles von lediglich drei Schauspielern gemimt, die blitzschnell und überzeugend in die nächste Rolle schlüpfen. Aber das eigentliche Spektakel beginnt mit dem Stück im Stück: Mozart's bekanntem Singspiel. Das kleine Orchester begleitet liebevoll und gekonnt die Künstler auf der Bühne – ein Ohren- und Augenschmaus, der gleichzeitig gehörig Spielraum für die Lachmuskeln lässt.
Nach circa einer Stunde können sich die Zuschauer zum Aufwärmen Tee, Wein und etwas für den Hunger holen, bevor es nach 20 Minuten genauso unterhaltsam weitergeht. Trotz begrenzter Mittel hat die Serkowitzer Volksoper mit sehr viel Kreativität, Einfallsreichtum und Leidenschaft fürs Theater ein wundervoll abwechslungsreiches Stück auf die Bühne gezaubert. Wer anfangs meint, dass es bei den typischen, oberflächlichen Scherzen bleibt, merkt schnell, dass das Stück trotz aller durchaus überzeugender Komik sehr viel tiefer geht und ein kritisches Bild unserer Zeit und lokalen Kultur zeichnet. Natürlich wird der Fremdenhass hinterfragt, die Intoleranz mokiert. Nicht zuletzt durch einen kurzen Ausflug zu Lessing's Ringfabel. Die Leistung der Schauspieler, die unterstützt wird durch eine sehr clevere Kostümierung, ist zudem beachtlich; sie singen, schauspielern, reimen und bringen zum Lachen. Kurzum: ein durchaus runder Abend – eine kurzweilige, aber zeitgleich intelligente und kreative Inszenierung. Jenny Seibicke/ Fotos: Robert Jentzsch | rjphoto.de

Nächste Vorstellungen: 13.9., 20.9. & 27.9.2015, jeweils 19 Uhr.



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