Der Teufel im Detail: Schostakowitschs »Moskau, Tscherjomuschki« in der Semper2
Einmal nichts Schweres sollte es sein, und tatsächlich, wer Dmitri Schostakowitsch bisher vor allem als großen Sinfoniker kennengelernt hat, der könnte von der Leichtigkeit dieser »Operette« über die Tücken im Detail des realsozialistischen Alltags noch überrascht werden. Dabei handelt es sich bei dem hierzulande recht schwer über die Lippen kommenden Namen »Tscherjomuschki« (Betonung auf »jo«) um ein gerade fertiggestelltes »neues Wohngebiet«, in das sogleich allerlei »neue Menschen«, d.h. sozialistisch durchgeformte, einziehen können. Doch leider zeigt es sich bald, dass es mit diesem neuen Menschen nicht weit her ist, und der alte Schlendrian, egoistische Renommage, Korruption und Dünkel allerorten hervorblitzt.
Gleich vier paradigmatisch verschiedene Liebesgeschichten, bei denen die Protagonisten zueinander und voneinander finden, und die leidige Suche nach dem neuen Wohnungsschlüssel, die der korrupte Hausmeister Barabaschkin nur bei guter Laune und noch besserer Bezahlung austeilt, müssen als Konflikte, die dramaturgisch verwendet werden können, jedoch ausreichen. Das ist nicht allzu viel, und so schleppt die Handlung nach einem freilich furiosen Auftakt im Verlauf zusehends. Die Inszenierung von Christine Mielitz gibt dem Affen ordentlich Zucker, scheut sich nicht vor großen Gesten und Schablonen. Jedoch ist alles auf eine spritzige Weise überzeichnet und der dicke Schmalz mit wissendem Augenzwinkern abgefedert: 50er-Jahre-Plüsch, Sowjetsterne, Embleme und Phrasen an allen Ecken und Enden. Und so gelingt es Mielitz sehr gut, die Längen des Plots zu neutralisieren.
Aus der Sängerriege kommen eher darstellerisch als musikalisch überzeugende Akzente, oder sollte der Eindruck der überaus trockenen Akustik der kleinen Bühne geschuldet sein? Wie auch immer, die Musik von Schostakowitsch ist auch im leichteren Genre unglaublich präzise und charaktervoll, ein mondäner und etwas unterkühlter Walzer zieht sich durch das Stück, im Wechsel mit rustikaler Polka und einem rhythmisch treibenden synkopischen Galopp. Die reduzierte Orchesterfassung für Bläsercombo, Schlagzeug und kleines Ensemble funktioniert sehr gut, zumal unter der straffen und berufenen Leitung von Michail Agrest.
Auch wenn das kleine Stück heute etwas aus dem Rahmen gefallen scheint, so lohnt doch die Entdeckung mit einem Blick in eine ferne Zeit, die für manche vielleicht noch präsent ist: das große und schreckliche 20. Jahrhundert.
Aron Koban
Nächste Vorstellungen: 4., 6. & 30.3. jew. 19 Uhr, 28. & 30.3.2014 jew. 19.30 Uhr, Semper2
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