Cherryman jagt Mr. White im tjg.
Die kalte weiße Wand, vor der ein junger Mann sitzt, entfaltet sich zum Löschpapier, das allmählich die schwarze Farbe aufsaugt, die der Mann darauf malt. Er beginnt ein Lied zu singen, das seine Melancholie und Bestürzung erahnen lässt. Szenenwechsel. Die Handlung wird im Rückblick auf die Geschehnisse erzählt. Der 18-jährige Rick, ständiges Opfer einer Neonazibande in seinem Heimatdorf in Brandenburg, erhält ein verlockendes Angebot: Mit Hilfe von Beziehungen der Neonazis erhält Rick eine Lehrstelle in einer Gärtnerei. Dafür muss er im Gegenzug als Spion für den Heimatschutz, einer nationalistischen Organisation, die sich für die Erhaltung der Kultur im Land einsetzt, tätig werden. Anfangs klingt alles noch harmlos und Rick willigt ein. Allerdings entpuppt sich das Vorhaben des Vereins zum lebensbedrohlichen Terroranschlag, dem Rick nicht entgehen kann, ohne seiner Familie und seiner Freundin zu schaden. Am Ende stellt sich die Frage, ob man Gewalt mit Gegengewalt beantworten kann und inwieweit sich ein Opfer zum Täter entwickelt.
In »Cherryman jagt Mr. White« überzeugen alle Darsteller ausnahmslos. Dabei beeindruckt der Kontrast zwischen dem Träumer Rick und der destruktiven Neonaziclique besonders. Erschreckend ist, wie ein sympathischer, künstlerischer Freigeist wie Rick eine Verbindung mit den aggressiven und gewaltbereiten Rechtsradikalen eingehen und daran zerbrechen kann. Durch mehrfache Wiederholungen bestimmter Situationen im Stück, kann Rick über seine eigenen Taten reflektieren und hat tendenziell die Möglichkeit einer anderen Reaktion. Als Zuschauer fragt man sich demnach stets »Was wäre wenn er anders gehandelt hätte…?« und hofft auf eine bessere Entscheidung.
Die große weiße Wand, die sich ab und an zu Comicstrips verwandelt, die die Gedankenwelt von Rick sehr eindringlich schildern, die Soundeffekte, die den Zuschauer erschauern lassen und das fulminante Finale, bei dem man das Gefühl hat, dass man sich mitten in einem Horrorfilm befände, gestalten das Theaterstück, welches ein Thema aufgreift, das besonders an Schulen diskutiert werden sollte. Carolin Herrig

Nächste Vorstellungen: 25./26./27.3.2013; 29./30.4.2013



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