Casper am 16. Dezember 2022 in der Max-Schmeling-Halle in Berlin.
Willkommen im Rap-Garten! Als Casper an diesem Abend auf die Bühne stürmt, rennt er durch seine ganz eigene Flora. Blumen am Bühnenrand, links hinten ein Baum. Verwunschen, hoffnungsvoll, farbenfroh – je nach Lichteinfall irgendwas zwischen Bullerbü und Thriller.
Gegen neun ertönt der Titeltrack vom aktuellen Album. Für das Publikum gibt es kein Halten mehr. »Alles war schön und nichts tat weh« ist ab da Motto wie Klammer für diesen Abend. Der nicht ohne ein Augenzwinkern selbsternannte Hipster-Rapper changiert ansonsten gekonnt zwischen verschiedenen Schaffensphasen. Basst hier »XOXO« um die Ecke, geht es im nächsten Moment sphärisch ins »Hinterland« und »Lang lebe der Tod« geht eh immer.
Dass die Max-Schmeling-Halle an diesem Abend nicht voll besetzt ist, übertönt das Getöse der teilweise weit angereisten Fans. Köln, Leipzig, Dresden und sogar Münchner Kennzeichen mit Casper-Schriftzug am Heck parken in den Straßen um die Halle. Drinnen tanzt und springt Benjamin Griffey, wie Casper im bürgerlichen Leben heißt, über die Bühne. Sichtbar Spaß macht ihm das und doch ist sein körperlicher Einsatz an diesem Abend alles andere als selbstverständlich.
Noch zwei Tage zuvor wurde die Show in Hannover wegen Krankheit abgesagt und auch in Berlin bittet Casper ob seiner angeschlagenen Gesundheit um Nachsicht. Da weiß noch niemand, dass auch die anstehenden Auftritte beim »Zurück-zuhause-Festival« in Bielefeld ausfallen werden. Heute aber stemmt Casper Berlin. Sein Publikum feiert ihn dafür – völlig zurecht, bleiben doch so gut wie keine Wünsche offen.
Mit »Adrenalin« und »Supernova« schaffen es sogar zwei Songs aus der Team-Mache mit Marteria auf die Setlist. Drangsal schaut bei den Stücken »Keine Angst« und »Lila Blau« gleich zweimal zur gesanglichen Unterstützung auf der Bühne vorbei und mit TUA ist Caspers Kumpel aus Reutlingen am Start. Der wirkte zu Beginn des Abends in der Rolle als Ein-Mann-Vorband zwar etwas verloren, verleiht dem Stück »TNT« mit seinem herrlich angeknacksten Falsett aber auch live einen respektablen Gänsehautmoment. Überhaupt ist alles gut, was hier und heute auf der Bühne passiert. Casper nimmt sein Publikum gekonnt an die Hand, zieht nach unten, baut und legt wieder auf. Eine Reise durch eines der besten Œuvres hiesigen Sprechgesangs. Selbst das Bild einer aufsteigenden Friedenstaube, das eingeblendete Zitat des Tocotronic-Songs »Nie wieder Krieg« oder die Solidarisierung mit dem iranischen Freiheitskampf durch das mehrsprachig, auf dem LED-Bildschirm auftauchende »Frau, Leben, Freiheit« hallen als große Gesten nach. Nichts verwässert im Sog des Events.
Zum Schluss ist »Gib mir Gefahr« die zweite und letzte Zugabe an diesem Abend. Live eine mitreißende Reminiszenz an den Killertrack »New Noise« der schwedischen Kultband Refused. Noch einmal kommt der Moshpit in Rotation, dann verlässt Casper unter tosendem Applaus die Bühne. Zurück bleiben glückliche Fans und ein ordentlich umgepflügter Rap-Garten. Was für ein Jahresabschluss!
Text: M.Hufnagl / Foto: Andreas Budtke
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