Arbeiter der Liebe: Christian Steiffen am 22. November 2014 im Beatpol
Vor dem Beatpol trinkt sich eine Gruppe junger Ausgänger warm. Alle tragen blaue T-Shirts mit dem Konterfei ihres Idols. Dieser Abend wird anders als man es von den Veranstaltungen im Altbriesnitzer Livemusik-Club gewohnt ist. Drinnen Fangesänge: »Wir wollen den Steiffen sehen…« Und da ist er auch schon: Christian Steiffen, laut eigener Einschätzung »das Bernsteinzimmer der guten Musik«. Mit Titeln wie »Sexualverkehr«, »Ich hab' die ganze Nacht von mir geträumt«, aber vor allem mit dem Titelsong aus dem Kinofilm »Ich fühl' mich Disco« hat er es als Entertainer zu Kultstatus gebracht. Als Gesamtkunstwerk in Präsent-20-Anzug vom VEB Herrenmode Dresden (!!!) und Siebziger-Jahre-Rüschenhemd sowie mit langen Haaren, Koteletten und Schnauzer ist er die personifizierte Parodie der gesamten Schlagerwelt und seiner selbst. Auch wenn er musikalisch nicht weit weg ist von Dieter Thomas Kuhn und Konsorten, in nahezu jedem Text stecken Augenzwinkern und Ironie: »Selbstmitleid, das ist die schönste Jahreszeit« oder »Ich sehne mich so sehr nach Sexualverkehr«. Undenkbar in der ZDF-Hitparade! Zusammen mit seinem musikalischem Sidekick, Orchesterleiter Dr. Martin Haseland, gibt Steiffen auf der Bühne den Anti-Schlagerbarden. Sein Publikum hat er wie ein Dompteur im Griff (»Hört auf zu quatschen!«, »Du gehst jetzt mal besser runter von der Bühne«). Nichtsdestotrotz feiert die Menge ihr Idol. Der »Arbeiter der Liebe« (so der Titel seines Albums) ist an diesem Abend gesundheitlich zwar arg angeschlagen und muss sogar kurzzeitig die Bühne verlassen– Stimmung und Performance sind dennoch 1A.

Der 43-Jährige, der schon in Osnabrück erfolglos als Oberbürgermeister kandidierte, scheint den Soundtrack für die derzeitige deutsche Befindlichkeit zu liefern. Anders lässt es sich kaum erklären, dass Frauen, aber hauptsächlich Männer zwischen 20 und 50 landauf, landab auf Steiffen-Konzerten komplett ausrasten Stefan Bast/ Fotos: Cordelia Grebler




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