■ Dritte Soloplatte, drittes Buch. Im Gespräch mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl spricht Thees Uhlmann über Küchengespräche mit Katrin Bauerfeind, Die Toten Hosen und warum Musik nicht als Religionsersatz taugt.
70 Prozent deiner aktuellen Platte »Junkies und Scientologen« waren bereits fertig, als du alles verworfen hast. Warum?
Thees Uhlmann: Das ist schwierig zu erklären. Ich habe mich persönlich in den letzten Jahren verändert. Die ersten Texte auf der Platte waren unkonkret, fast schon Tomte-mäßig. Von der Kunstfertigkeit her interessiert mich so was überhaupt nicht mehr.
Im Song »Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach Hip-Hop-Videodrehs nach Hause fährt«, arbeitest du dich ordentlich an Klischees ab. Wie sind die Reaktionen aus der Szene?
Thees Uhlmann: Super. Bekannte aus der HipHop-Szene lachen sich kaputt, wie genau ich das seziere. Früher war das alles mal freiheitlicher. Ich will ja keinen Farid Bang überzeugen – die haben ihre Kultur, ich meine.
»Fünf Jahre nicht gesungen« war die erste Single zum aktuellen Album. Darin heißt es, »Eine Frau in meiner Küche sagt, ich habe um dich Angst«. Wer sorgt sich da?
Thees Uhlmann: Im konkreten Fall war das Katrin Bauerfeind, die bei mir in der Küche saß. Die Frau hat ein Arbeitspensum, ballert Bücher raus und macht dabei noch Moderation, Fernsehsendungen und Auftritte. Das war zu der Zeit, als es mit der Platte nicht so lief. Fuck, scheiß Kunst. Katrin ist so fleißig, trinkt nicht und ich war betrunken. Ich wollte wissen, wie sie das bei dem ganzen Stress alles macht. Sie meinte, dass sie sich manchmal ein wenig Sorgen um mich macht, es aber auch lustig findet, wenn ich ihr Musik, die sie überhaupt nicht gut findet, so lange erkläre, bis sie sie selber lustig findet.
Das Intro des Songs erinnert an einen großen Hit der Band Foreigner ... ?
Thees Uhlmann: »Cold as Ice«. Ein klassischer Fall von Band zu blöd, alle anderen lachen sich schlapp. Das klingt total nach Foreigner. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln, aber wir sind selbst nicht drauf gekommen.
Du hast ein Buch über Die Toten Hosen geschrieben. Hast du der Band vorab Bescheid gegeben?
Thees Uhlmann: Ursprünglich hatte mich Kiepenheuer & Witsch gefragt, ob ich über Springsteen schreiben will. Ich meinte, dass mir dazu nicht viel einfällt, außer das ich Fan bin. Dann hieß es, ich könne doch vielleicht was über Die Toten Hosen machen. Das klang interessant: Erstes Konzert, Band Aid, spielen mit den Toten Hosen, Manager kennenlernen. Ich habe der Band eine lange Mail geschrieben. Zwei Tage später hat Campino zurückgerufen. Er meinte, dass sie sich sehr freuen würden, wenn ich das schreibe.
Im Buch steht, dass du Campino lange für einen Prediger gehalten hast, irgendwann aber gemerkt hast, dass er eher ein Beobachter ist. Woran machst du das fest?
Thees Uhlmann: Wäre er ein Prediger, dann würde er predigen. Seit den frühen 90ern aber haben Die Toten Hosen in jedem sozialen Konflikt ihren Kopf raus gestreckt. Jetzt ist das vielleicht eine arrivierte Band, aber man sollte nicht vergessen, wie sie sich damals in Wackersdorf und bei den Castor-Transporten engagiert haben, oder was beim Arbeitskampf im Ruhrgebiet passiert ist – das war ganz und gar nicht arriviert. Solange Die Toten Hosen noch auf den Beinen sind, ist die Sache kulturell noch lange nicht gegessen.
Im Kapitel zu deinem Auftritt vor Campino & Co. im Kölner Rheinenergiestadion steht der Satz: »Ein leeres Stadion ist eine Kathedrale ohne Gott.« Taugt Musik heute noch als Religionsersatz?
Thees Uhlmann: Ich glaube nicht, dass sie überhaupt ein Religionsersatz war. Früher war Musik einfach viel identitätsstiftender. Wir hatten Platten, Radio und ein bisschen Fernsehen. Natürlich hat man sich da stärker darüber definiert, welche Musik man hört. Anhand der Platten und der Stars, die man hörte, konnte man sich gut selbst erklären. Heute bist du entweder »Call of Duty 4«, FIFA, oder TikTok. So nach dem Motto: Zeig mir deine Instagram-Bilder und ich weiß, auf welcher Welle du surfst.
Thees Uhlmann ist mit Band am 4. Dezember im Alten Schlachthof zu erleben; am 12. Januar kommt Thees Uhlmann dann in die Schauburg, um aus seinem Buch über »Die Toten Hosen« vorzutragen. Mehr zum Künstler: www.facebook.com/theesuhlmannmusik/