■ Laut, leise, radikal: Die Londoner Band um Frontfrau Skin feiert dieser Tage ihr 25-jähriges Bestehen – stilecht mit großer Tour und starkem Live-Album. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl verriet die charismatische Sängerin, wie es ihrer Meinung nach um die heutige Popmusik bestellt ist, warum sie sich auf einen Auftritt mehr vorbereiten muss als früher und was Musik dem globalen Rechtsruck entgegenzusetzen hat.
Was bedeutet für euch als Band der Begriff »Außenseiter«?
Skin: Den tragen wir wie ein Ehrenabzeichen. Viele meiner Lieblingsbands sind Außenseiter oder haben als solche angefangen. Auch wir sind die Dinge immer anders angegangen. Fast ein Vierteljahrhundert hat es gedauert, bis uns der Zeitgeist in punkto Aussehen und Gesang eingeholt hat. Würden wir heute debütieren, wären wir der heißeste Scheiß im Rockbusiness.
Wie war das in den Anfangstagen?
Skin: Eine schwarze Sängerin mit Glatze galt als total uncool. Schau dich um: noch immer gibt es nichts, was mit uns vergleichbar wäre. Dabei sind wir als Band sicher auch ein Produkt von dem, was zu dieser Zeit alles in London passierte.
Damals war eure Homebase der Splash Club in King's Cross. Hat eine junge Band in London heute noch die gleichen Möglichkeiten?
Skin: Es ist ziemlich schwierig geworden, da nicht mehr viele Stätten existieren, wo man spielen kann. Die sozialen Medien scheinen jetzt der Ort zu sein, an dem sich die Leute neue Musik anhören. Um Bands zu entdecken, geht man nicht mehr zwingend in die Bar um die Ecke. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Gewohnheiten.
Fühlst du dich wie eine Überlebende der Rock Ära, umzingelt von billiger Popmusik?
Skin: Das trifft es ganz gut. Ich mag Popmusik, die Qualitätskontrolle funktioniert aber nicht mehr so wie früher. Es macht den Anschein, als ob nur noch eine handvoll Produzenten für die Großen der Branche schreiben. Die Folgen sind ein immer gleicher Beat, gleicher Refrain, die gleichen Phrasen, gleiche Outfits und die gleichen Leute hinterm Mikro.
Besteht noch Hoffnung?
Skin: Es gibt ihn noch, den guten Popsong, aber in letzter Zeit klingt alles gleich. Dabei geht es im Pop doch seit jeher auch darum, den Nachwuchs zur Musik zu bringen. Viele Kids fangen mit Popmusik an und entwickeln davon ausgehend nach und nach ihren ganz eigenen Geschmack. Da gibt es genug Platz für alle und es muss bei weitem nicht immer Rockmusik sein.
Lässt du dich beim Texten von Gefühlen wie Verletzlichkeit und Wut inspirieren?
Skin: Absolut. Hör dir nur »Weak as I am« an. Da geht es genau darum. Man kann nicht ständig vortäuschen, dass alles perfekt ist. Es ist wichtig ehrlich zu sein.
»25LIVE@25« heißt das Album zum Bandjubiläum – konträr zum Titel sind darauf 26 Stücke enthalten. War es so schwer, sich zu einigen?
Skin: Nein gar nicht. Zehn lagen mit den Singles auf der Hand. Auch die nächsten fünf und weitere neun Songs waren schnell klar. Nur bei den letzten beiden Stücken waren wir uns partout nicht einig – also kamen beide aufs Album.
Ein Markenzeichen von Skunk Anansie ist der energetische Live-Auftritt. Ist es mit den Jahren schwerer geworden das Level zu halten?
Skin: Ja, klar. Für die anstehenden Konzerte muss ich wirklich fit sein. Das ist harte Arbeit und gar nicht so einfach. Dafür trainiere ich schon seit Februar wie für einen Halbmarathon.
Nervt es zu merken, dass ein Teil des Publikums nur auf Songs wie »Hedonism« oder »Secretly« wartet?
Skin: Auf Konzerten hat jeder seine Lieblingssongs. Das geht mir nicht anders. Nach 25 Jahren sollte man als Band zumindest ein paar legendäre Songs im Repertoire haben. Wofür sind wir denn schließlich hier? Beide Stücke sind großartig. Von daher stört mich das gar nicht.
Brexit, Trump und andere Katastrophen. Muss Musik heutzutage politisch sein oder sollte sie lediglich unterhalten, um die Menschen auf andere Gedanken zu bringen?
Skin: Hört man Scheiße ohne Wert, wird sich die Situation nicht ändern. Als Künstler muss man tun, was man als Künstler tun muss. Dabei sind manche politisch und andere nicht. Hat man aber das Gefühl, durch die Musik etwas kommunizieren zu wollen, dann ist jetzt die Zeit, sich bemerkbar zu machen. Steh auf, wenn dich der Brexit und der globale Rechtsruck beschäftigen. Die Rechten haben uns den Krieg erklärt, bekommen eine immer größere Plattform und entwickeln mehr und mehr Zugkraft. Wir müssen mit den gleichen Waffen zurückschlagen. Damit meine ich nicht an der Spirale der Gewalt zu drehen. Ich sage nur: Rechtsaußen ist man sehr organisiert, also sollten wir uns auch organisieren.
Skunk Anansie sind am 23. Juli im Alten Schlachthof zu erleben. Mehr zur Band: http://skunkanansie.com/