DRESDNER Interviews / O-ton!
Wir kommen aus den Neunzigern – Tocotronic im Interview (Foto: Michael Petersohn)
Tocotronic im Interview (Foto: Michael Petersohn)
■ Mit neuem Album im Gepäck, steht bei Tocotronic auch ein Konzert in Dresden auf dem Tourplan. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl traf sich vorab mit Schlagzeuger Arne Zank und Bassist Rick McPhail hoch über der Spree zu einem Gespräch über falsch verstandene Statements, erkämpfte Freiräume und die Bürde ein Liebling des Feuilletons zu sein.

Eure neue Platte ist mit »Die Unendlichkeit« betitelt. Kritisiert ihr darauf bestehende Verhältnisse aus einer autobiographischen Perspektive?

Arne Zank: Es gab Stimmen, die genau so etwas vermisst haben. Das finde ich eben überhaupt nicht. Ein nostalgischer, zurückgewandter Blick wird eigentlich vermieden und man ehrt das Gegenwärtige. Dirk (Sänger Dirk von Lowtzow Anm. d. Red.) war sehr daran interessiert, diese gegenwärtige Perspektive zu behalten und neben der Unendlichkeit eine zukünftige Aussicht dabei zu haben.

Nervt es, Lieblinge des Feuilletons genannt zu werden?

Arne Zank: Da können wir offen sagen: ja klar.

Klingt oft nach Rotweintrinker-Band!?

Arne Zank: Ganz genau, nach rotweinschwanger, zurückgelehnt im Sessel. Andererseits muss man sagen, dass es uns am Anfang durchaus gefreut hat, wie wir in den Feuilletons vorkamen. Das ist schon ein anderer Umgang mit Musik. Wir kommen aus den Neunzigern, da war das noch gar nicht so vorhanden, dass Popmusik derart wertgeschätzt wurde. Insofern war es zu Anfang eine Anerkennung, mittlerweile aber ein lähmendes Etikett.
Rick McPhail: Der Grund, warum es bei vielen negativ ankommt, hat auch etwas mit einem Anti-Intellektualismus zu tun. Bloß nichts sagen, wo man vielleicht mal ein Buch hat lesen müssen. Auch bloß nichts sagen, dass zu emotional, politisch oder negativ ist. Ich würde mir wünschen, dass das alles ein wenig gemischter wäre.

Früher haben eure Fans »Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein« an Hauswände gesprüht. Heute sind eure Anhänger mitunter in einem Alter, in dem sie sich an besprühten Hauswände stören ...?

Arne Zank: Man hat damals schon gemerkt, dass man da in total beknackte Ebenen kommt. So was wie »Jugendbewegung« war natürlich ein ganz klares Antistatement gegen Gemeinschaften, kam aber aus einer Außenseiterposition.

Im Song »Electric Guitar« huldigt ihr die Gitarre als Möglichkeit sich zu emanzipieren. Was war euer erstes Instrument?

Arne Zank: Ich habe zuerst Bass gespielt.
Rick McPhail: Bei mir war es umgekehrt. Ich habe als Schlagzeuger angefangen. Mir gefiel das Reinhauen und das Körperliche. Das fand ich immer ganz wichtig.
Arne Zank: Reindreschen, Körperlichkeit spüren – das ist pubertär. Man merkt plötzlich etwas.

Im Stück »Hey Du« heißt es: »Ist mein Stil zu ungewohnt, dass du mir mit Schlägen drohst«. Eine Geschichte, mit erschreckender Aktualität?

Arne Zank: Ich weiß noch, als man in Hamburg Schiss hatte, weil man punkig herumgelaufen ist. Wenn ich abends auf Konzerte gefahren bin, hatte ich in der U-Bahn immer Angst vor Naziskins. Irgendwann hat man dann gewusst, welche Ecken zu meiden sind. Stadtteile wurden aber auch von Linken und der Antifa verteidigt. In der Rückschau merkt man, wie wichtig das ist und von wie viel beknackten Mainstream-Idioten das angezweifelt wird. Es ist wichtig, dass sich Leute wirklich gerade machen und denen auf der selben Ebene was auf die Fresse geben. Nur deshalb konnte man in den 80ern und 90ern in Hamburg auf St.Pauli herumlaufen und musste keine Angst haben.

Seid ihr nostalgisch, was die frühen Tage in Hamburg angeht?

Arne Zank: Wir hatten Glück, mit dem Ort und der Zeit, als wir aufgeschlagen sind. Damals war alles echt zentral. Wenn man da zwei Bomben geworfen hätte, wäre die komplette Musikszene weg gewesen.
Rick McPhail: Als ich nach Hamburg gezogen und auf ein Konzert in die Flora gegangen bin, haben da Robespierre und die Sterne gespielt. Aus der Musikszene war jeder da. Diese Partys hat man nicht mehr allzu oft.

Seid ihr, was die Zukunft angeht eher positiv eingestellt oder überwiegt der Pessimismus?

Arne Zank: Ich bin eher ein melancholischer Mensch, habe aber durchaus das Prinzip Hoffnung.
Danke für das Gespräch!

Tocotronic sind am 14. April mit Ilgen-Nur als Support im Alten Schlachthof zu erleben. Mehr zur Band: http://tocotronic.de/

« zurück