■ Der 1975 in Ostberlin geborene Schriftsteller landete 2014 mit »Generation Beziehungsunfähig« einen Bestseller, der mittlerweile verfilmt wurde, und bringt sich auch als Kolumnist und Podcaster in gesellschaftliche Debatten ein. Anlässlich der Lesetour zu seinem siebten Buch »Weil da irgendetwas fehlt«, bei der er auch in Dresden Halt macht, hat Kaddi Cutz für DRESDNER Kulturmagazin mit dem Erfolgsautor gesprochen.
In deinem neuen Buch kritisierst du das Vermarkten von Gefühlen auf Social Media, ohne dich selbst davon freizusprechen, wie du anhand vieler persönlicher Beispiele zeigst. Unterschwellig lese ich zumindest aber schon raus, dass du dich doch sehr abgrenzen willst von seichten Kalenderspruch-Bildchen und Wand-Tattoo-Weisheiten-Posts. Inwieweit ist das so und was machst du anders?
Michael Nast: Ich sage ja nie: So wirst du glücklich. Ich sage immer: Das ist erschütternd. Im Grunde sind das ganz negative Aussagen darüber, wo wir stehen. Das ist der Unterschied. Viele sagen ja so was wie: »Lebe dein Leben, sei glücklich«. Das ist ja überhaupt nichts Greifbares, was man aber unterschreiben kann. Also klar, manchmal hab ich auch nen Imperativ drin, aber das sind dann eher so sprachrhythmische Geschichten. Was mir aber Leute schreiben, und das ist immer ein schönes Kompliment, sind Dinge wie: »Du bringst mich zum Nachdenken«, oder: »Ich ändere meine Perspektive oder gehe sogar in die Handlung«. Ich bin ja auch kein Psychologe und kann gar keine qualifizierte Lebenshilfe geben. Ich habe auch keinen Ratgeber geschrieben. Mir geht es auch nicht vordergründig um Geld.
Sondern?
Michael Nast: Wenn man so ein Ratgeber-Buch schreiben will, dann setzt man sich hin, überlegt sich ein Thema, eine Zielgruppe und dann gibt man der genau das. Das ist eine Geschäftsidee. Das ist nicht mein Ansatz. Ich schaue vordergründig: Was beschäftigt mich? Darüber rede ich. Über meine Defizite und über Defizite, die ich in meinem Umfeld und der Gesellschaft beobachte und wahrnehme. Und ich hab großes Glück, dass das funktioniert, dass die Beschäftigung damit und mein Wille zur Veränderung, vor allem meiner selbst, mir da immer die Energie gibt, damit weiter zu machen.
Zwischen deinem Bestseller »Generation Beziehungsunfähig« und »Weil da irgendetwas fehlt« liegen mehrere Jahre und einige weitere Bücher. Was hat sich seither verändert?
Michael Nast: Früher ging es ja um mein Erleben des Singleseins, das waren pointierte Kolumnen. Da war es eher mein Ansatz, Geschichten zu erzählen. Seit dem zweiten Teil ging und geht es mehr darum, mich zu verstehen. Warum ich mich verhalte wie ich mich verhalte – und andere natürlich auch. Da ging es mehr in die Analyse hinein. Auch das Lösungsbuch bietet da natürlich keine Lösung, denn die kann ja nur sein, an sich selbst zu arbeiten und nicht alle anderen dafür verantwortlich zu machen, dass man immer an die Falschen gerät. Die sucht man sich ja aus. Das neue Buch behandelt dasselbe Problem, aber universeller. Letztlich ist das Problem, mal ganz runter gebrochen, dass wir uns so sehr an die Konsumgesellschaft angepasst haben, dass wir auch in Lebensbereichen als Konsumenten agieren, wo das gar nichts zu suchen hat. Auch in der Liebe und in Beziehungen sind wir perfekt angepasste Konsumenten. Die Grundthese des Buches ist: Wir brauchen alle eine Therapie, vor allem die Gesellschaft. Und das ist relativ brutal, weil wir natürlich so sozialisiert sind, dass wir das gar nicht sehen und den Ist-Zustand als normal betrachten.
Bezugnehmend auf deinen Buchtitel: Was fehlt denn eigentlich?
Michael Nast: Die Probleme die wir haben, können nicht von Null auf Hundert gelöst werden, das ist ein Mehrgenerationenproblem. Es bräuchte vielleicht ein anderes Selbstverständnis von Gesellschaft. Hat auch Erich Fromm schon gesagt, es geht nicht darum viel zu haben, sondern darum, viel zu sein. Also eigentlich fehlt Weltfrieden. Aber das ist auch wieder so banal, jeder würde das unterschreiben, aber keiner weiß, wie es geht. Und wir sind alle gefangen im Kapitalismus.
Du wirst ja auch als Beziehungsexperte gehandelt, kannst aber auch vor allem dann von eigenen Misserfolgen berichten und allenfalls in der Theorie erklären, wie es besser laufen könnte ... ?
Michael Nast: Ich kann sagen, wie Beziehungen funktionieren und sein sollten. In der Theorie, genau. Und dann sehe ich in meinem direkten Umfeld, wie schlecht Beziehungen geführt werden, was da alles falsch läuft, auch nach 18 Jahren Zusammensein teilweise.
Im Buch gibt es ein sehr schönes Kapitel über das Missverständnis des Erwachsenwerdens, da sagst du, man müsse sich selbst so gut kennenlernen, dass man die eigenen Bedürfnisse von denen der anderen unterscheiden kann. Wie gut gelingt dir das selbst in einer Gesellschaft, die Singlesein immer noch als provisorischen Zustand begreift, den es zu ändern gilt?
Michael Nast: Na ja, ich bin da auch noch nicht frei davon, im Alter werde ich auch nicht unbedingt kompromissbereiter (lacht). Von der Idee, mit jemandem auf eine coole Art das Leben zu teilen, dass es für uns beide schöner wird, habe ich mich noch nicht verabschiedet. Ich sehe aber auch viele Negativbeispiele von Leuten, die in einer Beziehung sind, nur um in einer Beziehung zu sein. So was habe ich natürlich auch immer im Hinterkopf. Das ist ja auch so ein Zugehörigkeitsding, wir sind ja auch immer gar nicht so individuell wie wir gern glauben, sondern führen alle relativ ähnliche Leben, die vor allem darin variieren, was und wie wir konsumieren. Wirkliche Individualität wird in unserer Gesellschaft auch nicht belohnt. Man darf nicht allzu anders sein, sonst wird man da schnell in irgendeiner Form geächtet. Und diese Selbstentfremdung führt dazu, dass es nur noch um Zugehörigkeit geht. Der freie Wille ist eine Illusion.
Michael Nast ist auf Lesetour zu seinem neuen Buch »Weil da irgendetwas fehlt: Von der Liebe, dem Leben und anderen Missverständnissen« am 28. April im Boulevardtheater (ausverkauft) sowie am 26. Mai 2024 im Alten Schlachthof zu erleben. Mehr zum Autor: www.michaelnast.com/