■ Neustart! Das Filmfest Dresden öffnet zum 33. Mal seine Pforten. Ganze 368 Kurzfilme wird es zwischen 13. und 18. Juli in ausgewählten Kinos und das Kurzfilm-Open-Air im Vorprogramm zu sehen geben. DRESDNER-Autor Anton Schroeder hat sich mit den Festivalleiterinnen Sylke Gottlebe und Anne Gaschütz zum Interview getroffen.
Auch während des letztjährigen Festivals tobte bereits die Corona-Pandemie, in den Filmen war davon jedoch nicht viel zu merken. Wie ist das jetzt?
Sylke Gottlebe: Bei den Filmnächten am Elbufer, die wir dieses Jahr zum ersten Mal als Spielstätte dabei haben, gibt es ein ganzes Programm, das sich ausschließlich mit dem Thema »Neustart« befasst. Auch im nationalen Wettbewerb gibt es einige »Corona-Filme«.
Anne Gaschütz: Dafür im internationalen Wettbewerb gar keine, wenngleich ein paar eingereicht wurden. Der Einsendeschluss war ja Ende 2020, so einen Kurzfilm zu machen dauert davor recht lange. Ich bin aber gespannt, was nächstes Jahr kommt. Mittlerweile wird mit dem Thema ja auch kreativer umgegangen, das ist kein reines „Ich-bin-zuhause-und-filme-mich“ mehr. Es gibt auch Filme über Isolation, die aber vor Corona gedreht wurden, die verbindet man natürlich schnell damit – da haben wir Disclaimer an den Anfang gestellt, die über die Prä-Corona-Produktion informieren.
Der Schwerpunkt des diesjährigen Filmfests ist Aktivismus. Was kann das Medium Film dem hinzufügen und was macht einen aktivistischen Film eigentlich aus?
Anne Gaschütz: Ich weiß nicht, ob wir die Antwort darauf schon gefunden haben. Zum einen hat man Filme, die Bewegungen zeigen, zum anderen auch Filme, die aktivistische Akte wiedergeben. Diese ästhetischen Auseinandersetzung mit Protest und Widerstand setzen natürlich vor allem Denkanstöße.
Sylke Gottlebe: Die Darstellungsmöglichkeiten von Dokumentar- bis Experimentalfilm sind enorm vielfältig. Es gibt auch Filme, die provozieren wollen und Reaktionen hervorrufen, an denen sich dann zeigt, wie es um die Gesellschaft steht. In unserem Festival haben wir etwa ein Programm über Rassismus und andere diskriminierende Momente in Deutschland, das schaut, wo wir gerade stehen. So eine Auswahl hat in sich den aktivistischen Ansatz, dass man etwas zeigen und in Gang setzen will – hoffentlich wird das in nächster Zeit und auch auf Diskussionsrunden beim Filmfest viel passieren.
Politische Diskussionen über Film drehen sich oft um Quoten. Da wird dann nachgezählt, bei einer bestimmten Prozentzahl marginalisierter Gruppen gilt ein Film oft als »progressiv«. Wie handhaben Sie das?
Anne Gaschütz: Wir haben keine Quote. Wir achten aber schon auf Ausgeglichenheit, vergeben ja auch einen Preis für Geschlechtergerechtigkeit. Dieses Jahr haben wir auf dem Regie-Stuhl im internationalen Wettbewerb ungeplant einen Frauen-Anteil von circa 75 Prozent.
Sylke Gottlebe: Diese großen Debatten der letzten Jahre haben wir im Kurzfilm eigentlich gar nicht so. Hier ist es doch um einiges besser, wir haben ein sehr ausgeglichenes Verhältnis an den Sets. Die Probleme beginnen dann in den größeren Produktionen, im Umfeld vom Fernsehen. Im Bereich vom nationalen Wettbewerb gucken wir auch darauf, dass wir eine thematische Vielfalt haben, immer wieder auch Dinge vom Rand der Gesellschaft aufgreifen. Das beschränkt sich ja nicht auf Fragen von Geschlecht und Herkunft, auch soziale Themen sind wichtig.
In sozialen Medien boomen kurze Clips. Ist das schon Kurzfilm und warum führt dieser trotzdem so ein Schattendasein?
Anne Gaschütz: Wenn jemand auf TikTok tanzt, ist das kein Kurzfilm. Es gibt aber ja auch viele kleine Essays oder Collagen-Filme. Zum Schattendasein: Früher hat man sicher mehr Kurzfilme im Fernsehen gesehen. Dennoch lebt der Kurzfilm, es gibt viele Festivals, und es war sicher noch nie so einfach, selbst zu drehen. Am Bewusstsein muss aber noch viel gearbeitet werden: Kurzfilm ist nicht nur der Sprung zum Langfilm, sondern eine eigene Kunstform, mit der man sich ganz eigen ausdrücken kann. Oft redet man bei Langfilm-Debüts von Regisseuren auch vom ersten Film, dabei haben die schon etliche Kurzfilme davor gemacht, das ist schon bezeichnend.
Sylke Gottlebe: Ich merke auch, dass es einen gewaltigen Spalt gibt zwischen der reichhaltigen Fülle an Produktionen auf der einen und den eher spärlichen Kanälen zur Zuschauerin auf der anderen Seite. Es wäre natürlich schön, wenn Kurzfilme auch zu guten Sendezeiten im Fernsehen liefen, früher hat man ja zum Beispiel auch gern einen Kurzfilm vorm Langfilm im Kino gezeigt. So ganz aufgelöst haben wir das Problem auch noch nicht, Festivals wie unseres tun aber viel dafür.
Kurzfilm-Open-Air vom 9. bis 14. Juli täglich von 11 bis 22 Uhr auf dem Neumarkt, Filmfest Dresden vom 13. bis 18. Juli in diversen Lokalitäten; Programm und mehr Informationen auf www.filmfest-dresden.de