■ Kurz vor ihrem Sommerkonzert in Dresden sprach DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl mit dem Beatsteaks-Bassisten Torsten Scholz über Rituale, Nebenprojekte und die Notwendigkeit, sich gesellschaftlich zu positionieren.
Ihr seid auf Tour zu eurer aktuellen Platte »Yours«. War es eine bewusste Entscheidung, sich auf dem Doppelalbum stilistisch derart breit aufzustellen?
Torsten Scholz: Schon im Proberaum war klar, dass wir jetzt kein Album mit nur elf oder zwölf Songs machen wollen. Als wir uns die Demos vorspielten, meinte Arnim, wir sollten versuchen alle zu machen. Wir haben dann entschieden, dass wir bis zum Abgabetermin Songs fertigstellen. Es gab also keinen großen Masterplan, sondern einfach die Idee, alles fertig zu bekommen. Dadurch, dass sich jeder von uns einbringt, ist eine große Bandbreite gegeben. Schon im Prozess fiel aufgrund der Vielfalt das Wort Mixtape.
Ihr habt jüngst in der Roten Flora in Hamburg und bei dem Festival »Cottbus Nazifrei« gespielt. Ist es euch wichtig, auch da aufzutreten wo man politisch Gesicht zeigt?
Torsten Scholz: Wir haben eine linke Rutsche gemacht und stehen als linke Gutmenschen da. Das finde ich persönlich ganz toll. Wenn es das Festival »Cottbus Nazifrei« nicht geben müsste, würden wir da auch nicht spielen. So aber ist es uns wichtig, dort und anderswo aufzutreten. Das ist in letzter Zeit mehr geworden, da leider die Gründe triftiger werden, so etwas machen zu müssen. Da wollen wir uns nicht rausnehmen. Am Ende waren die Auftritte auch einfach zwei tolle Konzerte. Wenn in der Roten Flora 400 Leute sind, draußen aber weitere drei- bis viertausend Menschen stehen, dann ist das schon etwas ganz Besonderes.
Viele Leute, die sich öffentlich gegen rechts engagieren erleben einen Shitstorm gegen sich und ihr Umfeld. Seid ihr von so etwas ebenfalls betroffen?
Torsten Scholz: Ich kann mich nicht erinnern, auf unserer Seite wegen dieser beiden Auftritte etwas gelesen zu haben. Auf den Seiten der Veranstalter von »Cottbus Nazifrei« oder auch der Roten Flora ist das anders – die kriegen ihr Fett mehr ab. Bei der Flora finden sich Äußerungen über »die linksversifften Beatsteaks« oder »die nächste Zeckenband«. Toll, endlich hat es mal jemand erkannt. Am Ende sind wir nämlich doch eine Zeckenband. Mir direkt wurde noch nicht ins Gesicht gespuckt. Ich habe eher das Gefühl, dass die breite Masse des Beatsteaks Publikums es schon toll findet, dass wir uns positionieren.
Ich erreiche dich gerade im Hotel. Gibt es unterwegs ein tägliches Ritual deinerseits?
Torsten Scholz: Zähneputzen. Nein im Ernst. Neuerdings mache ich mit meinem Soundmann Tom Musik und bastel an Beats. Da sitze ich jeden Tag am Laptop, höre mir Hip-Hop-Beats und elektronische Sachen an und bin abseits der Band am Schrauben. Ansonsten genieße ich gerade einfach nur die tolle Zeit. Nach unserem Auftritt in der Waldbühne, als man dachte, was soll jetzt noch kommen, kamen eigentlich nur tolle Konzerte.
Schlagzeuger Thomas Götz hat mit dem Label »Tomatenplatten« und dem Soloprojekt »Einerbande« noch Projekte neben der Band. Du hast gerade vom Basteln auf Tour gesprochen. Gibt es weitere Soloambitionen?
Torsten Scholz: Bernd macht schon seit geraumer Zeit unter dem Namen Bernie Eckstein reine elektronische Musik. Das geht in Richtung Techno/House und ist mittlerweile auf »Soundcloud« zu hören. Dennis, der mit uns mitfährt, hat ein Studio, in dem er ganz viel mastert und auch selber ganz viel Musik macht. Arnim geht ja auch manchmal zu anderen Leuten und bei mir werden im nächsten halben Jahr auch ein paar Sachen kommen.
Stichwort Tourkoller: wie schwierig ist es, nach den ganzen Endorphinschüben zu Hause normal im Supermarkt einzukaufen?
Torsten Scholz: Das geht tatsächlich, weil wir das am Off-Day auch immer machen. Ich glaube, ich war auf Tour noch nie im Hotel essen. Das ist mir immer zu teuer. Daher gehe ich entweder zum ortsansässigen Vietnamesen oder kaufe im Supermarkt ein und setze mich vor oder ins Hotel und esse da gemütlich. Schwieriger ist es, nach der Tour wieder den normalen Rhythmus zu finden und nicht immer erst um drei, oder vier pennen zu gehen. Ansonsten ist zu Hause ja auch meine Tochter Toni da. Dann heißt es um sieben aufstehen, Schulstullen machen, Wäsche waschen, aus der Schule abholen, Mathematik-Hausaufgaben erledigen. Da ist man gleich wieder im normalen Modus und es bleibt nicht viel Zeit, um den Rocklümmel raushängen zu lassen. Nur pennen gehen fällt halt ein wenig schwer.
Seit März 2017 gibt es auf Radio Fritz deine eigene Sendung – waren regelmäßige Radioauftritte Neuland für dich?
Torsten Scholz: Ja und Nein. Tatsächlich komme ich vom Radio. Früher hatte ich mit Robert, der jetzt unser Tourmanager ist, eine Radiosendung auf dem OKB, dem offenen Kanal Berlin. Damals haben wir uns Berliner Bands aus der Hardcore- und Punkrockschiene eingeladen und mit denen eine Sendung gemacht. Ich bin ja schon so alt, dass Radio für mich noch ein ganz wichtiges und extrem tolles Medium ist.
Und wie läuft das bei »Endlich Totze«?
Torsten Scholz: Die Sendung heißt jetzt »Ständig Totze«. Wir haben sie nach einem Jahr einfach unbenannt. Gesendet wird mit Chris Guse aus dem Fräulein Fritz in Berlin-Kreuzberg. Es macht immer noch großen Spaß. Da sich Chris glücklicherweise gar nicht auskennt, wirke ich immer sehr musikgebildet. Mittlerweile ist die Sendung auch ein bisschen open doors – die Tür vom Studio ist also offen. Man kann sonntags einfach zur Bar kommen, sich hinsetzen, trinken, auch mal rein schreien oder ans Mic steppen.
Wer hat bei einem Beatsteaks Konzert nichts zu suchen?
Torsten Scholz: Dieses ganze rechtspopulistische Gesocks. Alle Leute, die homophob, frauenfeindlich, antisemitisch, rassistisch und diesen ganzen Scheiß sind. Auch angrapschen und blöd anmachen hat bei uns nichts zu suchen. Ich bin ein großer Fan der Band »The Bronx« und habe sie mir kürzlich live angesehen. Der Sänger hat nicht viel gesagt, außer »Move your body, move your mind«. Das hat für mich voll gesessen. Es gibt eine Menge offener Menschen. Wer hingegen meint, wir brauchen eine Mauer, oder einen Zaun und den ganzen Mist – dann nix da. Horst Seehofer braucht sich keine Karte kaufen, der braucht nicht zu kommen. Ich glaube, er will aber auch gar nicht zu den Beatsteaks und das ist auch gut so.
Die Beatsteaks sind am 22. August mit Turbostaat und Decibelles als Support im Alten Schlachthof zu erleben; mehr zur Band: http://beatsteaks.com/