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Ronny, die Lichtgestalt aus Dresden – Ein Interview mit Comic-Zeichner Sascha Wüstefeld zu seinem DDR-Malibu-Superhelden-Musik-Comic »Das UPgrade«
Ein Interview mit Comic-Zeichner Sascha Wüstefeld zu seinem DDR-Malibu-Superhelden-Musik-Comic »Das UPgrade«
■ 27. Januar 1992. Ronny Knäusel (25) sitzt in seiner Wohnung in Dresden-Gorbitz und verbringt seine Zeit mit Erinnerungen und Bier. Damals in der DDR war er ein Superheld, genauer: der einzige Superheld, denn er konnte sich teleportieren – überallhin! Nun jedoch wird er nicht mehr gebraucht, um über die Grenze zu kommen, denn es gibt ja die Reisefreiheit. Der Held – Vollbart, Bierbauch und Feinripphemd – kommt »nimmehr klar«. Als er herausfindet, dass der Postbote anstelle des »Neuen Lebens« nun die »Coupé« bringt, stürzt er sich vom Dach seines Siebzehngeschossers. Und hier beginnt eine schrille Science-Fiction-Geschichte über den Jungpionier Ronny, der auf geheimnisvolle Weise mit dem berühmten Musiker Cosmo Shleym verbunden ist. Pünktlich zur Buchmesse ist im »Cross Cult«-Verlag eine edle Hardcover-Neuauflage des Surfrock-DDR-Superhelden-Comics »Das UPgrade« erschienen. Der erste Teil der auf zehn Bände angelegten Geschichte heißt »Wunder, Würfel, Weltfestspiele«. Die Autoren Ulf Graupner und Sascha Wüstefeld – beide ehemals beim Mosaik und inzwischen selbständig – erhielten dafür den ICOM Independent Comic Preis 2013. Wüstefeld ist aufgewachsen in Dresden und studierte Grafikdesign an der HTW Dresden. DRESDNER-Autorin Annett Groh sprach mit Sascha Wüstefeld (im Bild mit Ulf Graupner, Copyright: Thomas Wilde) über das UPgrade, die eigene Kindheit und das Leben als Comiczeichner.

Das Buch ist toll, aber es ist unmöglich, die Geschichte schlüssig nachzuerzählen!?

Sascha Wüstefeld: Sie ist tatsächlich sehr komplex. Der erste Band ist der Start, wo die Handlungsstränge angelegt werden. Schon im zweiten Band wird alles viel klarer werden. Am Ende sollen es zehn Bände werden – drei sind schon fertig gezeichnet und erscheinen bis März nächsten Jahres. Wir brauchen jetzt also noch ungefähr sieben Jahre, bis wir fertig sind (lacht).

Das Buch hat mir einige Flashbacks beschert. Zum Beispiel hatte ich plötzlich den Geschmack von Putzi auf der Zunge...?

Sascha Wüstefeld: Das geht mir komischerweise genauso. Wenn ich die Sachen aufzeichne, dann kommt die ganze Erinnerung nochmal massiv zurück – viel stärker, als wenn man sich einfach nur darüber unterhält. Wir haben für die einzelnen Details genau recherchiert. Unser Anspruch ist, alles möglichst exakt zu schildern, auch wenn die Geschichte an sich nichts mit der Realität zu tun hat.

Ist das UPgrade eine Art Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit?

Sascha Wüstefeld: Das Kinderzimmer von Ronny ist tatsächlich mein eigenes Kinderzimmer. Für mich als Kind hatte die DDR nichts Bedrohliches. Es war einfach mein Zuhause. Wir möchten allerdings nicht mit »Ostalgie« in Verbindung gebracht werden. Wir wollen humorvoll aufarbeiten, was es alles so gab. Der erwachsene Ronny ist einer, der den Leuten über die Grenze hilft. Doch immer, wenn der Kinder-Ronny auftaucht, dann verliert die DDR jegliche Art von Bedrohlichkeit. Es ist eine bunte Welt, die durch Kinderaugen gesehen wird.

Der erwachsene Ronny sieht aus wie mein ehemaliger Pionierleiter!?

Sascha Wüstefeld: Es gab verschiedene Typen als Vorbilder. Zum Beispiel Musiker, die so typische Gesichter haben. Du siehst die und denkst: Ja, so sahen die alle aus! Verrückt, dass man das so festlegen kann. Aber es war so: bestimmte Typen sind einfach immer wieder aufgetaucht. Genauso mit den Vornamen. Es gab in jeder Klasse vier oder fünf Ronnys, Svens oder Renés. Den Vornamen ließen sich oft auch bstimmte Charaktereigenschaften zuordnen. Die Renés an unserer Schule waren beispielsweise ziemlich frech.

Das kannst Du als Sascha jetzt so sagen!?

Sascha Wüstefeld: Nee nee, Saschas wurden gehänselt. Deshalb hätte ich als Kind gern René geheißen.

Wer ist eigentlich Cosmo Shleym?

Sascha Wüstefeld: Die zweite Hauptfigur unserer Comicserie. Cosmo Shleym ist ein fiktiver Surfrocker aus den 60er Jahren, in unserem Comicuniversum eine totale Berühmtheit und an Brian Wilson von den Beach Boys angelehnt. Brian Wilson finde ich faszinierend. Er ist ein so trauriger Mensch und schreibt trotzdem diese eigenartige, fröhliche Musik. In unserer Geschichte kann sich Ronny immer nur teleportieren, wenn er Cosmo Shleyms Song »Palms in Sorrow« hört. Der klingt übrigens in etwa so wie »Good Vibrations«.

Weißt du schon, wie die Geschichte ausgehen wird?

Sascha Wüstefeld: Natürlich. Wir wissen, wo sich jede Figur hinbewegt, und das große Finale steht auch schon fest. Wir haben aber noch genug Spielraum für neue Ideen, die möglicherweise auftreten können. Bei sieben Jahren Zeit kann man das auch nicht wirklich ausschließen.

Wie läuft das Leben als Comiczeichner ab?

Sascha Wüstefeld: Die meisten Comiczeichner zeichnen im Auftrag Illustrationen oder Werbecomics und nehmen sich pro Jahr zwei bis drei Monate Zeit, um an eigenen Projekten zu arbeiten. Ich arbeite viel für die Deutsche Bahn, hauptsächlich an der Sympathiefigur »Kleiner ICE«. Und dann gibt es noch die »Sorgenfresser«. Der Hype darum war nicht abzusehen, irgendwie lief die Sache aus dem Ruder und plötzlich tauchten überall diese Sorgenfresser auf (lacht). Aber gut, so finanziere ich mich. Und so können Ulf und ich mit dem UPgrade endlich mal alles das machen, was wir schon immer machen wollten, ohne dass uns ein Auftraggeber reinredet. Vor sechs Jahren hatten wir die Idee dafür, und wir haben uns gesagt: »Das machen wir jetzt einfach mal zusammen, bevor wir so uralt sind, dass wir keine abgeschlossene Geschichte mehr hinkriegen.«
Vielen Dank für das Gespräch!

Der Comic-Band »Das UPgrade 1: Wunder Würfel, Weltfestspiele« von Sascha Wüstefeld und Ulf Graupner ist im Cross Cult Verlag erschienen; der Blog zum UPgrade: http://dasupgrade.blogspot.de/

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