■ Große Stimme, gewagte Sprünge: Auf ihrem Debüt »Freier Geist« verbindet Sofia Portanet Reminiszenzen an New Wave, NDW und Chanson mit der Sehnsucht romantischer Lyrik. Das wird gefeiert. Völlig zu Recht, findet DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl, und traf sich mit der Sängerin auf einen Kaffee in Berlin-Neukölln.
Die BBC nennt dich »Germany’s next international Popstar«. Bürde oder Segen?
Sofia Portanet: So einen Satz muss man mit Vorsicht genießen. Ins Deutsche übernommen klingt er etwas nach »Germany’s Next Topmodel«. Letztendlich mache ich das, was ich mache, so gut wie ich kann, mit den Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen. Ein Popstar zu werden, liegt nicht nur in meiner Macht. Ich freue mich, je mehr Menschen ich mit der Musik erreiche und wünsche mir natürlich, dass es weiterhin so aufwärts geht.
Du veröffentlichst deine Songs mitunter in verschiedenen Sprachen. Warum?
Sodia Portanet: Die Stücke sind in unterschiedlichen Momenten entstanden. Manche, wie »Planet Mars« oder »Art Deco« hatte ich von vornherein auf Französisch, »Freier Geist« zuerst auf Deutsch geschrieben.
Der ist nun Titel und zugleich der erste Track der Platte – jetzt in der englischen Version … ?
Sofia Portanet: Ich möchte einfach, dass die Stücke an unterschiedlichen Orten gehört werden können und verschiedene Menschen erreichen.
Dein Vater ist ebenfalls Musiker. Wie muss man sich die Kindheit von Sofia Portanet vorstellen? Überall Musik und Instrumente?
Sofia Portanet: In Frankreich war ich fünf Jahre im Kinderchor der Nationaloper. Zu Hause gab es viele Gitarren. Mein Vater hatte auch ein Studio im Keller. Oft kamen Musiker zu uns und haben ihre Platten aufgenommen. Er hatte einen der ersten Synthesizer – den DX7 von Yamaha. Während der Quarantäne haben meine Eltern Kisten hochgebracht und alte Videos laufen lassen. Das war das erste Mal, dass ich gesehen habe, wie ich mit zwei Jahren an Keyboards und am Mikro stand. Ich finde diese typische Geschichte vom kleinen Kind und viel Musik ja immer etwas cheesy, aber es war wirklich so. Im Haus herrschte eine kreative Atmosphäre, schon allein weil mein Vater auch selbst komponiert und Texte schreibt. Von ihm kam das Machen und Aufnehmen.
Und von der Mutter?
Sofia Portanet: Das Musikhören und Platten auflegen.
Früher bist du mit Coversongs in Bars aufgetreten, hast schon da stilistische Brüche als eine Art Paukenschlag in die Stücke eingebaut. Mit welcher Intention?
Das geschah immer dann bewusst und absichtlich, wenn ich das Gefühl hatte, ich brauche mehr Aufmerksamkeit. Ich finde es spannend, mit meiner Stimme zu spielen, habe aber auch kein Problem, einen ganz normalen Popsong zu singen.
Der Text von »Wanderratte« ist angelehnt an Heinrich Heine, »Das Kind« basiert auf einem Text von Rilke?
Sofia Portanet: »Wanderrate« ist mein Text, das Intro bei »Das Kind« ist von Rilke, der Rest sind auch meine Zeilen.
Woher kommt die Affinität zu Lyrik?
Sofia Portanet: Ich blättere viel in Gedichtbänden und achte manchmal gar nicht darauf, wer was geschrieben hat. Oft, wenn mir etwas besonders gefallen hat, war es Rilke oder Heine. Goethe hat auch unglaublich tolle Gedichte geschrieben, die ich wahrscheinlich auch noch in einem Lied bearbeiten werde, aber Heine klingt einfach so scheiße modern. Ich habe angefangen Heines Biografie der Autorin Kerstin Decker zu lesen. Zu Beginn schreibt sie, man würde vielen Dichtern anmerken, dass sie schon lange tot sind. Das finde ich richtig. Heine aber liest man, als wäre er gestern gewesen. Auch thematisch ist das nah an dem, was ich empfinde. Sehnsucht, die Suche nach Liebe, Heimatlosigkeit, das Tiefe, das Ungewisse, das Gefühl von verloren sein – Themen, die auch bei mir immer wiederkehren.
Im Text zu »Wanderrate« heißt es: »gar nichts, was mich wirklich festhält.« Würdest du dich als Weltbürgerin bezeichnen?
Sofia Portanet: Das ist ein Thema bei mir. Halb Spanierin, halb Deutsche, in Frankreich aufgewachsen. In Spanien war ich immer die Ausländerin, in Frankreich war ich immer die Ausländerin, obwohl ich da aufgewachsen bin. 20 Jahre lang. In Deutschland war ich nie zu Hause. Irgendwann habe ich mich gefragt, wo ich wirklich bei mir bin. Daraus resultiert eine Art Rastlosigkeit. Weltbürgerin? Ich bin viel gereist. Auf jeden Fall Europäerin, aber ja: wahrscheinlich auch Weltbürgerin.
Wie hast du den Lockdown erlebt?
Sofia Portanet: Kreativer in puncto neuer Songs war ich nicht, sondern eher mit den letzten Sachen für die Veröffentlichung des Albums beschäftigt. Ich war glücklich, noch so viel zu tun zu haben. Ansonsten hätte mich das sicher mehr aus der Bahn geworfen. Die ganzen Ängste, die man plötzlich hat – um Mitmenschen, Familie und Freunde. Dann, im zweiten Schritt die ganzen Enttäuschungen verdauen, die das mit sich bringt. Mein Schlagzeuger hatte Corona. Es war also ganz nah.