■ Als Ikonen des Thrash-Metals haben sich Kreator längst einen Status über die Grenzen des Genres hinweg erspielt. Ihr letztes Album »Gods of Violence« landete somit folgerichtig auf Platz eins der Charts. Mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl unterhielt sich mit Frontmann Mille Petrozza über Stücke gegen Homophobie, wegretuschierte Brüste und Auftritte im Kinderfernsehen.
In den 80ern hat der Priester meines Heimatortes von der Kanzel gegen Metal gepredigt. Wünscht man sich die Zeiten manchmal zurück, in denen Provokation so einfach war?
Mille Petrozza: Bei uns ging es nie unbedingt um Provokation, sondern eher um Denkanstöße. Die textlichen Inhalte sind plakativ – übertriebene Wortwahl, Metaphorik und Bildsprache können einen in andere Welten versetzen. Es ist eher lustig, wenn das einen Priester dazu bringt, von der Kanzel dagegen zu predigen.
Im Feuilleton reagiert man gerne irritiert, wenn klar wird, was für ein positiver Mensch du bist. So nach dem Motto: der ist ja gar nicht so brutal.
Wenn ich Kreator mache, dann bin ich dieser Typ, der auf der Bühne versucht, gewisse aggressive Emotionen hervorzurufen. Wenn Leute wirklich davon ausgehen, dass die Figur, die ich auf der Bühne darstelle, genauso abseits der Bühne funktionieren muss, dann haben sie Entertainment nicht verstanden.
Im Stück »Side by Side« positioniert ihr euch klar gegen Homophobie. Wie waren die Reaktionen auf den Song und wie bist du darauf gekommen, das Problem zu thematisieren?
Mille Petrozza: Es gibt noch nicht allzu viele Metalbands, die das thematisiert haben. Dementsprechend war es mir ein Anliegen. Wenn Leute sagen, das sei kein Thema mehr, dann stimmt das einfach nicht. Die Reaktionen waren zu 99 Prozent positiv. Das eine Prozent negativer Reaktionen bleibt aber in Erinnerung. Wie immer. Als wir das letzte Mal in Berlin in der Columbiahalle gespielt haben, hat jemand eine Torte gebracht, auf der ein Zitat aus »Side by Side« in Zuckerschrift stand. Das war großartig.
Ist es ein Vorurteil, wenn Metal als konservativ beschrieben wird?
Mille Petrozza: Definitiv. Das ist immer nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es gibt im Metal viele konservative Strömungen, aber auch viele Freigeister und freiheitlich denkende Menschen. Da sollte man die Kirche im Dorf lassen.
Beim Video zu »Gods of Violence« werden auf YouTube nackte Brüste verfremdet, die explizite Gewalt aber bleibt. Ist die überspitzte Darstellung ein Mittel, auf diese vermeintliche Scheinheiligkeit aufmerksam zu machen?
Mille Petrozza: Das war der Grund. Natürlich waren wir uns im Klaren, dass es auf YouTube eine zensierte Version geben wird – eine, wo man sieht wie einer Frau die Kehle durchgeschnitten wird, die Nacktheit aber nicht gezeigt werden darf. Das ist absurd.
In welchem Kontext entstand die Hymne »Hail to the Hordes«?
Mille Petrozza: Wir touren auf der ganzen Welt und spielen in Ecken, von denen ich mir nie hätte träumen lassen, dass ich da jemals hinkomme, geschweige denn live spiele. Egal wo man Musik- oder Metalfans trifft, man hat gleich eine Verbindung – obwohl man die Menschen gar nicht kennt, sie manchmal aus völlig unterschiedlichen, kulturellen Zusammenhängen stammen und in Systemen leben, die dem in welchem wir aufgewachsen sind, völlig unähnlich sind. Trotzdem verbindet einen die Musik. Dies unpathetisch in einfache Worte zu fassen ohne das es albern wird, war meine Herausforderung bei »Hail to the Hordes«.
Du hast Metal im Kinderfernsehen erklärt und Kreator haben auch schon im ARD Morgenmagazin gespielt. Ein missionarischer Ansatz da hinzugehen, wohin man eingeladen wird?
Mille Petrozza: Ich gehe nicht überall hin, wo man uns einlädt. Das mit dem Kinderfernsehen lag mir am Herzen. Ich finde, dass wir Kinder oft unterschätzen. Selten habe ich ein so tolerantes Publikum erlebt. Die haben sich voll darüber gefreut. Das mit dem Frühstücksfernsehen war ein anderes Ding. 2010 war Essen die Kulturhauptstadt Europas. Man hat uns als erste Band zur quasi Einleitung eingeladen. Da sind wir dann im Frühstücksfernsehen aufgetreten – das fand ich nicht gut. Letztens haben wir aber bei Circus HalliGalli gespielt – mit Tobias von Ghost und Max von Drangsal. Die haben dann ein Event daraus gemacht. Das hat für Diskussionsstoff gesorgt und viele der konservativen Metaller haben nicht verstanden, wie man so etwas überhaupt machen kann. Damit haben wir unser Ziel erreicht. Man kann alles machen. Metal ist für mich Freiheit.
Was waren die letzten Konzerte, die du privat besucht hast?
Mille Petrozza: Lana Del Rey und Tocotronic.