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Lebendige Geschichtsstunde – Die Macher des Films »Come Together. Dresden und der 13. Februar« im Interview
Die Macher des Films »Come Together. Dresden und der 13. Februar« im Interview
■ »Am 18. Oktober 2012 beschlossen die Stadtrat-Fraktionen von FDP und CDU, mit den Stimmen der NPD, die Einrichtung eines Mahnmals für die Opfer der Bombenangriffe in der Gedenkstätte Busmannkapelle im Zentrum Dresdens.« Diese nur scheinbar nüchterne Aussage, die am Ende des Films »Come Together« aus dem Hause »hechtfilm« steht, deutet schon darauf hin, dass diese Entscheidung keineswegs unumstritten war. In Dresden wird sie wahrscheinlich noch zu endlosen Diskussionen führen und eröffnet damit ein neues Kapitel in der Debatte um den Umgang mit dem 13. Februar. DRESDNER-Autor Eric Vogel sprach aus aktuellem Anlass mit Barbara Lubich (Drehbuch und Regie), Claudia Jerzak (Drehbuch) und Michael Sommermeyer (Drehbuch und Produktion) über den Film »Come Together« und über das geplante Mahnmal.

Warum haben Sie »Come Together« als Titel gewählt?

Barbara Lubich: Am Anfang war es nur ein Arbeitstitel, aber je länger er im Raum stand, desto besser schien er zum Film zu passen. Einerseits betonen fast alle beteiligten Gruppen den Aspekt des zusammen Kommens, andererseits kommen die Menschen an diesem Tag ganz konkret auf der Straße zusammen. Wir haben uns für die englische Variante entschieden, weil der Titel dann eine ganz andere Stimmung als die üblicherweise mit dem 13. Februar verknüpften Erwartungen vermittelt.
Michael Sommermeyer: Das liegt wohl vor allem daran, dass der Titel schon von der Popkultur erschlossen ist.


Wie entstand das Drehbuch zum Film?

Claudia Jerzak: Es ging uns darum, die Geschichte der Erinnerungskultur um den 13. Februar zu rekonstruieren, weshalb sich aus den historischen Geschehen von ganz allein eine grobe Gliederung ergab; zunächst die NS-Zeit, dann die Besatzung, danach die DDR und die 80er mit der Gruppe Wolfspelz bis hin zur Gegenwart. Zu jeder Zeit wurde auf Deutungen und Überhöhungen vorhergehender politischer Systeme zurückgegriffen.
Barbara Lubich: Schon die Ereignisse in den 80er Jahren zeigen, wie spannungsgeladen der Umgang mit diesem Tag ist. Es gab die Abgrenzung vom Staat und eine Zusammenarbeit zwischen Kirche und Jugendlichen, aber die verschieden Gruppen deuteten den Gedenktag aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Film ist der Versuch, Differenzen herauszuschälen, indem wir die Akteure erzählen lassen, anstatt eine kohärente Erzählung zu konstruieren. Am Schneidetisch entlang der Themen ergab sich der Rest. Neben dem chronologischen Strang tauchen immer wieder Themen und Assoziationen auf, die behandelt werden mussten.


Wie gesprächsbereit waren die Dresdner Protagonisten?

Barbara Lubich: Auf die Zusage der NPD haben wir eine Weile warten müssen, aber insgesamt gab es von allen Seiten ein großes Redebedürfnis und die Bereitschaft, die eigene Position zu vertreten. Bestimmte Tabuthemen wurden natürlich immer vermieden. Bei der NPD zum Beispiel war es das Thema NSU, das zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade aktuell war. Dazu haben sie keine Aussage getroffen. Uns war von vornherein klar, dass oftmals ein gut vorbereitetes Bild von der eigenen Gruppe abgegeben wurde, aber was will man auch anderes erwarten? Der Film ist eben auch eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung für alle Beteiligten.


Gab es Überraschungen beim Dreh?

Claudia Jerzak: Überraschend fand ich, wie sich mein Bild von einzelnen Personen und Gruppen im Laufe der Dreharbeiten geändert hat, gerade wenn man sie in verschiedenen Kontexten sieht. Beispielsweise eine Mitarbeiterin der Evangelischen Landeskirche, die sich auf der Konferenz von Dresden Nazifrei noch vorsichtig und skeptisch dem Protest gegenüber zeigte, sich aber später in der AG Kirche für Demokratie gegen Rechtsextremismus offensiv dafür einsetzte, bei den Mahnwachen mit konkreten Botschaften gegen Neonazis aufzutreten.

Für mich war die Enthüllung des restaurierten »Canalettoblicks« eine Schlüsselszene. Welche Bedeutung hat diese Szene für Sie?

Barbara Lubich: Professor Maaz hat in seiner Beschreibung des Bildes das Phänomen des realen Mythos wunderbar auf den Punkt gebracht. In Dresden kommt man um das Pathos dieses Bilds nicht herum, denn das Selbstverständnis als Kulturstadt ist besonders stark ausgeprägt. Das ist natürlich auch in anderen Städten der Fall, aber hier verbindet sich der Mythos mit der Katastrophe. Diese Schönheit muss man nicht in Frage stellen. Wenn sie aber zur Glocke wird, die der Vielfalt im Weg steht und alle Kritik platt fegt, dann ist das problematisch.
Claudia Jerzak: In Dresden ist die höfische, barocke Epoche auch heute noch zentral für die Identitätsbildung, Das zeigt sich sehr deutlich in der historisierend wieder aufgebauten Altstadt. Höchstens die Reformbewegung in Hellerau bildet da einen Gegenpunkt, der aber weniger stark ausgeprägt ist. Erinnerungsorte für die bürgerliche Geschichte Dresdens sind rar.


Wie bewerten sie die geplante Einrichtung eines Mahnmals für die Bombenopfer in der Gedenkstätte Busmannkapelle?

Barbara Lubich: Man merkt daran, wie schwierig Gedenkorte allgemein sind. Wenn man ein Denkmal setzt sollte man sich bewusst sein, dass es von verschiedenen Leuten auf verschiedene Art gedeutet werden kann. Auch wenn man denkt, eine eindeutige Botschaft zu vermitteln, sollte von vorn herein klar sein, dass diese Eindeutigkeit unmöglich ist. Deshalb sollte man vorher darüber diskutieren, welche verschiedenen Geschichtsdeutungen in ein solches Mahnmal hineingelesen werden können. Ich finde da gibt es noch viel Gesprächsbedarf.
Michael Sommermeyer: Der Akt an sich war offensichtlich ein Schnellschuss. Es gab das Kooperationsangebot der anderen Parteien im Stadtrat, sich im Dialog einig zu werden, aber die CDU und die FDP haben dies abgelehnt und den Beschluss schnellstmöglich und mit den Stimmen der NPD durchgesetzt. Meiner Meinung nach ist das ein merkwürdiges Signal für eine Gedenkstätte. Außerdem gibt es ja schon zahlreiche Gedenkorte. Manchmal hat man das Gefühl, als wäre den Dresdnern das Gedenken erst seit kurzen erlaubt worden, dabei gibt es eine lange Tradition seit 1945. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum viele Dresdner das Gefühl haben, man würde sie Einschränken oder ihnen das Gedenken verbieten wollen – dabei ist doch das Gegenteil der Fall.
Claudia Jerzak: Erstaunlicherweise sind einige Menschen noch immer unzufrieden mit den bisherigen Denkmälern. Das resultiert aus dem Bedürfnis, das seit ein paar Jahren infrage gestellte Bild von der Katastrophe der Bombardierung festzuschreiben. Dabei galt der Wiederaufbau der Frauenkirche als Weltfriedens- und Versöhnungszentrum lange Zeit als Schlussstrich unter der Denkmalsdebatte. Die scheinbare Lösung, die dieses zentrale Mahnmal für den Konflikt auf dem Heidefriedhof bietet, stellt daher wohl auch nicht das Ende dieser Diskussion dar.


Wie reagierten die Dresdner bei der Premiere am 24. November auf den Film?

Michael Sommermeyer: Die Veranstaltung in der Schauburg war schon Stunden vorher ausverkauft, was uns sehr beeindruckt hat. Die Diskussion danach war sehr lebhaft, kam aber auch sehr schnell weg vom Film und drehte sich eher um den 13. Februar im Allgemeinen. Sie wurde zum Resümee der verschiedener Positionen, in der letztlich Viele zum Ausdruck brachte, dass die Erzählung der eigenen Gruppe im Film nicht genug repräsentiert wurde. Aber davon abgesehen war das Feedback sehr gut.

Was passiert Ihrer Meinung nach dieses Jahr am 13. Februar?

Claudia Jerzak: Das Bündnis Dresden Nazifrei veranstaltet wieder den Täterspuren-Mahngang und ich bin gespannt, ob der dieses Jahr auch so gut besucht sein wird wie letztes Jahr. Da hat sich ja gezeigt, wie viele Menschen ein Interesse an einer Geschichtserzählung haben, die die Dresdner Beteiligung am Nationalsozialismus einschließt. Des Weiteren rechne ich mit nur einem Naziaufmarsch direkt am 13. Februar. Letztes Jahr hat die Polizei den Gegendemonstranten zum ersten Mal Protest in Sicht- und Hörweite ermöglicht, Dieses Jahr soll es das wohl nicht mehr geben. Für mich ist das schwer nachvollziehbar, denn letztes Jahr war die Situation sowohl für die engagierten Gegner des Naziaufmarschs als auch für Polizei und Stadt zufriedenstellender als sonst. Die Neonazis mussten sich dem Protest aussetzen und konnten nur eine kurze Route laufen. Und das Geschehen konzentrierte sich am Sternplatz.
Michael Sommermeyer: Nach 2012 dachten viele Beteiligte, die Verhältnisse entspannen sich, aber die Entscheidung für das Mahnmal Busmannkapelle stellt den Fortschritt der letzten Jahre in gewisser Weise in Frage. Jetzt muss man sich fast fragen, ob es wieder schlimmer wird und ob die Diskussionen der letzten Jahre nichts gebracht haben.


Wie ist Ihre persönliche Haltung zum 13. Februar in Dresden?

Barbara Lubich: Wie sich solche Sachen entwickeln ist immer unberechenbar. Als Bürger hat man das Recht und die Verantwortung, das Geschehen aufmerksam zu verfolgen und wenn es für einen unangenehm wird, sollte man das auch zur Sprache bringen.Wir halten weiter die Augen offen.
Michael Sommermeyer: Es geht ja vor allem um die Auseinandersetzung mit der Geschichte. Das Ganze ist auch eine Chance als lebendige Geschichtsstunde. Daran wird erkenntlich, dass Geschichte eben nicht nur ein Ablauf von Ereignissen ist, sondern immer auch von bestimmten Gruppen interpretiert wird. An diesem Beispiel ist das leichter zu erkennen als an anderen, weil die Kontroversen so offensichtlich sind.
Claudia Jerzak: Ich fände es schön, wenn die Pluralisierung noch stärker würde. Wenn eben auch die Verbrechen der Nazizeit thematisiert würden und nicht nur die Zerstörung der Stadt. Außerdem sollte man das Gedenken von diesem viel zu überladenen Datum lösen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Der Film »Come Together. Dresden und der 13. Februar« wird u.a. am 11.2., 19 Uhr im Militärhistorischen Museum, am 14.2. sowie vom 16.-20.2. jew. 15.30 Uhr in der Schauburg, am 13.2. & 20.2., jew. 10 Uhr sowie am 16.2., 14 Uhr, 17.2., 11.30 Uhr im Ufa-Kristallpalast zu sehen sein. Mehr dazu: www.come-together-der-film.de

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