DRESDNER Interviews / O-ton!
Kunst muss weh tun – Faber im Interview (Foto: Peter Kaaden)
Faber im Interview (Foto: Peter Kaaden)
■ Im Innenhof des Michelberger Hotels in Berlin-Friedrichshain, am Platz gleich hinter der Tischtennisplatte trifft DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl auf einen gut gelaunten Faber. Das zweite Album des jungen Schweizers erscheint dieser Tage und trägt den Titel »I Fucking Love My Life«. Ein Gespräch über harte Texte, intensive Erlebnisse und Gegenwind.

Du lebst in Zürich – eine gute Stadt für Künstler?

Faber: Es ist schrecklich. In Berlin oder generell Deutschland verdiene ich Euro, um sie zu Hause als Franken auszugeben. Ich bin ein Wirtschaftswunder. In Zürich habe ich eine kleine, hässliche Wohnung – drei Leute in drei Zimmern mit einer kleinen Küche. Ständig fällt Strom und Wasser aus. Wir wohnen im fünften Stock, ohne Aufzug. Das Ganze für 1.800 Franken im Monat.

Eine Liebeserklärung, unter solchen Umständen zu bleiben?

Faber: Es wäre schlimm, nicht da zu wohnen, wo man gerne wohnen möchte. In Zürich bin ich groß geworden und deshalb bleibe ich da.

»I Fucking Love My Life« ist mit 16 Stücken ein klassisches Album – eine bewusste Entscheidung gegen den Zwang hin zu kürzeren Formaten?

Faber: So wie es den Trend hin zur Single gibt, gibt es eine kleinere, aber durchaus starke Gegenbewegung, die das Album nicht aufgeben möchte.

Was möchtest Du mit deiner Musik auslösen?

Faber: Ein intensives, überraschendes Erlebnis. Man soll sich vor den Kopf gestoßen fühlen, dazu feiern, aber auch weinen können.

Das Cover der neuen Platte ziert ein Bild von dir, ähnlich einem Paparazzi-Schnappschuss ... ?

Faber: Paparazzishots sind die Königsdisziplin der Selbstdarstellung – nämlich dann, wenn man sich sogar in miesen Momenten gestellt fotografieren lässt. Ich wollte, dass es unangenehm aussieht, habe aber nicht bedacht, dass man dafür auch unangenehme Sachen machen muss.

Inwiefern?

Faber: Wir wurden überall rausgeschmissen und haben uns schließlich vor teure Autos anderer Leute gestellt – die das natürlich nicht wollten. Wir sind allen auf die Nerven gegangen. Eine richtig unangenehme Sache, aber halt auch irgendwie witzig.

In »Highlight« singst du passend: »Ich Hure wollte euch doch nur gefallen« ... ?

Faber: Das soll keine Freikarte, sondern einfach ehrlich sein. Es ist traurig, wie sehr man manchmal gefallen möchte. Dann findet man sich selbst und das Ganze drumherum abstoßend, ist aber irgendwie auch süchtig danach. Ein krasser Widerspruch.

Im Song »Top« heißt es: »Ich schau’ dich an und du siehst top aus, Baby, schau mich an und zieh dein Top aus, Mach’s wie mit einem Lollipop, Dann kauf’ ich dir was Schönes bei Topshop.« Keine Angst vor Gegenwind?

Faber: Man muss sich nur mal durch Playlisten wie »Modus Mio« klicken. Solange die Gesellschaft so ist, haben auch Songs wie »Top« ihre Berechtigung. Ansonsten müsste man jegliche Satire verbieten und da bin ich nicht dabei. Außerdem finde ich es cool, witzig, aber auch spannend, wenn man sich durch so einen Text ertappt fühlt. Ich will, dass Kunst hart ist, weh tut, es nicht nur um Konsum und Berieselung geht, sondern auch etwas mit dir macht. Andererseits habe ich natürlich auch krass Schiss und liege im Clinch.

Womit?

Faber: Ich finde geil, wenn etwas polarisiert – aber eine polarisierende Person zu sein ist mega scheiße.

Du spielst auf die Kontroverse um das Stück »Das Boot ist voll« an?

Faber: Genau. Ich weiß nicht, ob ich das nochmal machen würde – ich glaube eher nicht.

In dem Stück stellst du dich explizit gegen rechte Parolen. Unter anderem hat Kollege Linus Volkmann anhand der Textzeile »Geh auf die Knie, wenn ich dir meinen Schwanz zeig« von »Vergewaltigungsphantasien gegen rechts« geschrieben. Gleichzeitig wurde dir vorgeworfen, den Refrain erst geändert zu haben, als der Shitstorm schon in vollem Gange war ... ?

Faber: Ich hatte schon davor reagiert, den Text geändert und es somit vorweggenommen. Die Diskussion war nicht unberechtigt – eine Wortwahl, wie ich sie hatte, gehört da nicht hin. Ein klarer Fehler von mir und den wollte ich beheben. Was aber nicht bedeutet, dass ich mit dem Vorwurf der Vergewaltigungsphantasien einverstanden bin.

Wo liegt für dich der Knackpunkt?

Faber: Ich glaube den Leuten, die das geschrieben haben, nicht, dass sie wiederum glauben, dass ich das im Sinn hatte. Niemand denkt bei Sätzen wie »Lutsch meinen Schwanz« oder »Fick deine Mutter« daran, dass man aufgefordert wird, nach Hause zu gehen, um mit der Mutter Geschlechtsverkehr zu haben. Vielmehr ist es eine Aufforderung, sich zu verpissen, und wird auch in der Regel so verstanden.

Hast du das Gefühl, in der Rezeption deiner Musik mitunter nicht adäquat wahrgenommen zu werden?

Da darf man keine Erwartungen haben. Trotzdem finde ich es schade, wenn Menschen ungeübt sind, in Musik Figuren zu erkennen. In der Literatur identifiziert man den Autor auch nicht automatisch als Hauptfigur – außer der Text läuft unter Autobiografie. Unter diesem Aspekt werden auch auf der neuen Platte Stücke wie »Top« sicher für Aufruhr sorgen.

Ertappst du dich in puncto Generationenkritik manchmal selber?

Faber: Voll, alles andere wäre gelogen. Ich bin in dieser Gesellschaft aufgewachsen – das lässt sich nicht leugnen, nur daran arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch.

Faber ist am 27. November in der Scheune zu erleben; das Konzert ist bereits ausverkauft. Mehr zum Künstler: www.fabermusik.de

« zurück