■ DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl sprach anlässlich dessen Auftritts in Dresden mit dem Musiker Axel Bosse über Engagement für soziale Projekte, den Entstehungsprozess seines neuen Albums und wilde Abende in Altbriesnitz.
Dein aktuelles Album trägt den Titel »Sunnyside« – eine Kampfansage an schlechte Stimmung?
Bosse: Das große »Sunnyside« ist der Pandemie geschuldet. Die Idee hatte ich zwar schon vorher, habe es dann aber extra nochmal so genannt. Ich konnte nicht nur Trübsal blasen, das funktioniert für mich selber nicht. Auf der Platte geht es oft darum, von der Dunkelheit zurück in Richtung Hell, ins Licht zu gehen. Es dreht sich viel um Einsamkeit und auch ein bisschen um Familie.
Wie groß ist der Leidensfaktor, wenn du an einer neuen Platte schreibst?
Bosse: Es gibt das Arbeitszimmer und es gibt den Rest – das Leben, die Weltgeschehnisse, meine Familie, den Struggle und das Schöne. In meinem Arbeitszimmer steht ein Klavier und ein bisschen was zum Aufnehmen. Da kann ich mich in eine Welt begeben und drei Stunden heftig und tief an etwas arbeiten. Das ist manchmal einfach, ganz oft aber eine ziemlich knifflige Sache und sicher auch ein Leidensweg. Es geht darum, Sachen fertig zu machen und gleichzeitig mit Selbstkritik umzugehen. Bedenken, dass es nicht reicht, man das alles schon mal gesagt hat oder es auch schlauer geht. Das spielt alles mit rein. Wenn ich die Arbeitstür wieder aufmache und rausgehe, kann ich schnell abschalten, voll entspannt in den Ökoladen laufen, um für die ganze Familie Lauch zu kaufen. Danach komme ich wieder zurück und arbeite konzentriert weiter. Das habe ich mir so angeeignet, seitdem ich Vater bin.
Auf dem Album findet sich der Song »Das Paradies«, daneben gibt es das »Projekt Paradies«, mit dem du soziales Engagement unterstützt. Ist deine Reichweite hier Währung für die gute Sache?
Bosse: In dem Fall schon. Ich bin aber gar nicht der springende Punkt, sondern nur zu einem kleinen Teil der Spreader. Im Laufe der Jahre habe ich einfach viele Leute kennengelernt, mit denen ich hier und da mal eine Aktion angeschoben habe. Wenn es gute Ideen gibt, man Unterstützung, ein bisschen Kohle braucht oder Helferinnen und Helfer sucht, dann habe ich dafür das »Projekt Paradies«. Das hat sich einigermaßen schnell herumgesprochen. Ich komme dann gerne vorbei, stelle das Ganze vor und man schaut, was passiert. Ich habe ja keine monstergroße Reichweite, aber schon so, dass man Sachen erreichen kann. Meine Fanschar ist einfach super.
In einer Folge deines Podcasts »Lecker Mittach« erzählst du von der großen Spende eines holländischen Millionärs. Meinst du das damit?
Bosse: Genau. Mein Lied »Frankfurt Oder« ist in Holland ein richtiger Superhit, weil es eine holländische Band gecovert hat. Ein Wahnsinn. Deshalb hören da viele auch meine Musik, meine Podcasts oder schauen sich das »Projekt Paradies« an. So kam es zu diesem Zufall. Das Video zum Song haben wir im Millerntor, bei St. Pauli im Stadion gedreht. Die Strophen wurden von Leuten performt, die wirklich auf der Straße sind und gesellschaftlich was tun. Das war der Anfang von dem Ganzen und ich habe wieder gemerkt, dass es wirklich Menschen gibt, die ihr ganzes Leben für die Gesellschaft aufopfern, um Sachen zu verändern. Ich kam mir teilweise ganz schön doof vor, weil ich zwar irgendwie die Plattform bin, aber eigentlich auch noch mehr tun könnte und müsste. Diese Leute und Projekte verändern wirklich was. Nimm »GoBanyo«, den Duschbus für Obdachlose in Hamburg. Der ist so schlau und so gut. Die machen das ehrenamtlich, brauchen helfende Hände plus Spenden. Und los, dann mache ich das eben.
Den Song »Vater« nehme ich dir persönlich übel, weil er mich zu Tränen gerührt hat. In Interviews hast du oft gesagt, dass bei dir nicht immer alles biografisch ist und man auch schon mal literarische Geschichten erzählen könne. Das hier bist jetzt aber schon komplett du und dein Papa, richtig?
Bosse: Voll. Ich gebe es zu. Lustig an der Nummer ist, dass ich gar nicht darauf hin getextet habe. Selten schreibe ich mal eine Sache nur für eine Person, wie in dem Fall für meinen Vater. Ich mache das also und plötzlich schreiben mir ganz viele Menschen über die Kommunikation vor dem Tod. Die Leute sehen am Ende immer sich.
… und werden von so einem Thema getriggert?
Bosse: Genau. Geschichten, dass man den Song gehört hat, dann zur Mutter gefahren ist, um sich endlich mit ihr auszusprechen. Das passiert und ist natürlich ganz geil. In Wahrheit habe ich aber nur ein Lied über das Verhältnis zwischen mir und meinem Vater geschrieben. Mit ein paar Prollo- und ein paar sehr echten Momenten. Da ist nichts ausgedacht. Jetzt freue ich mich einfach. Live spiele ich das Stück an einer ganz ungewöhnlichen Stelle, direkt nach einem Song, bei dem sich alle die Köpfe einschlagen. Voll gut.
Wie hat dein Vater reagiert?
Bosse: Der ist entspannt. Das war ja zu Corona und wir haben uns nicht gesehen. Er hat es mit Kopfhörern über eine SMS gehört und dann nur zurückgeschrieben: »Ey, du bist ein Familienmensch.« Alles gesagt.
Was verbindet dich mit Dresden?
Bosse: Man muss sagen, dass ich schon mein ganzes Leben lang einen guten Draht zu Dresden und da auch echt ein paar tolle Freunde habe – teilweise weggezogen, ein paar sind aber noch da. Außerdem bin ich ein Neustadtkind, da ich seit meiner Pubertät immer Freunde irgendwo in der Gegend hatte. Vor allem aber bin ich mit Dresden über den alten Beatpol verbunden. Den Laden haben wir mal dermaßen auseinandergenommen. Der Putz kam von der Decke, weil es so heiß war. Durch die Luftfeuchtigkeit ist er den Leuten wie Konfetti ins Gesicht gefallen. Es gibt eine ganz lange Freundschaft zwischen mir, meiner Band und diesen Leuten aus der Stadt.
Bosse ist am 2. Juli live in der Jungen Garde zu erleben. Mehr zum Künstler unter www.axelbosse.de/