DRESDNER Interviews / O-ton!
Keine Gefahr für die Öffentlichkeit? – Farin Urlaub im Interview zu seinem Auftritt am Elbufer – Copyright Foto: Olaf Heine.
Farin Urlaub im Interview zu seinem Auftritt am Elbufer – Copyright Foto: Olaf Heine.
■ Farin Urlaub kommt mit seinem Racing Team in die Stadt. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl hat er vorab verraten, warum auch er beim Texten manchmal das Handtuch wirft, weshalb er Pegida & Co. nach Syrien zwangsumsiedeln würde und mit welcher Motivation er eigentlich seine Texte schreibt.

Was ist es in Zeiten von Youtubern und »Generation Casting« für ein Gefühl, als alter Punkrocker mit deinem vierten Soloalbum »Faszination Weltraum« auf der Pole Position der Charts zu landen?

Farin Urlaub: Ein erhebendes. Besonders nach der langen Pause von ca. sechs Jahren habe ich mich sehr gefreut, dass sich offenbar noch jemand an das Racing Team erinnert.

»Rock« ist der musikalischen Heimathafen, in den du diesmal eingelaufen bist. Wie kam es dazu, dass die Platte musikalisch derart geradlinig ausgefallen ist? Ist »Rock mit über Fünfzig« das ehrliche Pendant zu »Punk mit Zwanzig«?

Farin Urlaub: Interessant, wie spannend das Alter offenbar von außen wahrgenommen wird. Mir fällt es schwer, mich mit den über 50-Jährigen meiner eigenen Jugend zu assoziieren, aber das mag auch bewusste Betriebsblindheit sein. Jedenfalls wollte die Musik aus mir raus, die auf dem Album ist; ich hinterfrage das nicht, sondern nehme es dankend hin, dass mir überhaupt Musik und Texte einfallen.

Du reist und liest viel, bist quasi so etwas wie ein intellektueller Weltbürger. Ist es da manchmal schwer, die beabsichtige Botschaft eines Textes auf die Einfachheit popkultureller Codes herunterzubrechen, oder liegt genau darin auch ein Reiz?

Farin Urlaub: Danke für das Kompliment. Manche Themen sind derart komplex, dass ich – nach vielen, gelegentlich frustrierenden Versuchen – tatsächlich das Handtuch werfe; ein Beispiel wäre die Flüchtlingsdebatte bzw. -hetze in Deutschland. Aber grundsätzlich liebe ich das 3-Minuten-Format. Könnte ich besser schreiben und hätte ich mehr Ausdauer, wäre ich vielleicht Autor geworden; so reicht es halt nur für kleine Songs.

Während deiner langen Reisen spielt auch das Fotografieren eine große Rolle. Was ist dein von dir selbst geschossenes Lieblingsfoto?

Farin Urlaub: Das ist fast wie mit den Liedern: es gibt mittlerweile eher hunderte, die ich selbst sehr mag. Ja ja, der eitle Künstler.

Im Song »Dynamit« sprengst du Innenstädte in der Hoffnung oder mit der Forderung, den Ruinen möge eine neue Architektur der Ästhetik und somit Wertschätzung entwachsen. Sind wir deiner Meinung an einem Punkt angelangt, an dem der Mensch nur noch ein kaufgereizter Statist in einer ewig lockenden Konsumkulisse ist?

Farin Urlaub: Zumindest werden wir gerne auf diese Art von Zombies reduziert, und kaum jemand regt sich noch auf. Ein schöner Zeitvertreib ist etwa, sich im gefürchtet-geliebten Internet die »Begründungen« für die jeweiligen Cookies-Regeln durchzulesen; da offenbart sich ein erschreckendes Menschenbild.

Die für hohe Plattenverkäufer mitverantwortlichen Technikdiscounter residieren meistens auch nicht gerade in denkmalgeschützten Gründerzeithäusern. Müssen die dann auch weg?

Farin Urlaub: Der Schöngeist im alten Punkrocker sagt ja, aber der Realist gibt zu bedenken, dass es schon noch Unterschiede gibt zwischen Innenstädten und Kaufkisten auf der ehemals grünen Wiese, weit vor den Toren der Stadt.

Muss man in kritischen Texten heutzutage mehr denn je provozieren und eskalieren, um sich der Aufmerksamkeit des Publikums bewusst zu sein?

Farin Urlaub: Weiß ich nicht. Ich schreibe meine Text tatsächlich nicht für irgendein abstraktes oder gar konkretes Publikum, sondern um mich selbst zu amüsieren, oder weil mich gerade etwas umtreibt, was raus muss. Und da ich nie Graffiti-Hengst geworden bin, muss es halt so funktionieren.

Stichwort Dresden: Hat sich dein Gefühl hier zu spielen nach Pegida verändert und falls ja inwiefern?

Farin Urlaub: Nein. Es ist meines Erachtens auch grundfalsch, zu vermuten, dass sich diese stumpf-dumpf-ängstlich-xenophobe Art zu denken, hoffentlich nur auf eine kleine Ecke dieses Landes beschränkt.

Was würdest du dem rechten Spaziergänger-Mob gerne entgegenbrüllen bzw. entgegensetzen? Zu warten, bis Hirn vom Himmel fällt, wie du es auch in dem Song »iDisco« besingst, könnte ja etwas länger dauern!?

Farin Urlaub: Schwierig. Am liebsten würde ich die mal in den Sahel oder nach Syrien zwangsumsiedeln, um dann genüsslich zuzusehen, wie sie genau dieselben Fluchtinstinkte entwickeln, die sie an anderen verurteilen. Selbst völlig empathiefreie Menschen mit durchaus realen eigenen Problemen können doch nicht wirklich so unfassbar dumm sein, anzunehmen, dass die ganzen Migranten/ Flüchtlinge GERNE ihre Heimat verlassen, um in unser kaltes, graues, unfreundliches Deutschland zu kommen. Doch, sie können, offenbar.

Wann hast du das letzte Mal mit Bela und Rod gesprochen und worüber?

Farin Urlaub: Haha, das geht euch nichts an. Ein paar Geheimnisse sollte man doch wahren als junge Dame. Äh und als alter Rockmusiker.
Besten Dank für das Gespräch!

DRESDNER Kulturmagazin präsentiert: Farin Urlaub Racing Team am 19. August zu den Filmnächten am Elbufer. Mehr zum Künstler: www.farin-urlaub.de

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