DRESDNER Interviews / O-ton!
»Ich wusste seit frühester Kindheit, dass ich Schauspielerin werde« – Im Gespräch mit Annette Strasser (Foto: Axl Jansen)
Im Gespräch mit Annette Strasser (Foto: Axl Jansen)
■ Annette Strasser ist Diplom-Schauspielerin und zertifizierte Bergführerin. Bekannt wurde sie als »Schwester Sabine« in Bora Dektekins »Doctor’s Diary«, einer der erfolgreichsten RTL-Serien aller Zeiten. Sie spielte unter anderem in »Türkisch für Anfänger« und »Jerks«. Regelmäßig leiht sie ihre markante Stimme wissenschaftlichen Features, Kinderhörspielen und Kriminalgeschichten. Im November ist sie zu Gast bei »Lesen für Bier« in der Scheune – und das, obwohl sie gar keinen Alkohol trinkt. DRESDNER-Autorin Kaddi Cutz hat sich mit Annette Strasser über ihren Lebensweg unterhalten.

Deine Familie besteht nahezu komplett aus Landärzten, eigentlich schien dein Weg karrieremäßig vorgezeichnet. Du bist aber anders abgebogen und Schauspielerin geworden. Wie kam es dazu?

Annette Strasser: Ich bin immer schon anders abgebogen, das ging bei der Geburt schon los. Die Nabelschnur hatte sich sieben Mal um meinen Hals gewickelt und die Ärzte hatten mich eigentlich schon abgeschrieben. Ich war dann recht lange blau, habe mich aber doch einigermaßen normal entwickelt. Meine Eltern hatten große Angst, dass ich nie richtig sprechen oder laufen kann – heute wären sie froh, ich wäre öfters still. Seit 2004 laufe ich Marathons und seit dem Lockdown auch Ultratrails. Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Schwarzwald-Dorf oberhalb Hermann Hesses Geburtsstadt Calw. Meine Großeltern und Eltern waren Landärzte und seit frühester Kindheit war ich bei den Hausbesuchen immer mit dabei, neben der Küche war gleich das Labor, Blutorangen, Alkohol.
Es wurde erwartet, dass meine ältere Schwester und ich unsere Praxis weiterführen, aber ich wusste schon seit frühester Kindheit, dass ich Schauspielerin werde und meine Schwester Schriftstellerin. Wir haben es durchgezogen. Die diversen Familienfeiern ermöglichten mir den ein oder anderen »Kranken-Auftritt«, mein Großpapa erkannte sofort meine Liebe zu den menschlichen Eigenarten, zum Schauspiel. Meine Großmama hingegen pflegte immer mit strengem Hamburger Ton zu sagen: »Mit dieser Stimme schaffst du das nie«.

Wenn man dich googelt, findet man Bilder von dir mit Glatze, viel gesucht wird auch »Annette Strasser krank«. Was hat es damit auf sich?

Annette Strasser: Ich habe die Autoimmunerkrankung Alopecia Areata. Seit 2008 fallen mir immer wieder die Haare komplett aus und wachsen dann irgendwann in den unterschiedlichsten Farben und Strukturen wieder nach. Privat ist das recht praktisch, beruflich bisher leider ein Ausschlusskriterium.

Warum ist das so?

Annette Strasser: Als Frau ohne Haare ist es sehr schwierig, in dieser Branche zu überleben, beziehungsweise spannende Rollenangebote zu bekommen. Diesen Typ Frau gibt es nun mal noch nicht in Deutschland, bist du als Frau ohne Haar immer krank. Genauso, wie eine türkisch aussehende Kollegin eben oft den Gemüsestand betreibt und der schwarze Kollege in der Küche schrubbt. Eine Frau hat einfach Haare zu haben. Mir wurde empfohlen, es daher zu verheimlichen. Ich hielt mich nicht an die Empfehlung, schließlich ist es doch auch schön, so ein Kopf ohne Schnörkel, zudem pflegeleicht und zeitsparend. Der Kopf passt zu meinem Körper, ich verstecke ihn nicht! Ist ja auch keine lebensbedrohliche Krankheit, sondern eine unerforschte Störung des Immunsystems.

Hilft dir die Präsenz von Krankheiten in deiner Kindheit heute im Umgang mit Corona?

Annette Strasser: Sicherlich. Ich hatte bereits im Januar Corona, als das noch gar nicht offiziell angekommen war. Es war äußerst unangenehm, denn obwohl ich in der Natur lebe, keinen Alkohol trinke, mich größtenteils vegetarisch/vegan ernähre, nie geraucht habe, Extremsportlerin bin, hat mich die Krankheit ausgebremst, zwei Monate lang. Ich war zu der Zeit in Pavia an der Uni, also haargenau in der »zona rossa«, habe italienisch studiert, zur Abschlussprüfung husteten alle nur so dahin. Ich vertraue aber auf meine Selbstheilungskräfte, und sind diese zu schwach, dann ist's eben aus …

Im November bist du mein Gast bei »Lesen für Bier« in Dresden. Worauf freust du dich am meisten? Da du keinen Alkohol trinkst, kann es das Bier ja schon mal nicht sein … ?

Annette Strasser: Auf das Publikum! Und das Abenteuer, das Spontane, das Unberechenbare. Ich weiß ja nicht, was die Leute für Texte mitbringen.

Ich auch nicht!?

Annette Strasser: Da hab ich total Lust drauf, ich liebe es, wenn ich nicht weiß, was passiert. Aus dem Unbekannten schlüpft bestenfalls ein neuer Gedanke.
Vielen Dank!

Annette Strasser ist am 26. November zu Gast bei »Lesen für Bier« in der Scheune. Mehr zur Künstlerin unter www.kuehl-management.de/kuenstler/annette-strasser

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