■ Ein Schönheitschirurg und seine Frau führen ein komfortables, aber langweiliges Leben. Als die Putzfrau kündigt, schalten sie die halbernste Zeitungsannonce »Sklave/ Sklavin gesucht«. Nachdem man eine Horde SM-Anhänger wegschicken musste, nehmen die beiden das ernstgemeinte Angebot von Bartos, einem bankrotten Hotelier an …
Mit »HERRliche Zeiten« hat Oskar Roehler den Roman »Subs« von Thor Kunkel verfilmt, welcher zuletzt im Bundestagswahlkampf 2017 als PR-Berater für die AfD in Erscheinung getreten war. Roehler lässt Kunkels großes gesellschaftliches Panorama der modernen Sklaverei außen vor und beschränkt sich auf grundsätzliche Fragen: Für wen gelten welche Spielregeln? Und wie weit geht ein Mensch, um seine Interessen durchzusetzen? Genau darüber sprach Oskar Roehler (im Team-Bild: 1. Reihe, 2. von links) auch mit DRESDNER-Autorin Annett Groh.
Herr Roehler, »HERRliche Zeiten« thematisiert verschiedene Bruchstellen der Gesellschaft: Den Gegensatz von arm und reich, mehr aber noch das Einhalten von gesellschaftlichen Normen und die Abkehr davon. Wo befindet sich Ihrer Meinung nach die Hauptbruchstelle der Gesellschaft?
Oskar Roehler: Ich denke, das ist der gegenseitige Umgang miteinander. Ich will hier nicht den Moralapostel spielen, aber es wird ständig nur geschimpft, gehetzt und mit Häme übergossen. Die kleinste Kleinigkeit wird aufgeblasen, Leute werden fertiggemacht aus purer Langeweile. Das fing schon damals an, als man den armen Christian Wulff so fertiggemacht hat, weil er sich beim Oktoberfest zu einer Maß Bier hatte einladen lassen. Danach musste er sich im ZDF einer Gerichtsverhandlung von Bettina Schausten unterziehen. Öffentlich am Pranger.
Die Leute fressen sich gegenseitig auf mit ihrem Hass und ihrer jeweiligen ideologischen Verblendung. Die Gesellschaft hat sich kannibalisiert, und zwar mit einer unglaublichen Schamlosigkeit. Allein schon dieses schreckliche Wort »performen« – das sagt eigentlich alles über die Gesellschaft aus. Die Leute wollen nur noch performen. In gewisser Weise handelt »HERRliche Zeiten« davon, was man bereit ist zu tun, um den äußeren Schein zu wahren. Nämlich: über Leichen zu gehen.
Was arm und reich betrifft, so ist die Darstellung sehr zurückgenommen. Taugt das Thema nicht für eine Groteske?
Oskar Roehler: Die Frage ist eher: Was willst du mit dem Film ausdrücken? Ich tu' mich zunehmend schwer damit, an das Gute im Menschen zu glauben. Und ich finde es lustig, mir darüber Gedanken zu machen, wozu Leute fähig sind. Ich mag gerne Kriminalgeschichten. Horrorfilme und Thriller interessieren mich mehr als Gesellschaftsdramen. Ich finde es immer spannend, wenn Leichen im Keller sind. Wenn man merkt, dass es Momente gibt, in denen die Menschen zu Bestien werden. Filme sind keine politisch belehrenden Vehikel.
Die Leichen im Keller sind nicht nur symbolisch!?
Oskar Roehler: Genau. Ich will Leichen sehen! Ich will Blut sehen! Ich will Spannung, ich will monströse Sachen! Ich weiß, dass das für viele nichts ist, aber ich kann mir gut ansehen, wie jemand einem anderen ein Bein absägt. Vor kurzem habe ich einen Splatterfilm gesehen: In einer Einstellung sah man ein hübsches nacktes junges Mädchen, das auf dem Bett kniet. In einem langsamen, eleganten Schwenk offenbart die Kamera ihre Oberschenkel, den Hintern, die hübschen langen blonden Haare und den wohlgeformten Rücken – und dann schwenkt die Kamera nach unten, und man sieht, wie Blut aus ihrem Beinstumpf läuft. Der abgesägte Rest des Beins liegt neben dem Bett. Über solche Ideen freue ich mich. Das ist Kunst: herrlich und wahnsinnig originell. Kunst kann sein, was sie will. Es gibt bei mir keine geschmacklichen Grenzen nach oben oder nach unten.
Als wie frei empfinden Sie sich?
Oskar Roehler: In unserer Gesellschaft sollte es eigentlich nicht schwer sein, sich einigermaßen frei zu fühlen. Persönlich fühle ich mich eigentlich sehr frei. Aber nicht, was den geistigen Diskurs angeht. Man ist umgeben von so vielen Leuten mit Selbstzensur im Kopf. Leute, die Angst haben, ihren Job zu verlieren. Oder Leute, denen man irgendwelche politischen Retortensprüche eingetrichtert hat.
Im Film tauchen einige Motive aus Ihrem letzten Buch »Selbstverfickung« wieder auf. Wie eng verknüpft sind beide Werke?
Oskar Roehler: Gar nicht. Also ganz eindeutig: nicht. Sag ich jetzt mal. Oder ich sag: Machen Sie sich selbst ein Bild davon. Sie sind die, die es interpretieren müssen.
Aber das Buch ist schon während der Produktionsphase von »HERRliche Zeiten« entstanden!?
Oskar Roehler: Das Buch ist ja meine ganz persönliche Abrechnung. Sie dürfen sich das bei dem Film gar nicht so vorstellen, dass man da über Jahre permanent involviert ist. Ich habe sehr viel Zeit gar nicht mit dem Projekt verbracht. Ich wäre ja wahnsinnig geworden: Fünf Jahre warten und Däumchen drehen, und dann kommt vielleicht ein schlechtes Drehbuch, und dann kommt noch irgendein Mist … nee, das läuft dann irgendwann unabhängig und ist gar nicht mehr so sehr an die eigene Person gebunden wie beispielsweise ein Buch. Film ist Industrie. Ich habe es dann einfach irgendwann verfilmt – so gut, wie ich konnte (lacht).
Die nächsten Projekte?
Oskar Roehler: Ich schreibe ein Buch, weiß aber noch nicht, ob es lang genug für einen Roman wird. Es heißt »Der Mangel« und hängt sich daran auf, dass der Mangel mich als Person in meinem Leben ausmacht. Ich habe immer aus einem Mangel heraus agiert. Durchaus auch im positiven Sinne. Mangel muss nichts Schlechtes sein. Was die Leute heute als Mangel empfinden würden, war vielleicht irgendwann einmal unermesslicher Reichtum, der sich aus ganz anderen Quellen speiste. Nicht aus Konsum und Geld und all diesem ganzen Kram. Informationsmangel ist auch manchmal gut. Das kann einen dazu bringen, sich auf wesentlichere Dinge zu konzentrieren.
»HERRliche Zeiten«, ab 3. Mai im Pk Ost, KiF und Schauburg; D 2018, Regie: Oskar Roehler, mit: Oliver Masucci, Katja Riemann, Samuel Fitzi u.a. Zum Trailer: http://youtu.be/7XWesYFSOhQ