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DRESDNER Interviews / O-ton!
»Ich habe nie an Ideologien geglaubt« – Josef Hader im Interview
Josef Hader im Interview
■ Der österreichische Tausendsassa sprach anlässlich seines Gastspiels im Alten Schlachthof mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl über die Vorliebe zu abgehalfterten Figuren, die Notwendigkeit überprüfbarer Wahrheiten und das internationale Phänomen der Bezirkshedonistenwichser.

Herr Hader, stört es Sie als Kult bezeichnet zu werden?

Josef Hader: Es lässt mich so kalt, dass es mich auch nicht stört. Solche Dinge sind für meine Arbeit völlig unbrauchbar. Wenn man das selber von sich denkt, würde man sehr schlechte Kunst machen. Ich bin Gott sei Dank sehr wenig von mir selber beeindruckt.

Sie wollten ursprünglich Lehrer werden. Besteht zwischen der Kabarettbühne und dem Lehrberuf eine Verbindung?

Josef Hader: Ja, insofern als man vor Leuten spricht, sich produziert und es günstig ist, spannend zu sein. Der große Vorteil zum Lehrer, den man als Kabarettist hat, ist, dass das Publikum Eintritt bezahlt und deswegen schon von vornherein eher zuhört.

Nach Dresden kommen Sie mit dem gern als Best-Of bezeichneten Programm »Hader spielt Hader«?

Josef Hader: Das ist ein Programm, das ich in unterschiedlichen Zusammensetzungen immer wieder spiele, und zwar immer genau dann, wenn ein altes Programm zu Ende geht und bevor ich ein neues schreibe. Vielleicht auch um mir klar zu werden, was ich bisher gemacht habe, um dann leichter darauf zu kommen, wohin ich will. Die Phase ist diesmal sehr lang, weil ich dazwischen den eigenen Film machen wollte.

Haben Sie eine Lieblingsstelle im Programm, auf die Sie sich jedes Mal aufs Neue freuen?

Josef Hader: Ich habe keine Lieblingsstellen bei mir, sondern immer nur bei anderen Autoren, Musikern und Liedern. Wenn jemand bei sich selber Lieblingsstellen findet, würde ich das schon für verdächtig halten.

Bei dem Film »Wilde Maus« haben Sie selbst Regie geführt. Wie war das?

Josef Hader: Ich kenne keine Tätigkeit, wo ich einerseits so überfordert war und gleichzeitig trotzdem so eine Sicherheit hatte, dass ich das gerne mache, egal wie es ausgeht.

Haben Sie ein Faible für abgehalfterte Geschichten und Figuren?

Josef Hader: Von meinem Körper her ist es klug, solche und keine anderen Figuren anzunehmen. Würde ich keine abgehalfterten Figuren spielen, müsste ich körperlich sehr stark an mir arbeiten.

Gibt es zu Hause Ärger vom Publikum, wenn Sie Witze über den Vizekanzler Strache machen – oder ist ihre Zuschauerschaft eher homogen?

Josef Hader: Nein. Der große Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist, dass das Kabarett in Österreich sehr stark mit dem Volkstheater verwurzelt ist. Das heißt auch in meinem Fall, dass es nicht so parteipolitisch ist, sondern meine Programme, außer eben »Hader spielt Hader«, eher Theaterstücke sind, die gesellschaftlich Standpunkt beziehen, aber sich normalerweise nicht direkt an Politikern abarbeiten. Gerade wenn ich in der österreichischen Provinz spiele, ist das Publikum weltanschaulich gemischt. Das betrachte ich als Vorteil, weil dadurch unterschiedliche Meinungen zusammen kommen. Das Problem, das wir derzeit nicht nur in Österreich haben ist ja, dass wir gleiche Meinungen in Internetblasen sammeln und gegenseitig verstärken. Der Diskurs miteinander zu unterschiedlichen Meinungen findet in der Form öffentlich viel weniger statt. Wenn wir miteinander streiten, ist das aber die Atemluft unserer Demokratie. Deswegen kann es auch passieren, dass man nachher in einem Wirtshaussaal ein bisschen streitet oder zumindest unterschiedliche Meinungen austauscht. Das halte ich für gut.

Gibt es im Netz schon mal den berühmten »Shitstorm« nach dem Auftritt?

Josef Hader: Wenn ich sehr konkret politisch werde, was ich im Kabarett nicht so werde und bestimmte Politiker unterstütze, dann wird’s mal rauer, aber eigentlich nie hasserfüllt. Ich habe zum Beispiel den grünen Kandidaten unterstützt, der jetzt unser Bundespräsident ist. In manchen Kommentaren klingt durch, dass ich ein Künstler bin, der immer von bestimmten politischen Richtungen, vom sogenannten System profitiert hat – was mir immer ein Lächeln kostet, weil ich schon Steuern zahle, seit ich zwanzig bin und eigentlich ich viel eher populistische Politiker finanziere, als mich der Staat je finanziert hätte. Das trifft mich nicht sehr.

Haben Sie den Anspruch an das Kabarett, sich in der heutigen Zeit mehr zu positionieren, zu verändern oder sogar härter zu werden?

Josef Hader: Ich habe eher den Anspruch, dass ich als Bürger stärker in einen Diskurs eintrete und meine Meinung auch öffentlich sage. Das sollten wir alle. Weil es eben kein Unglück ist, wenn in Deutschland oder Österreich manche Leute radikal andere Meinungen haben als zum Beispiel ich, aber es ist ein Unglück, wenn wir nicht miteinander streiten und keine Wahrheiten mehr haben, die überprüfbar sind und die wir dann akzeptieren. Wenn es diesen Kodex von Wahrheiten nicht mehr gibt, die die öffentliche Meinung bilden, dann sind wir im Mittelalter, oder in der Zeit vor einer Demokratie, wo zum Beispiel ein Herrscher oder eine Religion die öffentliche Meinung vorgeben. Wir müssen in unserer Demokratie dafür kämpfen, dass es Wahrheiten gibt, die überprüfbar sind. Wer das zu destabilisieren versucht, mit dem müssen wir streiten.

Würden Sie sich selber als alten Linken bezeichnen?

Josef Hader: Nein. Ich war da nie zugeordnet, bin eher in einer linkskatholischen Atmosphäre erzogen worden und komme aus einer typischen konservativen Bauernfamilie. Ich habe nie in meinem Leben irgendeiner Ideologie geglaubt. Wenn ich das Gefühl hatte, dass jemandem die Wahrheit, an die er glaubt, wichtiger ist, als die Menschen mit denen er lebt, dann war ich immer sehr misstrauisch.

Bei Bands wie Wanda oder Bilderbuch spielt Wien atmosphärisch eine große Rolle. Wie wichtig ist Ihnen die Stadt als Refugium?

Josef Hader: Wien ist natürlich der große kulturelle Wasserkopf und hat als Kulturraum mit dem Rest von Österreich nur begrenzt zu tun. Was Wien zur Weltkultur beigetragen hat, ist sehr oft von Menschen gekommen, die aus Böhmen, oder auch der jetzigen Ukraine eingewandert sind. Sehr oft waren es auch jüdische Familien, deren Söhne und Töchter gerade auf dem Gebiet der Kultur und Kunst Außerordentliches geleistet haben. Wien ist nicht Österreich, Wien ist mehr. Wien ist ein Völkergemisch. Eine Kultur, die mich schon früh erreicht hat. Auf einem Weg, auf dem wir heute nicht mehr gewohnt sind, dass uns Kultur erreicht, nämlich übers Fernsehen. Ich habe als Kind schon Kabarett von jüdischen Kabarettisten gesehen, die von den Nazis davongejagt wurden, trotzdem später wieder zurückgekommen sind und hier weiter gemacht haben. Von Anfang an bin ich mit dieser Wiener Kultur vertraut gemacht worden. Die hat auch diesen speziellen Humor, in dem auch ich arbeite, welcher wiederum nichts mit einem österreichischen Humor zu tun. Das ist wirklich ein ganz eigener Kulturraum und alle großen Musiker, wenn wir die letzten Jahrzehnte überschauen, also von Falco, bis Wanda oder Bilderbuch arbeiten sich auch an dieser Wiener Kultur ab. Das ist der Grund, warum die österreichische Kultur manchmal einen größeren Raum einnimmt, als man von so einem kleinen Land annehmen möchte.

Sie haben einmal den Begriff »Bezirkshedonistenwichser« gebraucht. Bitte erklären Sie!?

Josef Hader: Das ist eine eher nicht so freundliche Formulierung für den etwas speziellen Begriff »Bobo«, jemanden, der Bohémien und bourgeois gleichzeitig ist. Ein eigentlich saturierter Bürger, der aber so tut, als wäre er ein total interessanter, künstlerischer Mensch. Das findet man in bestimmten Wiener Bezirken, aber auch in Berlin Prenzlauer Berg, in San Francisco oder sonstwo. Es ist ein weltweites Phänomen einer bestimmten Generation, die von sich selber glaubt, dass sie unglaublich hip ist. Wenn man aber näher hinschaut, wie die Leute leben und was sie politisch interessiert, dann sind sie eigentlich genauso langweilige Bürger wie ihre Elterngeneration. Dazu gehöre wahrscheinlich auch ich. Wenn man es aber weiß, dann ist es vielleicht weniger schlimm.
Vielen Dank für das Gespräch!

Hader spielt Hader, am 27. Oktober, 20 Uhr im Alten Schlachthof; mehr zum Künstler: www.hader.at/

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