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Ich bin eine gute Feministin – Dota Kehr im Interview (Foto: Annika Weinthal)
Dota Kehr im Interview (Foto: Annika Weinthal)
■ Ein Gespräch, viele Themen: Mit der Musikerin Dota Kehr unterhielt sich DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl über erarbeiteten Erfolg, Inspiration in Südamerika und Dinge, die sie nicht leiden kann.

Du hast den Weg als Kleingeldprinzessin von der Straßenmusik bis hin zum großen Erfolg mit Dota gemeistert. Bedeutet das mehr Freiheit oder mehr Druck?

Dota Kehr: Da hat sich gar nicht so viel verändert. Klar sind die Konzerte viel größer geworden, aber ich fand keines der Jahre schlecht und habe das nie als etwas Unangenehmes empfunden. Ich spiele gerne und empfinde jetzt nicht mehr Druck, die Freiheit ist die gleiche.

Ursprünglich hast du Medizin studiert. Wann fiel die Entscheidung für den musikalischen Weg?

Dota Kehr: Ungefähr zwei Monate vor dem Staatsexamen. In der Zeit spielten wir die erste größere Tour. Ich habe die ganze Zeit im Tourbus gelernt. Das Examen habe ich natürlich noch gemacht, aber schon da war mir klar, dass ich wahrscheinlich nicht in diesem Beruf arbeiten werde, oder zumindest gehofft, dass es mit der Musik weitergeht. Damals konnte ich schon von der Musik leben, was ja nie so planbar ist.

»Wir rufen Dich, Galaktika«, das letztjährig erschienene 16. Album, landete auch in den Top Ten. Eine Genugtuung nach all den Jahren harter Arbeit?

Dota Kehr: Die Charts sind nichts, worauf ich achte. Ich musste aber schon daran denken, wie in den ersten Jahren der Band auch die Majorlabels ankamen und versprochen haben, ganz viel für uns zu machen und uns in die Charts zu bringen. Das haben wir abgelehnt. Jetzt habe ich mich natürlich gefreut, dass es auch ohne sie geht.

Auf dem Album gibt es den Song »Bademeister*in«. Ist er neben der erzählten Geschichte auch ein Appell, sich in der Sprachdiskussion zu entspannen und humoristisch damit umzugehen?

Dota Kehr: Das Ziel ist, eine gerechte und möglichst diskriminierungsfreie Gesellschaft zu erreichen. Ich finde, das darf man nie aus dem Blick verlieren und es sollten alle zusammen verfolgen. Ob man das nun mit der Sprache macht, darüber kann man streiten – und sich auch einfach ein bisschen entspannen. Es ist halt nur ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Ich bin eine gute Feministin, gender aber nicht. Hier muss auch das sprachästhetische Argument zählen. Es ist ärgerlich, dass man plötzlich mit sehr unsympathischen Leuten dasteht, sobald man das sagt. Das Lied verweist die Debatte auf den Platz. Dabei mag ich den kleinen, humoristischen Nebenaspekt.

Du warst lange in Brasilien und Ecuador. Aufenthalte, die deinen Sinn für Musik geschärft haben?

Dota Kehr: Ja, sehr. In Brasilien habe ich überhaupt erst angefangen, richtig Gitarre zu spielen. Ich hatte mich davor schon autodidaktisch reingefuchst, am meisten aber dort von Freunden gelernt, mit denen ich in einer Band gespielt habe. Ein Komponist, der mich dabei sehr geprägt hat, ist Danilo Guilherme. Mit ihm habe ich damals ein Album aufgenommen. Die Erfahrung wirkt sich für mich bis heute stark im Spielen und Schreiben aus.

Bist du eine politische Liedermacherin?

Dota Kehr: Mit dem Begriff habe ich kein Problem. Da schwingt nur mit, dass der Text in der Wichtigkeit die Musik überragt und die musikalischen Mittel vielleicht eher spärlich sind, der ganze Sound nicht so relevant ist. Davon würde ich mich abgrenzen. Komposition, Musik, Melodie und der Sound der Band sind super wichtig. Dem schenken wir viel Aufmerksamkeit.

In einem Interview mit MDR-Kultur hast du unter anderem davon gesprochen, dich vom »Prinzip Danger Dan« abgrenzen zu wollen. Wie ist das gemeint?

Dota Kehr: Er macht das so wie er es macht, schön und gut. Ich finde, er macht es sich nur zu leicht, auch im Hinblick auf die Komplexität. Mir stinkt dieses »Wir« auf dem Hochplateau der moralischen Überlegenheit. Ich mag die Sichtweise und vor allem Selbstwahrnehmung, die darin mitschwingt, nicht. Mit »Keine Zeit«, das ich für Fridays for Future schrieb, habe ich auch schon ein Lied gemacht, für das ich mir eine Ausnahmegenehmigung für so ein »Wir« gegeben habe. Klar, mit einer überspitzten Darstellung ist das schon mal leichter.

Bei deinem vorletzten Album hast du Texte der Dichterin Mascha Kaléko vertont. Mit dabei waren auch Konstantin Wecker, Karl die Große aka Wencke Wollny, Hannes Wader oder Max Prosa. Ein einfaches Unterfangen, weil die Texte schon da waren, oder schwerer ob der Interpretationsleistung?

Dota Kehr: Da war ein großes Gefühl von Verantwortung, ansonsten war alles viel einfacher. Die Texte waren schon fertig. Man musste sich nur noch reinfühlen und die darin liegende Melodie finden und herausarbeiten. Auch das nächste Album wird eins mit Vertonungen von Mascha Kaléko sein. Die erste Single daraus ist schon erschienen. »Wenn einer fortgeht«, ein Text aus ihrem Frühwerk, mit Gisbert zu Knyphausen im Duett.

Die Faszination für diese Dichterin ist also ungebrochen?

Dota Kehr: Ja, ich konnte die Finger nicht stillhalten. Es gab noch so viele schöne Gedichte.

In Bezug auf deine Musik und deine Texte hast du gesagt, die Pandemie sei wie ein Elefant im Raum. Inwiefern?

Dota Kehr: Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass es richtig schwierig ist, Stellung zu beziehen. Alles flog einem um die Ohren. Auch über die ganze Gängelung habe ich mich viel geärgert. Wer sich nicht impfen lassen will, ja, der lässt sich halt nicht impfen. Auch 2G fand ich doof. Mit der blödeste Moment war, als die Veranstalter gezwungen wurden, die 2G-Regeln durchzusetzen und die Bands das kommunizieren mussten. Das hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich wollte Konzerte spielen und nicht für diese Regelung geradestehen. Da konnte ich auch den Zorn verstehen. Das ist überhaupt nicht gut gelaufen, politisch und in der Kommunikation durch die Medien.

Waren es aber nicht auch Maßnahmen wie Impfsolidarität und zeitweise 2G bei Veranstaltungen, die Kultur mittel- und längerfristig wieder ermöglichten?

Dota Kehr: Ich denke 2G war ausschließlich dadurch berechtigt, um kurzfristig die Kapazitäten der Krankenhäuser zu schonen – und da möchte ich jetzt dringend politische Maßnahmen sehen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, denn wir haben immer noch weniger Kapazitäten als vor der Pandemie, weil so viele den Beruf verlassen haben. Aber um Leute zum Impfen zu bringen, war es eine wirklich unsägliche Gängelung. Es war auch nie die Frage, ob nicht alle dieses Virus bekommen würden, die Frage war nur, wann.

Das Konzert in Dresden ist die Feier zum 20. Bandgeburtstag. Eine Rückschau mit vielen alten Stücken?

Dota Kehr: Ja, das wird spannend. »Ein Song von jedem Album« ist der Titel des Abends. Ich habe mir vorgenommen, alles einigermaßen chronologisch zu ordnen. Durch das große Repertoire haben wir viel Auswahl, und es ist ein genauso schöner wie schwieriger Prozess zu entscheiden, welche Stücke auf die Setliste kommen. Gerne nehme ich Vorschläge aus der Hörerschaft an.
Vielen Dank für das Gespräch.

Dota ist am 8. Januar live in der Tante JU zu erleben. Am 10. September kommt sie wieder nach Dresden. Mehr zur Künstlerin und zur Band unter www.kleingeldprinzessin.de/

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