DRESDNER Interviews / O-ton!
Gefühl ist alles – Im Interview mit Sebastian Lohse zu dem Neoromantik-Projekt »Futurum«
Im Interview mit Sebastian Lohse zu dem Neoromantik-Projekt »Futurum«
■ Am 13. September erlebt in Halle 3 des Dresdner Messegeländes ein Projekt seine Uraufführung, das Unerhörtes wagen will: Bilder der Romantik des 19. Jahrhunderts mit den technischen Mitteln von heute in eine eigene, futuristisch anmutende Klang-Bild-Ästhetik transportieren. Die Songs von Futurum basieren auf Schumann-Liedern, die Texte stammen aus der Feder von Joseph von Eichendorff und Heinrich Heine. Doch lässt sich die damals als Gegenbewegung auf den Mainstream des aufkeimenden Technikzeitalters entstandene Romantik im digitalen Zeitalter wirklich nachempfinden? Sebastian Lohse, Sänger, Gitarrist, Komponist und Gründer von Futurum, sieht in der Romantik viele Parallelen zur Neuzeit. Gemeinsam mit Schlagzeuger Stephan Salewski, Keyboarder Christian Keymer, dem Gitarristen Johannes Hautop und dem Bassisten Florian Salewski kleidet er die Schumann-Lieder in ein modernes Electro-Rock-Gewand und führt sie live als multimediales Spektakel auf. DRESDNER-Redakteur Heinz K. sprach im Vorfeld mit Sebastian Lohse über die Intention des Projektes, die Bildästhetik und natürlich über die Romantik.

Wann ist denn die Idee für das Projekt Futurum entstanden? Gab es dazu eine Art Initialzündung?

Sebastian Lohse: Vor über zehn Jahren hatte ich schon die Idee, ein Projekt zu starten, mit dem sich die Romantik ins 21. Jahrhundert transportieren lässt. Im Gesangsunterricht hatte ich die Schumann-Lieder gesungen und fand das irgendwie unbefriedigend. Zusammen mit Schlagzeuger Robert Eisfeld habe ich damals aus vier Schumann-Liedern Rockversionen gemacht, ohne diese je zu veröffentlichen. Und als ich im letzten Jahr davon hörte, dass 2014 zum Jahr der Romantik ausgerufen wurde, da dachte ich mir, okay, passt. Ich habe die Idee dem Dresdner Stadtmarketing vorgestellt und die meinten: »Ja, genau so etwas haben wir gesucht«. So ist für mich klar geworden, dass ich das jetzt auf den Weg bringen will.

Wie hast du dir die Musiker zusammen gesucht?

Sebastian Lohse: Ich habe Stephan Salewski gefragt, und der kannte zufällig viele andere Musiker, die er für geeignet hielt, und das war ein Riesenglück. Vier Dresdner Musiker, die allesamt auch Musik studiert haben, konnten sich dafür begeistern, so wurde das überhaupt erst möglich. Sie kommen alle aus unterschiedlichen Ecken und es sind richtig gute Musiker. Das steht für mich so geschrieben.

Das Titelmotiv ist dem Wanderer im Nebelmeer von Caspar David Friedrich entliehen und in Computerspiel-Ästhetik verfremdet. Das Album wird den Titel »Neoromantik« tragen. Welche Absicht steckt dahinter?

Sebastian Lohse: Die eigentliche Grundidee ist, wie man den Gedanken der musikalischen Zeitreise ins Bild bringen kann. Ich habe in einer Ausstellung animierte Bilder von Pieter Bruegel gesehen, die damit lebendig geworden waren. Das hat mich dazu inspiriert, dies mit Caspar David Friedrich umzusetzen, denn das ist ja der romantische Maler schlechthin. Dazu haben wir uns Animationskünstler gesucht und sind auf Ciro Ayala aus Japan gestoßen, der vornehmlich durch futuristische Videos bekannt wurde und bereits ein Bildmotiv von Friedrich animiert hatte. Nun ziehen wir es auch in diesem Stil durch.

Wie wird sich diese Bildästhetik denn im Konzert wiederfinden?

Sebastian Lohse: Die Umsetzung ist ein bisschen aufwändiger als bei einem normalen Konzert. Unsere Intention dabei ist es, sich eine Vorstellung zu erarbeiten, mit der sich das Programm nicht nur über die Musik und die Texte erschließen lässt, sondern auch über die Bilder. Es ist Romantik, die wir im heutigen Kontext erfahrbar machen. Wir realisieren das mit einer Videoprojektion, in der eine Art Zeitreise gezeigt wird. Und dazu spielen wir live. Alles weitere ist dann zur Premiere zu sehen.

Im ersten Moment wirken eure Songs gewöhnungsbedürftig. Sie sind komplex und erschließen sich oft nicht gleich beim ersten Hören. Eröffnet wird das Album von einem düsteren Song: »In der Fremde«?

Sebastian Lohse: Die Romantik war ja schon ein wenig düster. Gar nicht mal so von der Aussage her, sondern um sich in Kontrast zum damals vorherrschenden Zeitgeist zu stellen. Die Romantik war eine Gegenbewegung zur technischen Revolution und Rationalisierung; ihre Motive waren oft das Mystische in der Natur. Das ist ein Bild der Romantik, das auch in unserer Musik drin ist und das ist auch die Parallele zwischen Friedrich und Schumann.

Vom Sound her könnte man meinen, ihr sprecht mit Futurum die Electro- und Gothic-Rock-Szene an, aber vielleicht beschränkt sich das ja nicht nur auf diese Szene?

Sebastian Lohse: Das ist ganz offen gemeint. Wenn man die Möglichkeiten von heute nutzt, um die Extreme, die in der Musik drin sind, zu zeigen, dann ist das eben so. Wir haben uns nicht gesagt, das muss jetzt so klingen wie das und das, weil wir in dieser Szene landen wollen, sondern wir wollten die Lieder umsetzen. Wenn Schumann heute leben würde, würde er vielleicht auch so eine Musik machen, keine Ahnung. Mit unseren Mitteln wollten wir es ausdrücken. Das ist die Idee.

Es ist auf jeden Fall eine sehr spannende Idee, Texte und Lieder der deutschen Romantik via Electro- und Rocksongs zu transportieren. Aber werden denn die Leute, die Schumann-Lieder kennen und schätzen, auch in eure Konzerte gehen?

Sebastian Lohse: Es gibt schon positive Reaktionen von dieser Seite, aber die eigentliche Problematik liegt für mich darin, dass die junge Generation nichts mit Schumann anfangen kann. Das ging mir ähnlich, bis ich diese Lieder selbst singen durfte. Wenn ich klassische Aufnahmen höre, dann klingt das für mich oft wesentlich fremder und unwirklicher als das, was wir daraus gemacht haben. In dem Sinne ist es eine Chance, ein neues Publikum für Lieder und Texte der Romantik zu gewinnen; aufzuschlüsseln, was da drin steckt, diese irren Harmonien, die Schumann geschrieben hat, der zweifellos ein Genie war. Welcher 20-jährige geht denn heute noch zu einem klassischen Liederabend? In dem Augenblick aber, wo es losgeht, wo ganz offen Leidenschaft dabei ist, fällt der Zugang leichter. Wir haben vor allem Wert auf die Emotion gelegt, die in den Werken steckt, deshalb auch: Gefühl ist alles.

Welche Verbindung siehst du zwischen Romantik und Popkultur?

Sebastian Lohse: Die Ideen und Ideale der Romantik sind kein Schnee von Gestern, sondern die kann man heute genau so nutzen, um das Leben zu intensivieren oder tiefer zu empfinden. Die Sehnsüchte und Gefühle der Menschen sind doch noch dieselben! Das Schöne für mich ist, dass ich mich für diese bald 200 Jahre jungen Werke begeistern kann. Ich habe das nicht gemacht, weil ich dachte, du musst jetzt irgendeinem Trend folgen, oder du musst etwas machen, was die Leute kaufen sollen, sondern ich habe es aus Begeisterung angefangen. Ich hoffe, das überträgt sich auch.
Das hoffe ich auch. Besten Dank für das Gespräch!

Die Konzertpremiere von Futurum findet am 13. September, 20.30 Uhr im Rahmen der »OstraleExtra« in der Messe Dresden statt; mehr zu Projekt & Album unter www.futurum-music.de

« zurück