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Gänsehaut und Kloß im Hals – Markus Kavka im Interview (Foto: Thomas Neukum)
Markus Kavka im Interview (Foto: Thomas Neukum)
■ DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl im Gespräch mit Kultmoderator Markus Kavka über sein Depeche-Mode-Buch, Marotten der Stars und ein verpatztes Interview.

Du bist im bayerischen Ort Manching aufgewachsen. Als Teenager hast du einen in Säure gebleichten Katzenschädel an einem Lederband um den Hals getragen. Der lokale Antichrist?

Markus Kavka: So haben das die Leute interpretiert. Die Familie Kavka war der katholischen Kirche sehr eng verbunden. In Religion hatte ich immer eine Eins. Das war sogar mein viertes Abiturfach. Meine Mutter war im Kirchenchor, mein Papa im Kirchenbeirat. Es war logisch, dass ich nicht nur regelmäßig in die Kirche gehe, Kommunion und Firmung empfange, sondern wie fast alle Jungs im Fußballverein und auch Ministrant war. Auf dem Dorf gab es halt nichts zu tun. Mit ungefähr 16 war mein Äußeres in der Kirche dann nicht mehr präsentabel. Das umgedrehte Kreuz wäre beim Herrn Hochwürden wahrscheinlich eh nicht gut angekommen. Meine Haare waren diese typische Goth-Trichter-Frisur. An den Seiten abrasiert, 10 Zentimeter steil nach oben, mit einem Lappen, der noch über eine Gesichtshälfte hing – geschminkt mit Kajal und Lippenstift.

1986 warst du bei deinem ersten Depeche-Mode-Konzert in der Münchner Rudi-Sedlmayer-Halle. Was hast du gefühlt, als die Band nach dem Intro mit dem Song »Black Celebration« eröffnete?

Markus Kavka: Ich war total überwältigt. Das war mein erstes richtiges Konzert, »Black Celebration« damals meine absolute Lieblingsplatte. Die charakteristischen Akkorde und Dave Gahans Stimme das erste Mal live mit all diesen Lichtern um mich herum zu hören, gab mir das Gefühl, eins mit dieser Band zu sein. Ich habe Gänsehaut bekommen. Es hat mich kurz geschüttelt, vor Ergriffenheit hatte ich einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen. Das war das fehlende Puzzleteil zwischen mir und der Band. Eine immerwährende Liebe, die mit dem ersten Ton des Songs besiegelt war.

Mittlerweile hast du Depeche Mode einige Male interviewt. Im Buch beschreibst du ein Gespräch mit Martin Gore bei Rock am Ring, was gründlich daneben ging. Ist es mitunter schwer, den Journalisten vor den Fan zu stellen?

Markus Kavka: Eigentlich ist mir das sehr leichtgefallen, da ich mich immer extrem gut vorbereitet gefühlt habe. Das ist der Vorteil als Fan. Man weiß sauviel über die Band. Es gibt wenig potenzielles Glatteis, auf das man sich journalistisch begeben kann. Bei dem angesprochenen Interview mit Martin Gore aber hat Stress vor Ort dazu geführt, dass ich mein Fantum schlecht journalistisch nutzen konnte. Erst neulich habe ich einen Zusammenschnitt auf YouTube gefunden. Es ist noch schlimmer, als ich es in Erinnerung hatte. Eine Vollkatastrophe. Ich rede einen totalen Schmarrn und stelle beschissene Fragen. Das Video werde ich bei meiner Lesung zeigen. Ich stehe voll dazu, da versagt zu haben. Es ist ja nicht so, dass ich ein schlechter Journalist bin, der prinzipiell abkackt. Da aber hat mich das Fansein übermannt.

Bei Rock am Ring wurde der Band zunächst verheimlicht, dass das Konzert live übertragen wird. Etwas, das Depeche Mode grundsätzlich ablehnten. Ein Spleen?

Markus Kavka: Es ist total verbreitet, dass ein Live-Mitschnitt erst abgenommen wird und mit Overdubs und einer anderen Abmischung bearbeitet wird. Bei einem live ausgestrahlten Auftritt aber ist es vertraglich geregelt, dass der erst mal so über den Sender geht. Depeche Mode hatten noch nie vorher ein Konzert live übertragen lassen. Ganz bewusst, weil ihre Shows schon immer halb programmiert, halb live gespielt waren, was mögliche Fehlerquellen in sich birgt. Hier aber wären Depeche Mode der einzige Headliner gewesen, der sich dem verweigert hätte. Deswegen haben sie zähneknirschend eingewilligt. Aber erst, nachdem der Keyboarder Peter Gordeno mit dem legendären Satz intervenierte: »Guys, it's just music, nobody gets hurt.« Das hat alle überzeugt.

Sind gerade große Festivals ein Tummelplatz für die Marotten der Stars?

Markus Kavka: Da gibt es tausend Marotten, natürlich auch bei Rock am Ring. Als Metallica damals Headliner waren, wollten sie nicht zu Fuß zur Bühne gehen, sondern mit einer S-Klasse gefahren werden. Der Backstage-Bereich ist keine 200 Meter hinter der Hauptbühne. Wir reden hier auch nicht von allen Vieren in einem Auto, sondern jedes Bandmitglied wollte ein eigenes, um die kurze Strecke zur Bühne zu fahren. Es regnete auch nicht. Das Wetter hat es also nicht unbedingt erfordert. Gerade bei Festivals drehen Headliner die Daumenschrauben für die Veranstalter an und wünschen sich komische Sachen. Die Red Hot Chili Peppers wollten eine Luxus-Container-Toilette mit vergoldeten Armaturen. Die musste erst aus Roskilde beschafft werden. Ein Tieflader hat sie von Dänemark in die Eifel gekarrt. Das sind teilweise absurde Forderungen. Die Bands kriegen als Headliner bei großen Festivals eh eine Riesen-Gage. Das sind alles extra Kosten. Es war auch ein offenes Geheimnis, dass bei großen Festivals immer auch professionelle Damen gebucht wurden, die sozusagen zum rundum Wohlfühlprogramm gehört haben. Die saßen in der Lobby und man konnte mit ihnen einfach auf dem Zimmer verschwinden.

Daniel Miller, Gründer des Mute-Labels und Entdecker von Depeche Mode, bezeichnet die Band an einer Stelle im Buch als die größte ostdeutsche Band. Woher rührt diese Popularität?

Markus Kavka: Im Buch spreche ich zunächst von Depeche Mode als größte deutsche Band – Daniel Miller korrigiert mich dann und bezeichnet sie als größte ostdeutsche Band. Depeche Mode haben die Leute schon vor der Wende eingefangen und abgeholt. Das von der Band verkörperte Außenseitertum konnte man eins zu eins auf fast alle Musikfans in der DDR übertragen, die nicht Puhdys oder Karat gehört haben. Das bot eine große Identifikationsfläche. Depeche Mode haben sehr früh angefangen, im Ostblock zu spielen. Nicht direkt in der DDR, aber in Ungarn oder Bulgarien. In den 80ern haben sie ihre Platten zudem in den Hansa Studios aufgenommen. Da konnte man zur Mauer rüber schauen und dem Grenzposten winken. Die Band war also nicht nur musikalisch und durch ihre Einstellung, sondern tatsächlich auch geografisch sehr nah an Ostdeutschland. Im Video zu »Stripped« wurde mit einem Vorschlaghammer auf ein russisches Auto eingeschlagen. Außerdem waren sie relativ oft in der Bravo, die ja gerne in den Osten verdealt wurde. Durch Westverwandtschaft konnten Tapes, Poster und Vinyl rüber geschickt werden. Die Ostfans haben sich auch sehr früh organisiert. Zeitweise gab es mehr Fanclubs als im Westen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Markus Kavka liest am 11. Mai, 20 Uhr, aus seinem Buch »Depeche Mode« in der Schauburg. Mehr zum Künstler und zur Lesetour: www.facebook.com/markuskavkaofficial

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