DRESDNER Interviews / O-ton!
Flowing Connections – Im Gespräch zur Ostrale Biennale, die diesjährig ins Zentrum zieht und auf Reisen geht
Im Gespräch zur Ostrale Biennale, die diesjährig ins Zentrum zieht und auf Reisen geht
■ Vom 1. Juli bis 3. Oktober findet zum 13. Mal die Ostrale statt. Das Kunstfestival, das seit 2017 nicht mehr jährlich, sondern als Biennale stattfindet, ist erstmals wirklich zentral zu erleben, denn die Hauptausstellung in der zum »Pavillon der Ostmoderne« geadelten Robotronkantine aufgebaut, die nun seit Jahren erstmals wieder öffentlich genutzt wird. Unter dem Titel »Atemwende« sind insgesamt 557 Werke aller Genres zu sehen. Kuratiert wurde die Ausstellung von einem internationalen Team: Patricija Gilyte aus Litauen, Krisztián Kukla aus Ungarn, Ivana Meštrov und Nataša Bodrožić aus Kroatien sowie Andrea Hilger und Antka Hofmann als Dresdner Gastgeber. Die Ostrale selbst ist der Auftakt zu weiteren Ausstellungen. Eine Auswahl der Werke wird unter dem Titel »Flowing Connections« danach in Budapest, Rijeka, Zagreb, Split und Kaunas, der europäischen Kulturhauptstadt 2022, zu sehen sein. DRESDNER-Autorin Annett Groh war dazu im Gespräch mit der künstlerischen Leiterin der Ostrale, Andrea Hilger.

Wie ist es zur Zusammenarbeit mir den Kuratoren aus Ungarn, Kroatien und Litauen gekommen? Wie geht die Wahl des Kuratoriums vonstatten?

Andrea Hilger: Es gibt für die Auswahl der Kuratoren kein feststehendes Verfahren, sondern ergibt sich durch die Internationalität unserer Arbeit und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern. 2019 waren wir für die Vorbereitung der Kulturhauptstadt 2020 in Rijeka und haben dort Ivana Meštrov getroffen, die Kuratorin für die Europäische Kulturhauptstadt war. Das war für uns eine so unglaublich schöne Begegnung, dass wir unbedingt weiter mit ihr zusammenarbeiten wollten. Die ungarische Verbindung zu Krisztián Kukla vom aqb Budapest ist durch Mátyás Dunajcsik aus unserem Team entstanden. In Ungarn gibt es derzeit sehr viele Einschränkungen, es wird zunehmend ein diktatorisches System. Das aqb Budapest ist eine ähnliche Kunstinstitution wie die Ostrale mit einem eigenen Konzept und Künstlerresidenzen, wo die unterschiedlichsten Ausstellungen realisiert werden. Die dritte Achse geht zu unserer Kuratorin Patricija Gilyte in Litauen. Die Ostrale wird mit ausgewählten Künstlern in Kaunas bei der europäischen Kulturhauptstadt 2022 vertreten sein.

Was sind künstlerische Schwerpunkte der Ostrale?

Andrea Hilger: In der Robotronkantine bestimmen die Räume die Kuration, und es fällt mir schwer, einzelne Werke herauszuheben, weil die Kuration sich erzählend von Kunstwerk zu Kunstwerk weiterbewegt. Für mich bilden die Kunstwerke alle gemeinsam den Schwerpunkt und die Erzählung, die die Ostrale dem Publikum schenkt. Dort einzelne Dinge herauszuziehen ist sehr schwer, weil eigentlich jedes Kunstwerk zur gesamten Position gehört. Aber ich will ein Beispiel geben: Wir haben István Csákány hier bei uns, der 2012 auf der documenta 13 eine unglaubliche Holzarbeit »The Sewing Room« ausgestellt hat. Bei uns ist »Das Desert Zimmer« zu sehen. Das ist eigentlich ein Künstleratelier, auch komplett aus Holz gebaut – vom Aschenbecher über die Weinflaschen bis hin zum Besen in der Ecke und dem Anorak am Eingang. Die Bücher, die Leinwände, der Kamin und die Pflanzen – alles ist aus Holz. Das ist eine sehr faszinierende Arbeit.

Haben sich thematische Schwerpunkte herauskristallisiert?

Andrea Hilger: Thematisch ist es zum einen »der Osten«, die Ostmoderne: Das leerstehende Potential, das es im gesamten Ostblock gibt. Da sind unglaublich gute Gebäude – die Robotronkantine, die aus dem Leerstand wachgeküßt worden ist, ist da ein schönes Beispiel. Solche großzügigen Räume sind eigentlich nur zur Zeit des Sozialismus gebaut worden; Kulturräume, die großzügig Platz für Kommunikation und kulturelle Begegnungen hatten. Das hat es zu keinen anderen Zeiten gegeben. Vielleicht noch im alten Rom und in Griechenland, die Akropolis und ähnliche Gebäude, die ähnlichen Zwecken dienten und ähnlich groß angelegt sind. Man kann das vielleicht nicht von der Baustruktur her miteinander vergleichen, aber doch vom Innenraum her, von der Großzügigkeit, von dem angelegten Freiraum. Ein zweiter Punkt ist die Umweltsituation. Thematisiert wird es vordergründig durch das Wasser, und wir haben als Kooperationspartner deshalb auch die Stadtentwässerung Dresden, die wirklich mit eingebunden ist.

Gibt es Führungen, an denen man teilnehmen kann?

Andrea Hilger: Pandemiebedingt haben uns dafür entschieden, Führungen auf eine ganz andere Art durchzuführen – nämlich immer. Wir haben in den großen Sälen »art points« eingerichtet, wo unter Beachtung aller Abstandsregeln Kunstvermittler zur Verfügung stehen und innerhalb des jeweiligen Raumes mit dem Publikum agieren können. Für die Führungen müssen sich die Besucher also nicht extra anmelden und bezahlen, sondern es ist ein Angebot für alle.
Vielen Dank und viel Erfolg!

In der Robotronkantine stehen rund 3.500 Quadratmeter für die Biennale zur Verfügung. Dazu kommen als weitere Ausstellungsorte der Klärpark der Stadtentwässerung in Kaditz mit seinem historischen Erlwein-Gebäudeensemble, die Gedenkstätte Bautzner Straße sowie das Ostrale-Zentrum in Übigau, das nicht nur Basis und »Backstage« der Biennale sein soll, sondern zum einen auch lokalen Künstlern eine Plattform für Ausstellung und Projektentwicklung bieten. Zudem soll hier ein sozialer Raum für die Gemeinde Übigau sein, wo es einen Kinosalon gibt, wo Lesungen und künstlerische Workshops sowie ökologisch-nachhaltige Studentenprojekte veranstaltet werden. Im Garten findet »Das Zukunft Projekt« statt: Studenten der Kunsthochschulen Dresden und Wroclaw schaffen hier zusammen mit den Kindern des örtlichen Kinderhauses Sonnenschein einen Kunstgarten. Ostrale Biennale O21, Ausstellung vom 1. Juli bis 3. Oktober; mehr Infos und Tickets: www.ostrale.de

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