■ Am Ufer der Spree hat sich DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl mit Sänger Marco und Gitarrist Manuel getroffen, um über humanistische Schlachtrufe, Konflikte innerhalb der Band und Rio Reiser zu sprechen.
Wie muss man sich den Entstehungsprozess des neuen Albums in diesen Zeiten vorstellen?
Marco: Ein sehr konstantes Midtempo-Arbeiten. Das hat sich über zwei Jahre gezogen, eigentlich über die ganze Pandemie. Wir hätten ja keine Platte machen müssen, insofern habe ich sie sehr gerne gemacht. Die davor war für mich ein bisschen wie ein Kampf. Ich stand noch sehr unter dem Druck, diesem Columbo-Hype gerecht zu werden oder vielleicht sogar noch mal eins draufzusetzen. Daran bin ich für mich persönlich als Musiker und Texter kläglich gescheitert. Bei der neuen Platte hatte ich jetzt überhaupt keinen Druck.
Die Falco-Referenz zum Song »Rocking in Wien« wurde hinreichend besprochen. Marco, nun soll dich Herr Hölzel als Kind sogar geküsst haben. Wie kam es dazu?
Marco: Ja, tatsächlich. Mein Vater ist pensionierter Journalist. Er hat ihn damals zweimal interviewt. In dieser Entschlackungsphase, wo er monatelang nur mit Bademantel beim Entgiften herumgelaufen ist. Da ging es ihm eigentlich relativ gut. Beim ersten Mal hat er mich halt einfach zum Dreh mitgenommen. Da hat mich Falco dann auf die Stirn geküsst. Leider gibt es davon kein Foto.
Der Titel strahlt eine gewisse Internationalität aus. Ein Versuch, auch außerhalb des deutschsprachigen Raums anzudocken?
Marco: Ich rechne uns im Ausland null kommerzielle Möglichkeiten aus. Egal, wo wir spielen würden, hätten die Menschen sicher Spaß, mehr als 30 würden das aber wohl nicht sein. In Italien vielleicht noch am ehesten, da bin ich manchmal überrascht. Beim Videodreh von »Ciao Baby« waren wir auf Burano. Da war ein ganz alter Italiener mit seinem Bierchen. Der sieht mich und sagt dann »Hey Bologna, Wanda, Bologna.« Es hat mich überwältigt, dass uns auf so einer kleinen Insel ein ganz alter Opi kennt. Aber den Traum vom Internationalen haben wir nicht. Es ist schwierig genug, so was hier halbwegs zu händeln. Ich habe jetzt nicht die Ambitionen, im Ausland noch mal von vorne anzufangen. Lieber, das pflegen, was wir haben. In den letzten zehn Jahren ist viel passiert.
Hört man die zwölf neuen Songs, hat sich an Kompromisslosigkeit und gewohnter Thematik nichts geändert ...?
Marco: Das Album ist ein Dankeschön und Geschenk an unser Publikum. Wir wollten jetzt niemand mit irgendwas total Experimentellem überfordern. Das Konzept war von Anfang an, wieder eine klassische Wanda-Platte zu machen. Ist eh schwer genug, wieder herauszufinden, wie man eigentlich vor zehn Jahren gearbeitet und geschrieben hat.
Das Stück »Wir sind verloren« enthält mit »Halt dich an deiner Liebe fest« ein Rio-Reiser-Zitat. Wie kam es dazu?
Manuel: Ein großer Held von uns und sicher einer der allergrößten Songschreiber.
Marco: Ich bin als Teenager mal durch Deutschland getrampt und habe Ton Steine Scherben auf ihrem Bauernhof besucht. Heute wohnen die da nicht mehr, damals aber war auch sein Grab noch da.
Jetzt ist es in Berlin auf dem alten St.-Matthäus-Kirchhof an der Yorckstraße ... ?
Marco: Ja, genau. Damals bin ich weinend an seinem Grab gekniet. Habe gebetet: Rio, gib mir ein bisschen deines Talents ab, du brauchst es nicht mehr. Dann hat man mich die ganze Nacht auf seinem privaten Flügel spielen lassen. Das war sehr bewegend. Jetzt ist es die beste Zeile auf dem Album und ich habe sie nicht geschrieben. Einer der größten Sätze in deutscher Sprache überhaupt.
Bei welchem Song hast du das erste Mal gemerkt, da gelingt mir etwas, womit sich die Leute identifizieren können?
Marco: Ganz am Anfang schon, als es anfing, dass »Amore« als ein humanistischer Schlachtruf wahrgenommen wurde. Und dann gewinnt Rainald Goetz einen Literaturpreis und zitiert in seiner Dankesrede den Bologna-Text. Mir ist die Gänsehaut gekommen, wie er ihn da geehrt und für unsere Zeit als wichtig dargestellt hat. Mit dem Song wollte ich gar keinen Nerv treffen. Da gab’s ganz andere, wo mir die Botschaft viel, viel wichtiger war. Es bewegt mich bis heute, wie sich »Bologna« verselbständigt hat. Unfassbar eigentlich.
Bei Wanda ist nichts explizit politisch, auch nicht die Teilnahme am Benefizfestival »Stand with Ukraine«?
Marco: Es ist mir undenkbar, dass man es als etwas Politisches auffassen kann, wenn ein Land in ein anderes einfällt. Wie viel Fake News muss man sich ins Hirn ballern, dass man hier eine zweite Meinung hat? Das ist eine Tragödie und wir haben unsere Solidarität mit diesen Menschen ausgedrückt. Für mich persönlich ist das nicht politisch, sondern anständig. Ich möchte nicht mal beginnen, mich darauf einzulassen, dass sowas ein politisches Thema ist. Dann gewinnt sofort die Fake-News-Fraktion.
Manuel: Generell geben wir halt einfach keine Wahlempfehlungen ab. Geht`s hin und wählt, aber jeder was er meint, was das Richtige ist. Ich denke, die Werte, für die wir stehen, sind klar.
Das letzte Stück der Platte heißt »Eine Gang«. Euer eigenes kleines Freundschaftsbändchen?
Marco: Unsere Nationalhymne!
Inwiefern war der Weggang von Schlagzeuger Lukas im August 2020 ein Schlag für die Gang?
Marco: Kein Schlag, eher ein Erweckungsmoment, dass bei uns was falsch läuft. Mir hat es das Herz gebrochen, dass jemand sagt, er ist unglücklich mit dem, was man macht. Das hat gesessen und mich selbst reflektieren lassen. Am Ende hat es uns geholfen, einen Heilungsprozess zu starten, der sicher noch dauert. Hut ab auch vor der Art, wie Lukas das gemacht hat. Das war kein vorwurfsvoller, sondern ein sehr eleganter Ausstieg und hat mir einiges beigebracht. Wir hatten viele Probleme im Innern. Zwischenmenschlicher Art, aber auch persönliche, künstlerische und Lebenskrisen. Jetzt sind wir achtsamer als früher und haben gemerkt, wie wichtig die Arbeit am Beziehungsgefüge ist.
Manuel: Er hat gut auf den Zeitpunkt geachtet und keinen Druck gemacht. Wir hatten Zeit, mit Valentin jemanden nachzubesetzen, der schon bei Bandgründung mit uns gespielt hat. Heute sind wir in Kontakt, Lukas kam schon zu Konzerten: Wir haben uns umarmt, er hat im Publikum getanzt. Da gibt es keine verbrannte Erde.
Dieses Jahr ist zehnjähriges Wanda Jubiläum. Wie wird mit den Fans gefeiert?
Marco: Die ganze Zeit eigentlich.
Manuel: Wir stoßen mit den Songs an.
Wanda sind am 10. September 2022 live in der Jungen Garde zu erleben; mehr zur Band: www.wandamusik.com/