■ DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl hat sich bei Dennis Lyxzén nach dem Stand der Dinge erkundigt. Der Frontmann von Refused lebt in Umeå, im Norden Schwedens. Im Gespräch erzählt er, was ihm derzeit am meisten Sorgen bereitet und weshalb wir keine seiner Bands im Live-Stream erleben werden.
Womit vertreibst du dir die Zeit?
Dennis Lyxzén: Ich versuche kreativ zu sein. Zudem laufen die Arbeiten an einer neuen Refused-EP und ich habe noch ein anderes musikalisches Projekt in der Mache. Dann gibt es noch eine neue INVSN-Platte, die gerade gemastert wurde. Oft sortiere ich aber auch nur meine Plattensammlung und lese Bücher.
Klingt gar nicht so schlecht, oder?
Dennis Lyxzén: Es ist schon OK. Jetzt aber kommt langsam der Punkt, an dem ich meine Plattensammlung nicht noch einmal durchkämmen kann. Mir geht allmählich die Beschäftigung aus.
Notgedrungen geht der momentane Trend hin zu Auftritten via Stream. Was denkst du darüber?
Dennis Lyxzén: Momentan ist es einfach notwendig, das zu tun. Ich habe selbst gerade erst ein Gespräch mit einer Freundin geführt. Sie macht Interviews via Instagram. Generell sind Streams zwar kein wirklicher Ersatz für Live-Musik, Leute, die Musik mögen, haben so aber die Möglichkeit, ihre Lieblingsbands zu unterstützen.
Wurdet ihr als Band schon angefragt?
Dennis Lyxzén: Vor kurzem gab es hier in Umeå ein kleines Festival. Verschiedene Acts spielten in einem leeren Raum. Es wurde live übertragen und man konnte synchron spenden. Eine coole Sache. Die Mitglieder von Refused aber sind über ganz Schweden verteilt. Auch bei INVSN lebt die eine Hälfte der Band in Stockholm, die andere hier. Das geht also nicht.
Was sind deine größten Befürchtungen in Bezug auf Covid-19?
Dennis Lyxzén: Global ist meine größte Sorge, dass sich die Pandemie weiter ausbreitet, immer mehr Menschen davon betroffen sind und daran sterben. Was den wirtschaftlichen Nachhall angeht, so bin ich nicht wirklich beunruhigt, aber sowieso auch kein Anhänger des momentanen ökonomisches Systems. Wenn all das vorbei ist, sehe ich eine kleine Chance, eine andere Art des Denkens über die Wirtschaft und die Welt an sich in Gang zu bringen.
Und in Bezug auf die Kulturlandschaft?
Dennis Lyxzén: Die größte Angst in künstlerischer und musikalischer Hinsicht ist natürlich, dass viele Bands Probleme bekommen. Die meisten, welche die Art von Musik spielen, die ich mag, leben von der Hand in den Mund. Wenn das so weitergeht, werden viele dieser Bands nicht mehr in der Lage sein, Musik zu machen – was traurig wäre. Auch viele Clubs und Festivals werden vielleicht gezwungen sein, den Laden dichtzumachen.
Eine Situation mit langwierigen Folgen?
Dennis Lyxzén: Genau. Allein schon die Aussicht, dass diesen Sommer gar nichts passiert, alles geschlossen und jeder im nächsten Jahr auftreten wird, bedeutet ja, dass dann auf einen Schlag viele Bands auf Tour gehen werden. Das ist durchaus heikel.
Inwiefern?
Dennis Lyxzén: Selbst Clubs, die das überleben, buchen nicht unbedingt jeden Abend Shows. Wenn alle auf einmal wieder auf Tour sind, wird es umso schwieriger zu planen. Die Kapazitäten sind einfach begrenzt. Alles in allem eine Menge Dinge, die in Zukunft ziemlich problematisch sein könnten. Aber es ist noch zu früh, um genau zu sagen, wie alles ablaufen wird.
Der schwedische Weg im Umgang mit dem Coronavirus gilt als weniger restriktiv, wird dafür aber auch oft kritisiert. Wie siehst du das?
Dennis Lyxzén: Abgesehen von Stockholm geht es Schweden eher gut. Wo ich wohne, hatten wir wenige Menschen, die von Covid-19 betroffen waren oder deswegen ins Krankenhaus mussten. Es ist schwer zu sagen, ob die schwedische Taktik funktionieren oder es ein kompliziertes Fiasko geben wird.
Die anstehende Tour ist passé?
Dennis Lyxzén: Es wird wohl nicht alles abgesagt, aber ich sehe diesen Sommer nicht viel passieren. Für uns standen bald sieben Tage in Europa an. Wir wollten »Rock am Ring« und »Rock im Park« spielen und haben die Show in Dresden dazwischen gebucht. Sind diese beiden großen Festivals abgesagt, fällt auch alles andere weg. Es hat keinen Sinn, nur für eine mittelgroße Show nach Dresden zu kommen. Auch wenn es sicher eine Menge Spaß machen würde, wäre es für uns am Ende eine finanzielle Katastrophe.
Das Dresdner Konzert von Refused war für den 6. Juni in der Scheune angesetzt.