■ Ende Mai wurde die Dauerausstellung »Mut zur Freiheit!« in der Gedenkstätte Bautzner Straße eröffnet. DRESDNER-Autorin Lucille Engelhard hat mit dem Kuratoren-Team über die Herausforderungen bei der Neugestaltung der Ausstellung und die besondere Wirkung des Ortes gesprochen.
Was hat sich an der Gedenkstätte verändert?
Franz-Joseph Hille: Neu ist die Erschließung des Foyers, das vorher lediglich als Eingangsbereich diente. Auch der Saal hat sich in seiner Form verändert, indem er mit Inhalten gefüllt wurde. Weitere Räume, wie der Vorführraum, sind erstmals für Besucher zugänglich. Die dritte Etage wurde mit einer neuen Ausstellung bestellt.
Ulrike Rüdiger-Gärtner: Zudem ist nun ein strukturierter Rundgang möglich, der sowohl alle historischen Räume mit einfasst als auch verschiedene Zeitebenen eröffnet.
Uljana Sieber: Wir haben es geschafft, die historischen Räume mit der Seite der Verantwortlichen zu verbinden und in Interaktion zu setzen. Außerdem ist die Ausstellung das erste Mal zweisprachig in Deutsch und Englisch. Die Haupttexte werden auch in weiteren Sprachen zur Verfügung gestellt.
Welche Herausforderungen gab es bei der Neugestaltung?
Ulrike Rüdiger-Gärtner: Neben den neuen Räumen sind über 200 Objekte hinzugekommen, zum Beispiel Akten, die wir in verschiedener Form mit eingebracht haben. Und wir haben jetzt diesen ganz neuen Rundgang. Vorher ist man schon daran gescheitert, dass man gar nicht »rund« gehen konnte. Das liegt natürlich daran, dass die Räume historisch so sind, wie sie sind und sich nicht so entwickelt haben, wie wir das gerne hätten für den Rundgang. Es gibt jetzt aber eine konsequente, dramaturgische Linie, die eine Erzählung möglich macht und die Besucher mitnimmt.
Besucher verbringen in der Regel nur eine begrenzte Zeit in der Gedenkstätte. Was macht das mit einem, sich über lange Zeit mit einem solchen Ort zu beschäftigen?
Uljana Sieber: Ich erinnere mich noch, als ich zum ersten Mal in das Hafthaus ging, hat es mich innerlich umgeworfen. Inzwischen ist das nicht mehr so, der Zugang wird ein anderer. Du achtest mehr auf die Details und schaust mehr in die Tiefe. Was macht das mit den Menschen? Was passiert durch Menschen mit Menschen? Deshalb erzählen wir auch die Alltagsebene mit. Denn auf dieser Ebene ist alles passiert: die Spionage, das Vertrauen, der Verrat. Wenn man das nicht zeigt, wird man nicht verstehen, wie Diktaturen funktionieren.
Franz-Joseph Hille: Ich bin seit über zehn Jahren für verschiedene Projekte im Stasi-Archiv zugange. Und da ist es das, was mich auch immer interessiert: Das nachzuvollziehen, wie es funktioniert hat. Vielleicht ist das die »Erkenntnis durch Erinnerung«. Dass wir verstehen, warum und durch welches Handeln, Strukturen und Umstände das möglich war.
Ulrike Rüdiger-Gärtner: Dieser Ort hat eine unglaubliche Kraft. Auch wenn sich über die Jahre viel verändert hat, gibt es dieses Gefühl, an einem Ort zu sein, wo die Dinge so kulminieren, dass sie fast körperlich und erfahrbar werden. Man darf auch die psychologische Langzeitwirkung dieses Hauses nicht unterschätzen. Bei den Zeitzeugen-Interviews sieht man immer wieder, wie stark die Wirkung dessen, was dort passiert ist, noch ist. Es gibt keinen Menschen, der ohne Wirkung durch dieses Haus gegangen ist. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.
Gibt es denn Nachwirkungen, die ihr euch bei den Besuchern erhofft?
Uljana Sieber: Mir persönlich ist die Erzählung der friedlichen Revolution besonders wichtig. In dieser Zeit sind die Menschen so miteinander umgegangen, dass die Grundwerte unserer Verfassung auf der Straße gelebt wurden und das hat einen sehr guten Bezug in die heutige Zeit, ohne dass man jetzt ein Ausrufezeichen hinter Erinnerungs- und Bildungsarbeit setzen muss. Die Begriffe »Denken, Erinnern, Begegnen« stehen für das, was sich die Gedenkstätte als Aufgabe setzt. Sie stellen das menschliche Handeln und die Selbstbefragung in den Mittelpunkt. Das ist das, was wir erreichen wollen. Dass die Besucher sich fragen: Wie hätte ich gehandelt?
Ulrike Rüdiger-Gärtner: Damit soll auch ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie viel wir bereit sind für unsere Grundrechte zu tun. Man merkt, man muss aktiv sein und bereit sein, auf die Straße zu gehen und die eigenen Grundrechte wahrnehmen, um den Erhalt dieser Demokratie überhaupt möglich zu machen. Der Titel »Mut zur Freiheit« trifft das gut. Die Frage ist, wie mutig stehen wir zu den Unrechten und was sind wir bereit dagegen zu tun.
Franz-Josef Hille: Und das betrifft im Grunde nur die ursprüngliche Perspektive der Gedenkstätte, die der Betroffenen. Um die Entstehung einer Diktatur zu verstehen, muss man auch die Seite der Verantwortlichen miteinbeziehen. Ich glaube, der Verweis darauf, dass unsere Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist, ist wichtig, aber bereits zu einer Phrase verkommen, die man gar nicht so greifen kann, da man es immer wieder hört. Deshalb muss man greifbar machen, was es wirklich bedeutet.
»Mut zur Freiheit! Verfolgung und Widerstehen in der kommunistischen Diktatur« in der Gedenkstätte Bautzner Straße, tgl. von 10–18 Uhr geöffnet. Mehr dazu unter www.bautzner-strasse-dresden.de/