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Ende der Auszeit – Sportfreunde Stiller im Interview
Sportfreunde Stiller im Interview
■ Alles neu macht der Mai, dachten sich wohl auch die Sportfreunde Stiller und so meldet sich das Trio Ende des Monats mit neuem Album zurück. »New York, Rio, Rosenheim« wird die seit vier Jahren erste Veröffentlichung der Sportis heißen und die darauf enthaltenen zwölf Songs haben dem ersten Eindruck nach durchaus das Zeug, jegliche fanseitige Verstimmungen ob der langen Wartezeit wegzublasen. DRESDNER-Autor Ben Dominik traf die Herrn Brugger, Linhof und Weber schon mal vorab im Hinterzimmer eines Berliner Hotels, um sich mit ihnen über Erfolgsdruck und unerwarteten Geldregen auf der Bühne zu unterhalten.

Die erste Single der neuen Platte heißt »Applaus Applaus«. Beklatscht ihr damit selbst auch die Tatsache, dass ihr nach vier Jahren wieder mit einem neuen Album am Start seid?

Flo: Das ist eine sehr schöne Interpretation. Das Lied ist kein reines Liebeslied, sondern vielseitig anwendbar. Man kann es seinem Bruder, seinem Vater und seinen Verwandten genauso vorspielen, wie seiner Liebsten. Ich will das daher so annehmen und möchte mich hier und jetzt vor meinen Freunden verneigen, mit denen ich zusammen Musik mache. (An dieser Stelle schüttelt Flo seinen beiden Bandkollegen Peter und Rüde die Hände. Peter applaudiert dabei. Anm. d. Red.)

Ein weiteres, neues Stück trägt den prägnanten Titel »Wieder kein Hit«. Wie groß war der Druck im Anschluss an frühere Erfolge eben diesen zu liefern?

Peter: Es ist immer ein gewisser Anspruch da, den wir an uns selber stellen. Dabei kann man nicht verhindern, dass gelegentlich auch Erfolgsgedanken aufkommen. Ich habe aber gemerkt, dass in Momenten, in denen solche Gedanken im Rahmen eines kreativen Prozesses aufkommen, sofort auch Druck da ist. Das kann man so aber nicht machen. Man kann nicht Musik machen und dabei den Gedanken im Hinterkopf haben, dass ein Erfolg herausspringen muss.

Der Entstehungsprozess der Platte fiel in die Zeit der Krise. Inwiefern beeinflusste es euch dabei, ständig von schlechten Nachrichten umringt zu sein?

Rüde: Zweifel sind natürlich immer auch ein Antrieb etwas zu machen und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. In den letzten Jahren hatte ich persönlich das Gefühl, dass der Angstpegel und der Druck innerhalb der Gesellschaft immer mehr steigt, dass man Probleme immer schwieriger formulieren kann und Ursachen immer schwerer findet. Das Ganze braut sich dann phasenweise zu einem Angstgefühl zusammen. Mich kotzt das an. Ich merke ja auch selbst immer wieder, dass ich mit meinen Gedanken auf diese Angstthemen Bezug nehme. Dann dreh ich mich um, es ist wieder ein Jahr vergangen und ich habe wieder ein Jahr lang Zeit mit so einer Scheiße verschwendet. Wenn man aber irgendetwas schaffen will, muss man sich freuen, nach vorne schauen und positiv sein. Erst dann bekommt man die Kraft und den Mut irgendetwas zu bewegen. Daher muss ich mir immer wieder selbst sagen: »Hey, jetzt lass dir davon deine Laune nicht verderben.« Es stimmt daher schon, dass diese Zeit in irgendeiner Form auch Einfluss auf das Album hatte, auch wenn ich den direkten Einfluss so nicht erkenne, außer vielleicht bei Textzeilen wie »Sie schüren Angst und Frust«.

Wie wichtig ist für euch München und vielleicht auch Bayern als Inspiration – im Positiven, wie vielleicht auch im Negativen?

Flo: In erster Linie ist es Heimat, auch wenn dieser Begriff behaftet ist. Würden wir in Münster aufgewachsen sein, dann wäre das halt unser Rückkehrpunkt. Ich habe kein Bedürfnis, das aufzugeben und nach Berlin zu ziehen. Ich habe mich da immer schon wohl gefühlt. Ich bin bei meiner Oma nostalgisch und traditionell aufgezogen worden und habe auch ein sehr tiefes Verhältnis zum Dialekt, wie man bei mir ja noch mehr hört als bei Peter. Deswegen will ich nirgends anders sein als bei meinen Liebsten und die sind in München.

Heino hat auf seiner letzten Platte ja unter anderem auch euer Stück »Ein Kompliment« gecovert. Wie steht ihr dazu?

Peter: Als da dieser Rockerkrieg mal kurz auf Seite eins einer großen Zeitung stand, haben wir uns ganz bewusst nicht dazu geäußert, weil wir bei diesem Hype nicht mitmachen wollten. Deswegen wollen wir auch jetzt nicht darüber sprechen.

17 Jahre Sportfreunde Stiller: Was war in dieser Zeit das Größte, was der absolute Tiefpunkt für euch?

Peter: Sich da auf eines festzulegen ist eine fiese Aufgabe und nicht leicht.
Rüde: Es gibt immer wieder diese Momente der fassungslosen Überraschung, wie etwa beim Bizarre-Festival. Ich glaube, das war 2000 oder 2001. Wir hatten einen Slot für nachts um drei, halb vier bekommen und haben uns gefreut, dass wir überhaupt auf dem Bizarre spielen dürfen. Hauptsache Bizarre steht irgendwie auf unserem Tour-Plan. Als wir dann auf die Bühne kamen, fanden wir eine rappelvolle Halle mit vielleicht 8.000 Leuten vor, die zu unserem Sound völlig ausgezuckt sind. Das sind Momente, in denen man sich denkt, das ganze Leben hat sich jetzt gelohnt.
Flo: Bei einem gemeinsamen Foto mit Pelé bumbert das Herz schon auch. Das war ein Riesenmoment, einer den man einfach nicht vergisst. Bei schlimmen Momenten muss ich immer an ein Festival denken, bei dem sie uns mit Münzen beschmissen haben.
Peter: Das war das Nuke Festival.
Flo: Ich habe selten einen so schlechten Auftritt hingelegt. Dann kam auch noch ein Bierbecher auf mein kleines Keyboard geflogen. Ich meinte dann: »Hey, das zahlt ihr mir aber!« Dann flogen die Münzen erst richtig. Danach standen wir dann hinter der Bühne an einer Plane, mit welcher der Backstage abgespannt war, als ich hörte, wie jemand von der anderen Seite gegen die Plane schifft und unten die Pisse auf unsere Instrumente zuläuft. Das war so ein Moment, den ich weit unten ansiedeln würde.
Vielen Dank für das Gespräch!

Die Sportfreunde Stiller spielen am 26. Mai mit Patrick Richardt als special guest im Alten Schlachthof, das Konzert ist bereits ausverkauft. Copyright Foto: Gerald von Forisbig; www.sportfreunde-stiller.de

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