■ Hop oder top. So oder zumindest so ähnlich sahen sie aus, die Optionen, die es für die Fünfer-Bande aus Chemnitz geben sollte. Werden sie ihre Klasse halten können oder verschwinden sie mit der zweiten Platte via Einbahnstraße in einem Tal namens Bedeutungslosigkeit? Dass sie mit ihrem neuen, »In Schwarz« betitelten Werk eindrucksvoll ersteres unter Beweis stellen und dabei sogar die höchsten Erwartungen lautstark hinter sich lassen, ist bemerkenswert. Woher sie die Ideen für ihre Songs nehmen, warum es egal ist, ob eine Stadt schön oder hässlich ist und wie man fünfzehn Freunde auf eine Echo-Aftershow-Party schmuggelt, haben Frontmann Felix und Gitarrist Steffen DRESNER-Autor Matthias Hufnagl vor kurzem bei Kaffee und Wasser im Hinterzimmer einer Kreuzberger Bar verraten.
Im letzten Interview bezeichnete Felix Chemnitz als hässlichste Stadt der Welt. Wie verhält sich das heute?
Steffen: Vielleicht hässlich, aber ein netter Mensch. Schließlich kommt es auf die inneren Werte an.
Felix: Die Frage ist ja, ob eine Stadt hübsch sein muss. Als Dresdner hat man da natürlich einen hohen Anspruch. Wenn Chemnitz eine hässliche Stadt ist, dann ist Dresden nun wirklich eine schöne Stadt. Sehr sehr hübsch, aber in Chemnitz hat man dafür eine ganze Menge Platz und Möglichkeiten. Ich finde es daher zweitrangig, ob eine Stadt hübsch ist. Kein Disrespect, aber ich brauche keine Elbwiesen und die Semperoper. Ich will lieber große, leere Fabrikhallen. Damit kann ich mehr anfangen. Hässlich als Bezeichnung für eine Stadt finde ich daher nicht schlimm. Eine Stadt ist ja kein Mädchen.
Steffen: Die Stadt hat aber auch ein paar hübsche Ecken.
Warum heißt die neue Platte »In Schwarz«?
Steffen: Für uns war lange klar, dass wir das zweite Album so nennen werden. Schon auf dem ersten Album sagen wir im Song »Zu jung«: »Wir sind zurück in Schwarz«. Wir fanden es ganz lustig, das Album jetzt auch so zu nennen.
War die Kampagne zum Album mit einer fiktiven Band namens In Schwarz eure Idee, oder die eines klugen Menschen, der für euch arbeitet?
Felix: Das setzt ja voraus, dass wir keine klugen Männer sind. Nein, es war tatsächlich unsere Idee. Das dann als Kampagne für das Album zu machen, darauf mussten wir erst gestoßen werden. Wir hatten einfach nur die lustige Idee, eine Fake-Band zu machen. Wir haben glücklicherweise Leute, die auf die Idee kommen, dies dann mit dem ohnehin fertigen Album zu verbinden. Ursprünglich war da nur die Idee, Musikjournalisten zu veräppeln – ein kleiner Schabernack, den wir uns leisten wollten.
Jetzt habt ihr aber nicht nur uns Journalisten, sondern irgendwie auch eure Fans verarscht. Schließlich meinten viele, euch im Video hinter den schwarzen Masken zu erkennen, oder?
Steffen: Was lustig war, da wir im Video ja gar nicht vorkamen. Trotzdem waren viele Leute der Meinung, uns oder auch andere darin zu entdecken. Zum Beispiel wurde auch Tarek von K.I.Z. am Schlagzeug ausgemacht. Das fand der sehr lustig.
Felix: Viele Leute haben im Nachhinein behauptet, sie hätten uns eh schon erkannt. Da konnten wir dann sagen: »Aha, doppelt veräppelt, wir haben überhaupt nicht in dem Video mitgespielt.«
Die erste Auskopplung »Unsere Fans« lässt die Vermutung aufkommen, ihr würdet euren Fans durchaus einen Sinn für Ironie und Sarkasmus zusprechen.
Felix: Wir trauen ihnen das zu und wir halten unsere Fans für schlau.Wir glauben nicht, dass unsere Fans doof sind und das nicht verstehen können.
Trotzdem weist ihr durch den Song ja scheinbar alles von euch – oder stellt ihr manchmal selbstkritisch fest, dass manches gar nicht so weit hergeholt ist?
Felix: Klar leistet man sich Bequemlichkeit. Sobald wir konnten, sind wir im Nightliner auf Tour gefahren. Es hat einfach genervt, wenn man bei sieben Stunden auf der Autobahn versucht hat, sich mit einem Pullover so an die Scheibe zu lehnen, damit man den Kopf bequem ablegen konnte, um noch eine Mütze Schlaf abzubekommen. Das kann man uns natürlich als Abgehobenheit auslegen, das ist uns dann aber auch egal. So können wir über Nacht pennen und sind am nächsten Tag in der Stadt. Es ist sehr schön, so zu reisen.
Stichwort Tour: wie gut hat das vorgelagerte, exzessive Live-Spielen den Stücken auf dem neuen Album getan?
Steffen: Das hat uns viel gebracht. Ich glaube, man merkt es dem Album auch an, dass wir zwei Jahre durchgespielt haben und man musikalisch so eine Schippe draufsetzen konnte.
Felix: Wir sind dadurch, dass wir sehr, sehr, sehr viel gespielt haben, auch selbstbewusster ans Musik machen und an die Platte herangegangen. Wir haben uns immer schon mehr als Live-Band, als als Radio-Band gesehen. Wenn das Album rauskommt und es ist keine Radiosingle drauf, werden wir davon auch nicht untergehen. Ich glaube zu wissen, dass diese Songs live funktionieren werden und dass wir die nächsten zwei Jahre sehr viel Spaß haben werden, sie zu spielen.
Das Album macht thematisch den Anschein auf drei Säulen zu stehen: Beziehung generell, die Beziehung zu Frauen und Freunden, sowie zur Gesellschaft. Klingt fast nach Konzept?
Felix: Es ist lustig, denn dieser Konzeptgedanke taucht immer mal wieder auf. Mittlerweile so oft, dass ich schon überlege, ob wir nicht einfach behaupten sollten, dass dem so ist.
Steffen: Also, wir hatten die Idee mit den drei Säulen.
Felix: Die Themen haben wir wie schon beim alten Album aus unserem Umfeld geschöpft. Ein paar Prozent aus dem eigenen Leben, ein paar Prozent aus dem Leben von Steffen und dann halt die restlichen 70 aus unserem Umfeld. Dafür brauchten wir Zeit. Zeit, sich wieder mit Kumpels zu treffen, um über Sachen zu reden, die nichts mit Kraftklub zu tun haben. Sich nicht nur mit den Kumpels zu treffen, wenn man in der Stadt spielt und es kostenlosen Alkohol gibt, sondern auch mal wieder einen Abend lang in der Küche sitzen und quatschen. Daraus ist dann relativ viel fürs Album entstanden.
Was liebt ihr andererseits an der »roten Teppich-Welt«?
Felix: Der schöne Aspekt an VIP-Musik-Partys bei denen alles kostenlos ist, ist, wenn man es schafft, seine Kumpels reinzuschleusen. Wir hatten eine grandiose Nacht auf der Echo-Aftershow-Party, wo wir es mit wildem Bändchen-hin-und-her-Tauschereien geschafft hatten, 15 Freunde von uns reinzuschleusen. Das war ein rauschendes Fest. Eine glitzernde Nacht. Großartig.
Steffen: Da ist es ja wie im Schlaraffenland. 15 Bars, an denen es jeweils was anderes gibt. In Kombination mit den eigenen Freunden ist das aber natürlich tausend mal schöner.
Felix: Wenn man sich in diesem Umfeld dann mit normalen Menschen unterhalten kann und nicht mit irgendwelchen zugekoksten Spinnern, die dir die ganze Zeit nur sagen, dass du geil bist, weil sie hören wollen, dass sie geil sind.
Bevor Kraftklub im kommenden Februar auf Hallentour gehen, sind sie auf einer Clubtour zu erleben, die sie am 18. Oktober in den (leider bereits ausverkauften) Beatpol führt; Mehr zur Band: www.kraftklub.to