■ Zur Band aus Ibbenbüren hat DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl ein ganz besonderes Verhältnis. Hat er die Donots doch anno 1999 zusammen mit Freunden zum ersten Mal nach Dresden geholt. Damals in die Scheune, zusammen mit den Beatsteaks. Zum 30-jährigen Bandjubiläum spielen die Punkrocker nun zwei Shows in der GrooveStation. Zeit für ein Gespräch mit Frontmann Ingo Knollmann über deutsche Texte, Gentrifizierung und Sprünge vom Balkon.
Was kann Punk heutzutage noch anbieten?
Donots: Das unmittelbare Gemeinschaftsgefühl. Leute aus verschiedensten Richtungen für eine gute Sache zusammenzubringen, um etwas Hartes, Schnelles, Intensives aufzusaugen und bestenfalls weiterzutragen. Diese Art von Rezeption hast du nicht, wenn du in einem Museum vor einem Bild stehst. Wenn bei einer Show meiner Lieblingsbands die Lichter ausgehen, hauen mir die ersten Akkorde immer noch genauso in die Fresse, wie damals, als ich mit zwölf auf meinem ersten Konzert der Toten Hosen war. Ein Gefühl, das einfach nicht alt wird.
30 Jahre Donots: Was kommt dir rückblickend als besonders gute, was als eher schlechte Erinnerung in den Sinn?
Donots: Richtig gut sind die magischen »First time Momente«. Das erste Mal in Japan zu spielen, oder unsere USA-Tour über einen ganzen Monat. Da sind die großen Träume in Erfüllung gegangen. Was schlechte Erinnerungen angeht, ist es im Nachgang natürlich eine Scheißzeit gewesen, als ich Anfang der Nullerjahre Angststörungen entwickelte. Am Ende hat mich aber auch das zu der Person gemacht, die ich heutzutage bin – breitschultriger und mit mehr Selbstvertrauen.
Anfang der 2000er war das Thema »Mental Health« bei weitem noch nicht so enttabuisiert wie heute. War es damals unmöglich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Donots: Ich glaube nicht, dass es unmöglich gewesen wäre. Ich musste einfach erstmal selbst damit klarkommen. Damals habe ich es schon als Niederlage empfunden, zur Gesprächstherapie zu gehen. Die Woche vor der ersten Japan-Tour musste ich zum Arzt, um mir Benzos, also Psychopharmaka verschreiben zu lassen, damit ich gut für den anstehenden Interkontinentalflug aufgestellt bin. Erst im Nachgang wurde mir klar, dass das völlig OK ist. Wenn man sich umhört, merkt man schnell, dass wirklich viele ein Päckchen zu tragen haben. Ich fände es sinnvoll, wenn die Krankenkassen, oder eine Regierung vorschreiben würden, dass man alle halbe Jahre kurz zum Therapeuten oder zur Therapeutin geht, um sich freizuquatschen. Da würde es vielen Leuten um einiges besser gehen.
Als Band habt ihr euch mehrfach neu erfunden, zuletzt 2015, als zur »Karacho«-Platte entschieden wurde, komplett auf Deutsch zu singen. Wie groß war da die Fallhöhe?
Donots: Wir haben es über die Jahre oft angetragen bekommen, auch mal ein deutsches Album zu machen. Das fühlte sich fast schon an wie eine Auftragsarbeit. Schon allein deswegen wollten wir das erst mal nicht machen. Wenn schon, dann mit Motivation aus der Hüfte und weil es uns gerade Bock macht. Als wir das deutsche Album dann schließlich rausbrachten, haben wir es vorab Promotern sowie Freundinnen und Freunden vorgespielt – mit durchweg positiven Reaktionen. So à la: »Was für ein tolles Album, aber warum hat es 25 Jahre gedauert, bis ihr endlich macht, was wir immer hören wollten?« Natürlich gab es auch Stimmen, die mit dem Englischen mehr warm geworden sind, als mit deutschen Texten. Das Gros der Leute hat es aber total mitgetragen. Seitdem ist für uns alles noch mal viel größer geworden. Irgendwie also doch die richtige Entscheidung.
Du hast mittlerweile Familie, bist Vater von zwei Kindern. Holst du dir da ein familiäres »Go«, bevor du beim Konzert wieder von einem Balkon oder einer Balustrade springst?
Donots: Ich bin keine 20 mehr und jenseits der 40 hat man ja per se Rücken. Trotzdem kann ich es nicht lassen. Im Moment, wo ich springe, steht das auch schon bei Insta live. Dann kriege ich sowohl von meiner Ehefrau, als auch Mama und meiner Tochter ordentlich Lack dafür. So nach dem Motto: »Spinnst du eigentlich? Wir pflegen dich nicht.« Wenn ich aber auf der Bühne bin, lebe ich im Moment und kriege das einfach nicht ausgeschaltet.
Im Rahmen der Mini-Slams spielt ihr neben der GrooveStation und anderen Clubs, auch im Hamburger Molotow. Ein legendärer Club, der auf dem Kiez einem Hotelneubau weichen soll. Besorgt euch die Verdrängung solcher Kulturstätten und deren teilweise geringe Wertschätzung?
Donots: Ja, schon. Wobei es in der Post-Corona-Welt noch mal viel evidenter wird. Gerade für Leute wie uns, die auf Shows gehen und denen diese Schnittstellen aus Begegnung, Erfahrung und kultureller Bereicherung die Welt bedeuten. In der Realität ist Gentrifizierung überall, und das auch immer krasser. Wenn ich hier in Köln am ehemaligen Heliosgelände vorbeigehe, wo früher das Underground (Anm.d.Red.: legendärer Club in Köln-Ehrenfeld, der 2017 abgerissen wurde) war, dann sieht man die andere Seite des Geländes nicht mehr, weil alles mit zehnstöckigen Hochhäusern zugebaut ist. Für mich ein Sinnbild dessen, wie traurig man eine Jugend zerbauen kann.
Die Erlöse der Single »Willkommen Zuhaus« gingen 2020 an das Anti-Nazi-Festival »Jamel rockt den Förster«. Zudem unterstützt ihr die Jugend-Initiative »Kein Bock auf Nazis«. Wie siehst du die derzeitigen Massenproteste gegen AfD und rechte Hetze?
Donots: Das macht mich zumindest insoweit glücklich, als es nie genug Menschen sein können. Es ist schön, wieder eine Rückversicherung zu bekommen, dass wir mehr sind. Gleichwohl hoffe ich sehr, dass das jetzt kein Demo-Tourismus, oder eine Feelgood-Antifa ist. Jetzt kommt es wirklich darauf an, jetzt muss gegrindet werden. Das wird sicher auch wieder abebben, aber wenn man auf die Umfragewerte schaut, hat die AfD schon ein paar Prozentpunkte verloren. Das zeigt, dass auf die Straße gehen und sich in die Kälte stellen, auch was bringen kann.
30 Jahre, 12 Alben – Wie wählt ihr da gerade für die kleineren Shows die Setlist aus?
Donots: Deswegen spielen wir jeweils zwei Abende hintereinander. Ganz einfach, um der englischen Phase genauso Tribut zu zollen, wie auch der deutschen Phase den Teppich auszurollen. Trotzdem ist es nicht leicht. Es gibt klassische Songs, die in jeder Setlist drin sein müssen. Dass man »So long«, »Wake the Dogs«, »Calling« oder »Dead Man Walking« spielt, ist klar. Wir wollen aber auch ganz gerne ein paar neue Stücke spielen. So wird das Nadelöhr mit jeder Platte ein bisschen kleiner. Am Ende des Tages achten wir auf einen sinnvollen Spannungsbogen. Die Setlist soll ein Querschnitt sein und sich nicht nach Dienst nach Vorschrift anfühlen.
Donots sind auf ihrer 30-jährigen Jubiläumstour am 22. und 23. März 2024 in der GrooveStation zu erleben; mehr zur Band unter www.donots.com/