■ Die Synth-Rocker von Depeche Mode beschäftigen sich in ihrem 14. Studioalbum »Spirit« mit dem Zustand des Planeten und insbesondere der Spezies Mensch. Diese befindet sich ihrer Meinung nach in der Rückentwicklung. Es ist das wohl düsterste und unkommerziellste Album, das die Band um Martin Gore und Dave Gahan je gemacht hat. Die Schlüsselzeile der überraschend politischen Platte lautet »Where is the revolution?« Sänger Gahan jagt dem Hörer einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken und Gores Musik bewegt sich zwischen Blues, Folk, Twang-Gitarren, energetischen Elektro-Rhythmen und bittersüßen Melodien. Mit Hauptsongschreiber Gore sprach für DRESDNER Kulturmagazin Olaf Neumann.
Dave Gahans Tochter Stella Rose soll bitter geweint haben, als sie von Donald Trumps Sieg erfuhr. Haben Ihre Kinder Sie letztlich dazu gebracht, ein politisches Album zu machen?
Martin Gore: Es wäre ein Verbrechen gewesen, die Geschehnisse der letzten Zeit zu ignorieren. Die Menschlichkeit ist vom Kurs abgekommen. Wir Menschen müssen wieder auf den spirituellen Pfad zurückfinden. Die Entscheidungen, die im Moment getroffen werden, wirken auf mich wie fehlgeleitet.
Die Songs drehen sich um Fanatiker und Führer, die auf einem falschen Weg sind. Welche Botschaft hat das Album?
Martin Gore: Mir geht es darum, nach dem zu fragen, was da draußen gerade passiert. Und vielleicht bringe ich den ein oder anderen Hörer ja dazu, sich einmal selbst diese Fragen zu stellen.
Was wünschen Sie sich persönlich?
Martin Gore: Je enger die Menschen zusammenrücken und die Welt zu einer Gemeinschaft wird, desto besser. Ich weiß, das klingt jetzt nach Idylle. Aber eine globale Welt ist eine sicherere Welt. Der wachsende Populismus, wohin man schaut, macht mir Sorgen. Das ist völlig irre. Der Brexit war für mich ein Schock. Und es wird wohl so weitergehn.
Warum schimpfen Sie auf Politiker?
Martin Gore: Das tue ich ja gar nicht wirklich. Ich bin eher enttäuscht von Politikern. Wir haben kein Politalbum gemacht, aber Songs, die bestimmte Fragen stellen. Und vielleicht bringen wir den ein oder anderen Hörer dazu, sich gesellschaftlich einzubringen und die Welt ein kleines bisschen zu verbessern.
Sie leben seit Jahren in Amerika. Was bedeutet Ihnen als Brite Europa?
Martin Gore: Ich lebe in Kalifornien, das ist richtig, aber ich betrachte mich als Europäer. Ich sage wohlweißlich Europäer und nicht Engländer. Vielleicht kann ich mich aber nicht mehr lange als Europäer bezeichnen.
Sie sind reich und berühmt. Gehören Sie trotzdem zum Anti-Establishment?
Martin Gore: Sie meinen, ob ich auch gegen Trump demonstrieren werde? Ich habe eine kleine Tochter und meine Frau ist gerade wieder schwanger. Im Moment kann ich nicht mit auf die Straße gehen, aber wenn es so weiterläuft, werde ich mich den Protesten selbstverständlich anschließen.
Warum haben Sie eigentlich die Zusammenarbeit mit dem Starproduzenten Ben Hillier beendet? Immerhin hat er Ihnen drei Nr.-1-Album beschert?
Martin Gore: Mit Ben Hillier hatten wir eine extrem kreative Phase. Wir wollten aber, dass im Studio ein neuer, frischer Wind weht. James Ford ist es gelungen, einen gänzlich anders gearteten Sound zu kreieren. Das ist konstruktiver als bis zum jüngsten Tag mit Ben Hillier weiterzuarbeiten.
Depeche Mode spielen derzeit in etlichen deutschen Städten auf. Müssen wir uns auf Schwermut einstellen?
Martin Gore: Von uns gibt es auch viele Gute-Laune-Lieder und lebensbejahende Songs. Wer zu unseren Konzerten kommt, den erwartet eine große Party. Wir machen gerade die Erfahrung, dass selbst ein kritischer Song wie »Where's The Revolution?« beim Publikum sehr gut ankommt.
Depeche Mode spielen am 7. Juni live in der Flutrinne (Festwiese) im Ostragehege; mehr zur Band: www.depechemode.de