■ Kann Kunst etwas bewirken? Ja, ist Dr. Marion Ackermann überzeugt. Dauert aber. DRESDNER-Redakteur André Hennig hat mit der neuen Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gesprochen.
Ihre Vorgänger sind beide nach London gewechselt, einer davon nach nur vier Jahren. Wie lange bleiben Sie Dresden erhalten?
Marion Ackermann: (lacht) Mein Lebensmotto nach Hugo von Hofmannsthal: Was ist der Mensch, dass er Pläne macht. Ich habe einen Achtjahresvertrag. Das ist schon relativ viel und ich habe vor, mich dem intensiv zu widmen!
In den letzten 15 Jahren ist ja unheimlich viel gebaut worden an den Sammlungen, und nun ist eigentlich fast alles fertig. Was bleibt denn für Sie zu tun?
Marion Ackermann: Zu sagen, die Sammlung ist ziemlich fertig, das ist schon problematisch. Natürlich muss man erst mal eine Form herstellen, aber wenn man dann behauptet, die Form, die man gefunden hat, sei jetzt für immer – dann ist das der Tod jeder Sammlung. Ich will das sammlungsübergreifende Gespräch zwischen Kuratoren und Direktoren intensivieren zu Fragen nach Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf die Präsentation. Es geht mir um eine zeitgemäße Diskussion, auch mit dem Publikum, wie diese historischen Sammlungen präsentiert werden. Ich möchte, dass man querdenkt, voneinander lernt und die Potenziale des sehr diversen Teams hier nutzt. Der Gründungsgedanke dieser Sammlung war zu seiner Zeit enorm zukunftsweisend – in Bezug auf die räumliche Situation und die ganze Konzeption. An dieser Tradition kann man anknüpfen und damit kommt man dann wieder in der Gegenwart an!
Das heißt, es soll zwischen den Teilen der Sammlungen Kooperationen geben? Haben Sie schon Vorstellungen davon, wie das aussehen kann?
Marion Ackermann: Ich habe schon konkrete Projekte im Kopf, aber es wäre noch zu früh, im momentanen Stadium damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Es gab ja unter Hartwig Fischer schon Ansätze dazu. Wir haben in Dresden die Chance, die Aufmerksamkeit auch auf die ungeheuren Bestände in den Depots zu lenken, hieraus ganz neue Fragestellungen zu schöpfen und Dinge damit neu wahrzunehmen. Es sind unglaubliche Schätze hier verborgen, die man heben kann! Es lassen sich damit Querverbindungen herstellen, die auch mit uns heute zu tun haben, die auch junge Menschen interessieren. Es geht mir auf jeden Fall darum, mit den Menschen hier vor Ort zu arbeiten, mit der Community, mit Gruppen aus der Bevölkerung, die noch mal ein ganz anderes Wissen mitbringen und gar nicht unbedingt von der Kunst herkommen.
Was passiert eigentlich mit dem Japanischen Palais und den ethnologischen Sammlungen? Die sind ja momentan dann doch noch gar nicht fertig und liegen ziemlich brach?
Marion Ackermann: Dazu kann ich im Moment noch nichts sagen, aber das wird eines der zentralen Themen sein. Dabei könnten durchaus auch mal temporäre oder dezentrale Lösungen eine Rolle spielen, denn das kann ja mitunter auch etwas aufbrechen. In Lateinamerika spielt momentan gerade das dezentrale Museum eine große Rolle, das Museum, das sich zu den Menschen hinbewegt, das die alten Gemäuer verlässt. Ich könnte mir vorstellen, auch hier damit zu arbeiten.
Sie haben mal gesagt, sie wollen mit Bildung und Vermittlung, »mit den Möglichkeiten der Museen und den Mitteln der Kunst zu einer weltoffenen und liberalen Gesellschaft beitragen«. Da ist Dresden ja ein ganz spezieller Fall. Wie kann das passieren?
Marion Ackermann: Ich bin so mit dem europäischen Gedanken aufgewachsen, mit dem Gedanken der Toleranz, dass es mir total fremd ist, was momentan passiert – nicht nur in Dresden, sondern überall in Europa. Ich würde aber nicht in einer Frontstellung arbeiten wollen. Ich glaube, wichtig ist, mit Bildung und Vermittlung ganz früh anzufangen, schon bei Kindern, um eine bestimmte Haltung zum Menschen einzuführen. Das sind Prozesse, die lange dauern, die nicht sofort einen Effekt zeigen. Es hat auch damit zu tun, auf Augenhöhe zu kommunizieren und Impulse von außen aufzunehmen. Das sollte ein offener Prozess sein, den man aushalten muss – auch in Bezug auf Standpunkte, die einem fremd sind. Aber natürlich muss man trotzdem eine Haltung einnehmen.
Ihr Vorvorgänger Martin Roth zweifelt ja mittlerweile in dieser Beziehung an der generellen Relevanz von Museen … ?
Marion Ackermann: Ich würde ihm da heftig widersprechen! Die Museen und die Theater müssen vielleicht etwas übernehmen, was in anderen, auch politischen, Foren nicht mehr geleistet wird. Wir haben die Chance, uns auf das Gebot der Autonomie zu berufen und eine freiheitliche Plattform zu sein, nicht nur durch museale Präsentationen. Wir bieten nichtkommerzialisierte und keiner politischen Kraft verpflichtete Freiräume, die kreative Prozesse auslösen und damit etwas in Gang setzen können, was vielleicht irgendwann seine Kraft entfaltet. Davon bin ich fest überzeugt.
Sie vertreten den Standpunkt, wichtig sei auch der Ankauf von Kunstwerken. Was wollen sie gern haben und wo kommt das Geld her?
Marion Ackermann: Mit Ankäufen kann man wirklich langfristig und nachhaltig wirken. Wichtig ist, heutige Künstler nicht nur auszustellen, sondern auch anzukaufen, ihnen damit eine Basis zu bieten und sie im Kanon zu verankern. Es gibt ja auch in Dresden ein tiefes bürgerschaftliches Engagement, das sich dafür einsetzt. Das sollten wir unbedingt noch intensivieren, um auch die Mittel dafür zu haben. Wenn man Sammlungstätigkeit unterbricht, wird man das später immer merken, deshalb muss kontinuierlich gesammelt werden. Bei so vielen Sammlungen wie hier in Dresden hat man natürlich auch viele Wünsche.
Zum Beispiel?
Marion Ackermann: Fragen Sie mich das in einem halben Jahr noch mal. Ich glaube, erst muss ich mich um die Mittel kümmern und dann können wir darüber sprechen.