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»Der klassische Fall von Gentrifizierung« – Die Ostrale feiert ihren zehnten Geburtstag – womöglich den letzten (Foto: André Hennig)
Die Ostrale feiert ihren zehnten Geburtstag – womöglich den letzten (Foto: André Hennig)
■ Die Ostrale ist keine kleine Sache. In diesem Jahr werden auf der Ausstellung für vor allem noch nicht etablierte Künstler über 1.000 Werke von über 200 Künstlern aus rund 40 Ländern zu sehen sein. Allein: Die Stadt scheint sich mit so viel Internationalität und vielleicht auch generell mit zeitgenössischer Kunst nicht zu identifizieren. Die zehnte Ostrale könnte deshalb auch die letzte sein, denn die Gebäude im Ostragehege befinden sich in einem desolaten Zustand, im Hintergrund soll die Stadt über einen Verkauf verhandeln. Was ist da los? DRESDNER-Redakteur André Hennig hat mit Dr. Bernd Kugelberg gesprochen, der mit dem OSTRALE.freunde e.V. Lobbyarbeit für das Kunstfestival betreibt. Bislang noch ohne viel Erfolg.

Die Ostrale war wirtschaftlich und auf den Standort bezogen schon immer fragiles Konstrukt – wie ist die momentane Situation?

Bernd Kugelberg: Man muss in zwei Kategorien denken. Die eine Säule ist die der Immobilie, die andere die des jährlichen Budgets. Das Budget der Ostrale ist in den letzten Jahren mit dem wachsenden Umfang ebenfalls größer geworden, zuletzt lag das bei circa 550.000 Euro. Das ist im Vergleich zu ähnlichen Ausstellungen dieser Größe eine Lachnummer. Wenn man bedenkt, dass davon nur 59.000 Euro von der Stadt kommen – die sich das zum Teil in Form von Miete und Nebenkosten zurückholt –, dann muss alles andere aus Eintrittsgeldern, privaten Sponsoren und öffentlichen Mitteln kommen. Wobei leider auch der Freistaat Sachsen und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen kein Geld geben. Wir reden also über andere nationale und europäische Mittel. Um die Ostrale weiterzuentwickeln, reichen diese 59.000 Euro natürlich nicht aus, die reichen nicht einmal für die laufenden Kosten wie für Miete und Personal.

Dabei sind das Areal und die Ausstellungsflächen in den letzten Jahren geschrumpft ...?

Bernd Kugelberg: Das ist der klassische Fall von Gentrifizierung. Die Stadt hat seinerzeit die Gründer der Ostrale gebeten, sich Gedanken zu machen, ob man auf dem Gelände des Schlachthofes nicht in irgendeiner Form Kunst machen kann. Das ist dann mit einer unglaublichen Energieleistung auch geschehen und hat wirklich eingeschlagen. Mit der Entwicklung des Standortes ist das Gelände für Investoren interessant geworden. Das hat 2011 dazu geführt, dass die Stadt erste Gebäude veräußert hat. Die Ostrale war nun auf die Futterställe und die Fettschmelze beschränkt. Die Fettschmelze ist aus baulichen Gründen mittlerweile nicht mehr bespielbar – steht aber zum Verkauf. Geblieben sind die Futterställe. Wäre die Ostrale nicht dagewesen und hätte die Futterställe nicht in irgendeiner Form in Schuss gehalten, wären die jetzt – wie der Amtsschlachthof – auch nicht mehr zu retten. Wir wissen, dass es Interessenten für die Futterställe gibt – die Nachbarn und wahrscheinlich auch andere. Da kann ich jetzt nur an die Landeshauptstadt appellieren, dieses wunderbare Gelände in öffentlichem Eigentum zu behalten. Sie will aber offenbar diese Flächen vermarkten. Leider geht auch das an der Ostrale vorbei, man hat noch nie ernsthaft ein Nutzungskonzept überlegt, in dem die Ostrale der eigentliche Nutzer dieser Gebäude ist.

Wie kommt es, dass die Stadt sich für ein kulturelles Aushängeschild, wie es die Ostrale sein könnte, nicht interessiert und ihr sogar die Lebensgrundlage entzieht?

Bernd Kugelberg: Diese Frage stelle ich mir auch und ich habe keine Erklärung dafür. In diesem Jahr haben sich Künstler aus 70 Nationen bei der Ostrale beworben. Der Umstand, dass Dresden in 70 Ländern ein kleiner Anziehungspunkt ist, muss doch für diese Stadt auch eine Bedeutung haben! Die Stadt hatte kein Problem damit, die Ostrale in ihre offizielle Stadtmarketingkampagne »Umwerfend anders« reinzunehmen, damit zu werben und Dresdens bessere Seite zu zeigen. Man bekommt immer auf die Schulter geklopft, aber niemand nimmt sich der Sache wirklich an, das gilt sowohl für die Verwaltungsspitze als auch für die Stadträte. Wir bekommen von allen Fraktionen verbale Unterstützung, aber wir würden uns wünschen, dass daraus auch mal Taten werden.
Dresden hat sich nun für die Kulturhauptstadt 2025 beworben. Zu den Bewerbungskriterien zählen da unter anderem Ansprache der Jugend, Innovation und Internationalität. Wenn man jetzt die Ostrale sterben lässt, ist das sicherlich das falsche Zeichen.

Im Freundeskreis der Ostrale sind einige nicht ganz unbedeutende Unternehmen vertreten – wie wollen und können sie auf die Entwicklung Einfluss nehmen?

Bernd Kugelberg: Bislang überhaupt nicht. Die vielen Gespräche und Diskussionen haben leider überhaupt noch keine Wirkung in Bezug auf die Finanzierung und die Immobiliensituation gehabt.

Wie wirkt sich das auf Umfang und Qualität der Ausstellung aus?

Bernd Kugelberg: Das tut es zum Glück nicht. Die Ostrale wird in internationalen Künstlerkreisen wahrgenommen und die Anzahl der Länder, aus denen die Künstler kommen, steigt. Ein Problem sind die Transportkosten. Wenn sich jemand beispielsweise aus Japan beteiligt, ist es unter Umständen unheimlich teuer und deswegen unmöglich, dessen Werk auf dem Seeweg hier herzuschaffen. Dieses Problem hatten wir aber in den letzten Jahren auch schon.
Vielen Dank für das Gespräch!

Die »Ostrale'016 – error: X« vereint vom 1. Juli bis 25. September tgl. außer montags & dienstags in den Futter- und Kleintierställen im Ostragegehe am Messering auf über 20.000 qm Ausstellungsfläche circa 200 junge, noch nicht etablierte Künstler mit international bereits anerkannten Vertretern sämtlicher künstlerischer Genres; teilnehmende Künstler, Begleitprogramm und weitere Infos unter www.ostrale.de

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