■ Stichwort: Multitalent. Mit der Band »Boys Like Girls« macht sich Martin Johnson einen Namen, als Autor und Produzent für Popgrößen verdient er ordentlich Edelmetall für die Wohnzimmerwand. Dem nicht genug, sorgt dieser Tage das selbstbetitelte Debüt seines Soloprojekts »The Night Game« für Furore. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl hat sich mit Johnson zum Couch-Gespräch in Berlin getroffen.
Alterstechnisch bewegst du dich in den 30ern. Was ist retrospektiv das Beste, was das Schlimmste am Teenager-Dasein?
Martin Johnson: Das Schlimmste an der Jugend ist das Streben danach, endlich älter zu sein. Als ich 17 war, wollte ich nur in das Alter kommen, indem ich jetzt bin. Jetzt bin ich so alt und möchte nur wieder 17 sein.
Was war dir bei der Arbeit an den Songs zur Platte besonders wichtig?
Martin Johnson: Meine Liebe zum Musikmachen hatte immer schon damit zu tun, dass einen die Stücke und Melodien etwas ganz bestimmtes fühlen lassen und dich mit zu einem speziellen Ort nehmen können.
Bereits die erste Single-Auskopplung »The Outfield« wird von Kritikern als moderner Klassiker gefeiert. Balsam für die Seele?
Martin Johnson: Als Künstler kann ich mein Glück nicht daran festmachen, ob das, was ich tue, anderen gefällt. Mit dieser Platte wollte ich dem Erfolg nicht hinterherjagen, habe sogar aufgehört Radio oder Spotify zu hören, da ich nicht Gefahr laufen wollte, etwas zu klauen oder Trends zu folgen. Natürlich finde ich es spannend, wenn sich Leute davon angezogen und gut dabei fühlen. Meine Definition eines Hits aber ist ein Song, der auch in 20 Jahren noch relevant ist. Wir werden also sehen, ob wir es auch in Zukunft hierbei noch mit einem Klassiker zu tun haben, oder es sich nur um kreative Nettigkeiten von Journalisten handelt.
Was ist dann für dich das größte Kompliment?
Martin Johnson: Wenn Leute zu meinen Konzerten kommen, die Songs mitsingen und für eine Nacht dem Alltag entfliehen.
Frei nach der alten Rock’n’Roll-Formel »Having a good time«?
Martin Johnson: Ja genau. Das ist immer ein größeres Kompliment, als wenn etwas Schönes in einem Artikel steht.
Wie siehst du generell die Art und Weise, wie Musik heute wahrgenommen wird?
Martin Johnson: Wir leben im McDonald’s-Zeitalter. Vieles an Musik ist nur noch Fastfood. Ein Titel funktioniert, wenn er gut in eine Playlist passt. Mein Problem mit dem digitalen Zeitalter ist die fehlende Tiefe. Generell glaube ich, dass Musikfans mehr wollen, als die bloße Oberfläche. Stars, die eine Geschichte zu erzählen und auch sonst etwas zu sagen haben. Oft aber geht es mehr um Selfies und das Produkt an sich. Das wird sich aber auch wieder ändern.
Du hast erfolgreiche Songs für Künstlerinnen wie Taylor Swift und Avril Lavigne geschrieben und produziert. Warum hast du dich als Frontmann ursprünglich für den Gang ins Rampenlicht entschieden, wenn es hinter den Kulissen doch auch gut läuft?
Martin Johnson: Ganz einfach: Ich liebe es zu singen und dabei Geschichten zu erzählen, möchte mich in enge Hosen pressen, meine Stiefel anziehen, rausgehen und Hände schütteln. Um diese Platte machen zu können, habe ich mir viel Kohle durch die Lappen gehen lassen. Darüber nachzudenken ist schmerzhaft, zumal ich in den letzten vier Jahren keinen Dollar verdient und sogar mein Haus verkauft habe. Geld und Platinschallplatten garantieren aber nun mal nicht, dass man glücklich ist. Jetzt ist alles einfacher. Das spürt auch der Zuhörer. Ich habe mich noch nie für den Weg des geringsten Widerstands entschieden.
Die USA spielen in deinen Songs als Ort und Gefühl eine große Rolle. Welche Facetten möchtest du im Song »American Nights« hervorheben?
Martin Johnson: An der Oberfläche geht es in »American Nights« um die Geschichte verschiedener Charaktere. Der Eine kommt aus Afghanistan zurück und trägt noch die schmutzigen Stiefel, die Andere arbeitet Nachtschichten, um über die Runden zu kommen. Ursprünglich klang der Song nach einem Partystück, im Kern aber geht es um Hoffnung. Meine Lieblingsstücke über die Vereinigten Staaten, wie zum Beispiel »Pink Houses« von John Mellencamp, oder auch »Born in the USA« von Bruce Springsteen, haben in der Strophe alle etwas klar Negatives, der Refrain aber versprüht Hoffnung. In der Melancholie spiegeln sich die Herausforderungen der Menschen – am Ende aber hofft man, dass alles gut wird.
Klingt nach der Dialektik des amerikanischen Traums?
Martin Johnson: Der amerikanische Traum ist sehr verwirrend, derzeit mehr als je zuvor. Die Leute schämen sich eher, als dass sie darauf stolz sind – trotzdem ist es immer noch mein Zuhause und ein fantastischer Ort, um zu leben. Eine Verwirrung, die auch der Song betont.
Man schämt sich wofür?
Martin Johnson: Die Politik und die Tatsache, dass wir uns gegenseitig über den Haufen schießen, weil wir unbedingt diese Waffen haben müssen. Unser Präsident ist geisteskrank.
Die Platte fühlt sich mitunter wie ein Soundtrack an. Welche Geschichten willst du mit deinen Songs noch erzählen?
Martin Johnson: Es geht viel um Nostalgie. Die Sehnsucht nach der Kindheit und das Gefühl zu schnell erwachsen geworden zu sein. Ebenso spielen Sport, Sex und eben die turbulente Suche nach der Illusion des amerikanischen Traums eine Rolle. Letztendlich geht es auch darum, wie das Leben verlaufen wäre, wenn man sich an einem bestimmten Punkt anders entschieden hätte. Vielleicht würde ich die Welt dann als Hippie in einem Campingbus bereisen.