■ Jan Delay, Denyo und DJ Mad alias Beginner haben dem deutschsprachigen HipHop zahlreiche Klassiker beschert. Zwölf Jahre nach »Blast Action Heroes« ist die selbsternannte derbste Band der Welt mit ihrem Comeback-Album »Advanced Chemistry« auf Tour. Olaf Neumann traf für DRESDNER Kulturmagazin Jan Phillip Eißfeldt alias Eizi Eiz und Jan Delay, Dennis Lisk (Denyo) und Guido Weiß (DJ Mad) in ihrer Heimatstadt Hamburg. Er erfuhr von ihnen, was sie antreibt und warum sie noch immer ganz oben mitspielen wollen.
Was ist das für ein Gefühl, mit Beginner wieder auf Tour zu gehen?
DJ Mad: Das geilste! Unsere Tourneen waren früher auch schon immer der Burner. Jetzt spüren wir, dass das, was wir damals gesät haben, aufgegangen ist. Die Leute zucken manchmal an Stellen, an denen man es überhaupt nicht erwartet hätte. Daran merkt man, was die Musik Menschen bedeutet. Außerdem ist eine Tour immer eine Möglichkeit, sich so richtig schön auszutoben. Unser jetziges Showkonzept ist das geilste, was wir je gemacht haben.
Welches war euer bislang berauschendster Bühnenmoment?
Jan Delay: Keine Ahnung. Das ist so, als wenn man gefragt würde, welches dein Lieblingssong auf der Platte ist. Das geht nicht. Ich kann ja nicht das Gefühlslevel nach diesen verschiedenen geilen Auftritten – egal, ob mit Beginner oder Jan Delay – jedes Mal abspeichern und dann einen bestimmten Wert ermitteln: Mit Beginner in der Roten Flora war’s bei 84 und mit Jan Delay auf der Trabrennbahn bei 82. Manche Auftritte hatten vielleicht nicht diesen Impact, aber sie sind mir trotzdem nie mehr aus dem Kopf gegangen.
Was macht die Chemie dieser Band aus?
Jan Delay: Das kann man selber nicht sagen, das müssen andere herausfinden. Wir machen das einfach – und es klappt toll. Bei anderen vielleicht nicht. Es gibt Bands wie Aerosmith, die hatten am Anfang ein starkes Gefühl zueinander und haben dies leider über die Jahre verloren. Bei uns ist das Gefühl gerade durch die Zeit, in der wir nicht aktiv waren, immer stärker geworden.
DJ Mad: Das Album heißt »Advanced Chemistry«, gerade weil es nicht mehr die Chemie von früher war. Die musste erst neu adaptiert werden für den Zustand von heute. Es war ein langwieriger Vorgang, die neue Form zu finden. Wir sitzen heute nicht mehr alle jeden Tag im Keller zusammen und kommen dabei schnell auf den Punkt, weil wir sowie alle denselben Kram im Kopf hatten. Zwischen damals und heute liegen 13 Jahre deutsche HipHop-Geschichte mit ganz viel grandiosem Kram. Und da kommen wir jetzt wieder als Altkasper, die noch ein bisschen was zu beweisen haben. Wir wollen nicht nur der korrekte Standard sein, sondern immer noch oben mitspielen. So dass es in jedem Department immer komplizierter und aufwendiger wird. Wenn das nicht so wäre, würde wir nicht weitermachen wollen.
»Advanced Chemistry« ist eine Anspielung auf die gleichlautende Heidelberger HipHop-Formation. Was bedeutet sie euch?
Denyo: Es ist die Über-Band aus Deutschland, die das Ganze ins Rollen gebracht hat. Wegen ihr haben wir damals aufgehört, uns irgendwelche Storys in schlechtem Englisch auszudenken. Ohne Torch gäbe es das Album »Advanced Chemistry« nicht.
DJ Mad: Ohne das Demo-Tape, das Jan uns damals gegeben hat, würden wir hier nicht sitzen. Darauf zu hören waren geile Lines von Torch wie »Die Pudelmütze ist meine Krone«. Das erste Mal hörte man geile Wortspiele auf Deutsch!
Wie findet ihr heute neue Beats und Sounds?
Jan Delay: Wir konzentrieren uns auf das, was wir eh können und auf das wir uns verlassen können. Und holen uns jemand wie Fiji Kris dazu, der genau weiß, was wir meinen, wenn wir sagen: »Wir brauchen jetzt genau an der Stelle eine geile Rave-Rutsche«. Dann setzt er sich an seinen Laptop und kommt nach zehn Sekunden oder zwei Stunden mit einer Hammer-Idee wieder raus. Gerade in der elektronischen Musik passiert so viel. Wir sind selber Fan geblieben und haben Bock, uns die ganze neue Scheiße reinzuziehen. Wir hören ja nicht von Berufs wegen angesagte Scheiben.
In dem nostalgischen Stück »Es war einmal…« beschreibt ihr den Werdegang der Band. Warum war es euch wichtig, das noch einmal alles zu erzählen?
Jan Delay: Das war uns nicht wichtig, wir wollten einfach einen geilen Song über die Band machen. Auf der aktuellen Drake-Platte gibt es ein Stück, auf dem er von früher erzählt. Das hatte ich im Kopf und der Loop war so geil, und dann war das einfach so ein Flash. Der Song kam ganz von selbst zu mir.
DJ Mad: Das Geheimnis unserer Chemie ist unsere Geschichte. Wir sind länger am Start als fast alle, die heute im deutschen Rap etwas zu sagen haben. Krass, was während unserer Karriere schon alles im Musikgeschäft abgegangen ist! Das kann man auch mal würdigen mit so einem Song.
Das Stück »Kater« handelt von Alkoholintoxikation. Seid ihr Hedonisten?
Denyo: Nein. Bei mir ist Feiern kein Selbstzweck. Ich finde es aber geil, die Freiheit zu haben, einfach mal die Sau rauszulassen. Dazu gehört auch, sich irgendwann wieder zurückziehen. Stille ist extrem wichtig. Fetter Sound ist wertlos, wenn nicht zwischendurch auch mal Ruhe ist. Ying und Yang. Meine Familie, mein Zuhause und meine Arbeit sind mir auf jeden Fall wichtiger als das Feiern.
Suggeriert das düstere Stück »Nach Hause«, dass es überall schrecklich trostlos ist, nur zuhause in Hamburg nicht?
Denyo: Nein, es ist überhaupt kein Hamburg-Song! Er geht einfach nur um das Gefühl, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und wieder zurück nach Hause zu wollen. Das Zuhause kann dabei sonstwo sein. Mit diesem Song wollten wir die unschönen Seiten des Neokolonialismus aufzeigen.
Was ist damit gemeint?
Denyo: Die anonymen Hotelanlagen in schwierigen Ländern, wo immer die Sonne scheint und wo Mitteleuropäer es sich »gut gehen lassen« können. Obwohl dort alles unlebendig und voller Plastik ist. Gleichzeitig werden die Einheimischen von den Bullen verprügelt. Dort hat man immer das Gefühl, gleich wieder nach Hause zu wollen, wo die Welt noch ein bisschen in Ordnung ist.
Beginner sind am 15. März live in der Messe Dresden zu erleben; mehr zur Band: www.beginner.de/