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Der Dichter mit der Trompete – Sven Regener im Interview (Foto: Charlotte Goltermann)
Sven Regener im Interview (Foto: Charlotte Goltermann)
■ Element Of Crime sind nicht einfach irgendeine Rockband, sondern deutsches Kulturgut. Deren Frontmann Sven Regener hat jetzt mit Schlagzeuger Richard Pappik und Tastenmann Ekki Busch ein lupenreines Jazzalbum aufgenommen. Titel: »Ask Me Now«. Mit dem Sänger, Trompeter, Songschreiber und Bestsellerautor Regener sprach Olaf Neumann für DRESDNER Kulturmagazin über die Schönheit von Jazzmusik und den Element-Of-Crime-Podcast »Narzissen und Kakteen«.

Voriges Jahr haben Sie mit der Crucchi Gang ein Italopop-Album veröffentlicht, nun lassen Sie mit »Ask Me Now« eine Jazzplatte folgen. Werden Sie als Musiker mit der Zeit immer offener und experimentierfreudiger?

Sven Regener: Bis zu einem gewissen Grad ja. Letztendlich stand aber immer Element Of Crime im Mittelpunkt meiner musikalischen Tätigkeit. Die Liebe zu Jazzern wie Louis Armstrong und Miles Davis war einer der Gründe, weshalb ich überhaupt angefangen habe, Trompete zu spielen. Es ist ein lautes, sehr dem Gesang ähnliches Melodieinstrument. Mein Lehrer war ein Jazzmusiker. Das Trompetenspiel bei Element Of Crime zeigte immer ein bisschen etwas davon, gerade in den Soli. Aber erst in den letzten fünf Jahren habe ich mich wieder intensiver mit Jazz beschäftigt.

Auslöser für die Rückbesinnung war im November 2011 die Beerdigung Ihres Trompetenlehrers Eckfrid von Knobelsdorff in Bremen, auf der Sie ihm mit vielen Jazzmusikern ein Ständchen spielten. Was haben Sie von Ihrem Mentor gelernt?

Sven Regener: Eckfrid war ein musikalisch unglaublich offener Typ. Als wir einmal mit Zatopek in Bremen im ausverkauften Römer spielten, kam er nicht mehr rein. Er fand die Band aber spitze und meinte, wir sollten unbedingt zusammen bleiben. Eckfrid hat der Jazz-Szene in Bremen viel bedeutet. Über Zatopek bin ich zum Rock’n'Roll gekommen. Die Band war ein Post-Punk-Phänomen mit einer jazzigen Seite. Dann Element of Crime und natürlich Gesang im Vordergrund. Und jetzt wollte ich wieder mehr Jazzmusik mit der Trompete machen. Es gibt für sie viele tolle Kompositionen.

Ist »Ask Me Now« Ihr Lockdown-Album?

Sven Regener: Tatsächlich haben wir schon vor fast zwei Jahren damit angefangen. Ekki Busch, Richard Pappik und ich wollten erst mal gucken, was passiert, wenn wir zusammen diese Klassiker spielen. Es hat dann etwas Miniaturenhaftes bekommen, was wir charmant fanden. Die eigentliche Platte haben wir schließlich im letzten Herbst aufgenommen.

»Round Midnight« klingt bei Ihnen sehr melancholisch. Hat das etwas mit der gegenwärtigen Stimmung im Lande zu tun?

Sven Regener: Element Of Crime ist ja auch nicht gerade eine Abgeh-Rockband. Wir arbeiten mit einer melancholischen Grundstimmung beim Songwriting. Jazzsongs wie »Round Midnight« und »Don't Explain« sind nah an dem dran, was wir sonst so machen. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass die eigentlichen Kompositionen von Thelonious Monk, Charlie Parker oder Billie Holiday im Mittelpunkt stehen. Das ist unsere Art, sich denen zu nähern.

Wollen Sie diese Kompositionen vor dem Vergessen bewahren?

Sven Regener: Ich finde nicht, dass man damit einen kulturpolitischen, museumshaften Auftrag hat, sondern tolle Stücke wollen einfach gespielt werden! Man wäre bescheuert, wenn man das kann, aber nicht tut. Was einem selbst Spaß macht, wird wahrscheinlich auch anderen Freude bereiten.

Haben Sie schon mal wegen eines Liedes geweint?

Sven Regener:Ja, das kann mir leicht passieren, vor allem bei Beerdigungen. Es hängt aber immer von der jeweiligen Stimmung ab, es ist nie die Musik allein. Dass Musik auch ohne Worte funktionieren muss, war für uns eine Herausforderung. Damit drückt man noch direkter aufs Gefühl.

Das vergangene Jahr war für die meisten Menschen das schlimmste überhaupt. Hatte 2020 für Sie persönlich trotz allem Höhepunkte?

Sven Regener:Ja, die Aufnahme dieser Platte auf jeden Fall. Mit Element Of Crime hatten wir letztes Jahr zwei Konzerte. Es war für uns bewegend, dass man überhaupt mal wieder spielen konnte. Ein Riesending für das eigene psychische Gleichgewicht. Allein die Proben haben mich sehr glücklich gemacht, und ich hatte im Grunde auch nicht das Gefühl eines verlorenen Jahres. Ich bin ohnehin an Pausen gewöhnt. Absence makes the heart grow fonder. (»Durch die Ferne wächst die Liebe«)

Hoffen Sie, im Sommer einige Jazzkonzerte spielen zu können?

Sven Regener: Wir würden natürlich auch gern mit Regener Pappik Busch auftreten, aber erst einmal müssen die Termine nachgeholt werden, die Element Of Crime betreffen. In der Hoffnung, dass es diesen Sommer bei niedrigen Inzidenzzahlen unter freiem Himmel oder im Zelt geht. Im Moment arbeiten alle an Konzepten. Wir sind mit Element of Crime auch für einige Strandkorbkonzerte gebucht, die von vornherein auf Corona angelegt sind, da wird schon was klappen. Man darf nicht zu pessimistisch sein, das bringt ja nichts.

Hatten Sie vor Corona das Gefühl, dass in Ihrem Leben eigentlich immer alles geklappt hat?

Sven Regener: Das kann ich nicht sagen. Jakob, Richard und ich machen gerade einen Podcast über die Geschichte von Element Of Crime. Fünf Episoden sind schon erschienen. Es gab bei uns immer auch schwere Jahre und Sachen, bei denen man dachte, es geht nicht weiter. Je älter man ist, desto mehr hat man davon auch schon erlebt. Das macht es für einen, der jetzt immerhin auch schon 60 ist, bei diesem Corona-Ding ein bisschen leichter. Für junge Leute ist es viel schwieriger, weil die durch Corona oft derbe ausgebremst werden. Das können sie noch nicht kompensieren durch Abgleich mit früheren Erfahrungen, was sehr beängstigend sein kann. Aber andererseits müssen sie vor der Krankheit nicht so viel Angst haben, da gleicht sich das dann aus.
Vielen Dank!

Regener Pappik Busch: »Ask Me Now«, ist am 5. März bei Universal erschienen; der Podcast »Narzissen und Kakteen – 35 Jahre, 17 Platten: Die Geschichte von Element Of Crime« ist u.a. zu finden auf www.landingpage.element-of-crime.de bzw. www.svenregener.de

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