■ Zum siebten Mal führt der Livelyrix e.V. im Herbst das Festival für zeitgenössische Literatur durch. DRESDNER-Autorin Josefine Gottwald sprach mit Mit-Organisator Michael Bittner über die Entwicklung der Literaturszene und der Literatur im Allgemeinen.
Warum werden in der Literatur Hoch- und Subkultur noch immer getrennt?
Michael Bittner: Sicherlich ist der Graben zwischen Hoch- und Subkultur inzwischen schon mancherorts überbrückt worden. Aber es gibt doch noch immer viele Underground-Literaten, die mit verklemmtem Neid auf erfolgreiche Kollegen blicken, während umgekehrt der seriöse und subventionierte Kulturbetrieb oft abschätzig auf alternative Literaturformen blickt. Als ich mit dem Verleger Leif Greinus 2007 die Idee für »Literatur Jetzt!« entwickelte, war unsere Grundabsicht, die Grenzen zwischen literarischer Subkultur und Hochkultur einzureißen, um Autoren und Zuschauer aus bislang getrennten Sphären zusammenzubringen. Das erwies sich als schwierig, funktioniert nun aber dank neuer Mitstreiter und Förderer ganz gut.
Wie wird das im Programm des Festivals deutlich?
Michael Bittner: Die Vermischung zeigt sich schon darin, dass wir uns von üblichen Schubladen nicht beirren lassen, sondern versuchen, allein auf die Qualität zu achten. Bei uns ist Westbam ebenso Gast wie Iris Radisch, es gibt eine »Nacht der Lesebühnen« für die komische Literatur, wie auch einen Abend für die Lyrik. In allen diesen Bereichen, seien sie populär oder eher anspruchsvoll, gibt es interessante und gute Autoren. Wir hoffen, die Richtigen nach Dresden zu holen.
Man sieht es schon an den involvierten Verlagen: Literatur Jetzt! erwächst direkt aus der Dresdner Literaturszene. Spielen auch regionale Autoren eine Rolle dabei?
Michael Bittner: Wir haben in jedem Jahr auch Autoren aus Dresden dabei, in diesem Jahr etwa Marcel Beyer. Allerdings legen wir den Schwerpunkt nicht auf regionale Literatur, die in Dresden ohnehin schon sehr viel Förderung und Aufmerksamkeit bekommt. Ich glaube, an lokalem Bewusstsein mangelt es den Dresdnern nicht. Wir versuchen, die Blicke eher einmal über den Tellerrand zu heben.
Seit drei Jahren gibt es für das Festival auch ein Motto. Welche Bandbreite bringt das Thema »Neue Welten« mit sich?
Michael Bittner: »Neue Welten« verweist darauf, dass wir uns in diesem Jahr Autorinnen und Autoren widmen, die Heimat und Gegenwart überschreiten, um sich mit der Ferne zu befassen oder Utopien zu entwerfen. Sachbücher sind ebenso vertreten wie Romane. Die Autorin Heike Geißler berichtet zum Beispiel von ihrer Saisonarbeit bei Amazon und der dortigen »schönen neuen Arbeitswelt«. Helge Meves schreibt über Piraten, die den Versuch unternahmen, eigene basisdemokratische Republiken zu errichten. Und die Schriftstellerin Nino Haratischwili führt uns in einem großen historischen Familienroman in die Fremde nach Georgien.
Ein weiterer Schwerpunkt sind »innovative Formen der Veröffentlichung«. Was kann man sich darunter vorstellen?
Michael Bittner: Beispielsweise den von der Musikerin Anne Munka unter dem Namen »Lyrik ist Happening« etablierten Poetry Jam. Dabei kommen zwei Lyriker der Gegenwart (Rike Scheffler und André Rudolph) mit Musikern zusammen. Ihre Texte werden aber nicht einfach von Musik begleitet, sondern zwei Genres sollen miteinander verschmelzen und sich gegenseitig bereichern. Gleichzeitig wird auch noch der Raum im erst kürzlich eingerichteten Zentralwerk in die Performance einbezogen. Eine andere literarische Form ist die Lesebühne, die sich am ehesten aus der Tradition des literarischen Kabaretts verstehen lässt. Hier tragen Autoren, die sich besonders der komischen und satirischen Literatur verschrieben haben, in ungezwungenem Rahmen Texte vor, die eigens für den Vortrag geschrieben wurden.
Wie sieht die Entwicklung von Literatur Jetzt! bisher aus und wie soll es weitergehen?
Michael Bittner: Das Festival ist über die Jahre gewachsen. Dank der erhöhten Förderung können wir inzwischen mehr Lesungen mit mehr Autoren veranstalten. Das gibt uns auch die Möglichkeit, neue Orte zu erkunden, an denen gewöhnlich keine Lesungen stattfinden. In diesem Jahr sind wir zum Beispiel erstmals in dem noch jungen Zentralwerk in Pieschen zu Gast. Natürlich hoffen wir, dass mit dem Festival auch das Publikum wächst und wir noch mehr Menschen erreichen, möglichst auch solche, die bisher nur selten Lesungen besuchten.
Literatur Jetzt! findet vom 15. bis 20. September u.a. in der Scheune, im Zentralwerk, Hole of Fame und im Hygiene-Museum statt. Programm unter www.literatur-jetzt.de