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»Das, was ich hier suche, ist eine Form des zirzensischen Theaters« – Ein Gespräch mit Heiki Ikkola (Foto: André Wirsig) zu den Interimsplänen des Societaetstheaters
Ein Gespräch mit Heiki Ikkola (Foto: André Wirsig) zu den Interimsplänen des Societaetstheaters
■ Für Heiki Ikkola gab es seit seinem Amtsantritt als Geschäftsführer und Künstlerischer Leiter des Societaetstheaters im Mai 2020 noch keine »normale« Saison. Ging es zuerst und zuletzt um corona-konforme Alternativen des Theatermachens, so kommt in diesem Jahr eine weitere Herausforderung hinzu: Ab Februar wird das Stammgebäude auf der Hauptstraße einer umfassenden Sanierung unterzogen, um Baumängel und Nässeschäden zu beheben, das Brandschutzkonzept auf Vordermann zu bringen und eine Belüftungsanlage zu installieren. Aber wer sagt, Schließzeit bedeute Spielpause? In den kommenden elf Monaten ist das Soci als Nomade in der Stadt unterwegs und wird an verschiedensten Orten seine Zelte aufschlagen. DRESDNER-Autorin Annett Groh befragte Heiki Ikkola zu den Plänen für diese Zeit.

Seit wann stand fest, dass es wieder Baumaßnahmen im Haus geben wird, die eine längere Schließung erfordern?

Heiki Ikkola: 2017 war das Haus schon einmal drei Monate lang geschlossen: Es gibt gravierende Baufehler am Haus: Von außen dringt Nässe ein und es sind diverse Brandschutzmängel vorhanden. Bis zum Sommer letzten Jahres sind wir davon ausgegangen, dass die Sanierung auch bei laufendem Spielbetrieb durchgeführt werden kann. Als wir dann erfahren haben, dass wir das Haus doch schließen müssen, war es zu spät, um eine Ausweichspielstätte für die gesamte Zeit zu finden. Nach dem ersten Schock hatten wir aber die Idee, jeden Monat an einem anderen Ort zu gastieren.

Wo wird man euch im einzelnen finden?

Heiki Ikkola: Die wenigen Konzerte, die im Zuge von Corona noch übriggeblieben sind, finden in der GrooveStation statt. Danebem gehen wir mit zwei Tanzcompanies ins objekt klein a, im April gibt es eine Premiere in der TheaterRuine St. Pauli, und im September sind wir mit einem Zirkuszelt im Alaunpark. Im Oktober gehen wir in die Gedenkstätte Bautzner Straße. Für diesen Ort haben wir nach einem passenden Stoff gesucht und uns entschieden, den Roman »Metropol« von Eugen Ruge zu dramatisieren. Es geht um die Moskauer Schauprozesse von 1937. Im November sind wir im Zentralwerk zu Gast, wo dann u. a. das Festival »Sound of Bronkow« stattfinden wird, und im Dezember gehen wir in die Villa Wigman. Völlig unabhängig von den Baumaßnahmen hatten wir für den Juni ein riesengroßes Projekt geplant: Das erste internationale Zirkustheaterfestival in Dresden. Das ist unser Highlight in diesem Jahr, und alle Power, die wir haben, setzen wir da hinein. Wir werden Compagnien aus Italien, Frankreich, aus der Schweiz und Deutschland zu Gast haben, und innerhalb des Festivals wird es eine Konferenz zum zeitgenössischen Zirkus geben. Das ist ein ziemlich gewagtes Projekt für unser kleines Haus mit seinem kleinen Team.

Der Name des Festivals ist »Empire of Fools«. Welche Bedeutung hat der Narr für dich?

Heiki Ikkola: Ich komme ja aus der freien Szene und habe in den Grenzbereichen von Zirkus und Theater angefangen. Das ist für mich dieses »Empire of Fools«. Da gibt es einerseits ein großes Potential an Freiheit und Anarchie, ein Sich-Aufbäumen. Andererseits ist da aber auch Demut: Man befindet sich in einer langen Reihe von Vorfahren, auf die man sich immer wieder beruft. Im Gegensatz zum zeitgenössischen Performancetheater geht es nicht so sehr darum, originär zu sein, sondern darum, das Handwerk dieser Kunst wirklich zu beherrschen. Selbst große Clowns wie Peter Shub, die über ein enormes Repertoire verfügen, arbeiten bis ins Alter immer wieder daran.
Den Namen »Empire of Fools« haben wir dem Schweizer Zirkus Roikkuva entlehnt, der beim Festival dann auch unser Headliner ist und im Alaunpark spielen wird. Diese Künstler machen nicht nur Artistik auf hohem Niveau, sondern reflektieren auf selbstironische Weise ihr Zirkusdasein und das, was sie da tun.

Welche Verbindung hat das Societaetstheater mit dem Zirkus?

Heiki Ikkola: Das, was ich hier suche, ist eine Form des »zirzensischen Theaters« – sowohl im Haus als auch auf der Straße. Diese Art von Lebensfreude, die Arbeit an sich selbst, die Verehrung für ein künstlerisches Handwerk – und alles kombiniert mit Anarchie, das macht mir großen Spaß.


Mit dem Herausgehen habt Ihr ja auch mit dem Projekt »Zuhause in Prohlis« Erfahrung gesammelt ...?

Heiki Ikkola: Das Projekt hat 2018 unter meinem Vorgänger begonnen, und inzwischen hat sich daraus ein Verein gegründet der jetzt nach und nach die Ruder in die Hand nimmt. Das heißt, er übernimmt den soziokulturellen Part, und wir betreuen mit dem Theatersommer in Prohlis den künstlerischen Part. Wir haben festgestellt, dass bestimmte Sachen super funktionieren und dass es toll ist, mit den Leuten dort ins Gespräch zu kommen. Wenn man dort eine Veranstaltung macht, die gut funktioniert, dann hat man dort Leute zusammen, die man niemals zusammen in einen Raum bekommen würde. Die wahrscheinlich auch niemals ins Theater gehen würden. Aber man beginnt doch jedes Mal wieder bei Null – auch wenn man dort schon bekannt ist.


Im letzten Jahr gab es als Fremdspielort auch das Schaufenster auf der Hauptstraße ... ?

Heiki Ikkola: Dieses Ladengeschäft hat sich als ein sehr schöner Ort erwiesen, und ab Februar, wenn hier im Haus gebaut wird, werden wir den Laden wieder nutzen – diesmal als Besucherzentrum.
Vielen Dank für das Gespräch!

Der große Abschied vom Societaetstheater wird am 6. Februar mit La Dernière Danse de Brigitte und dem Doppelkonzert mit The Gentle Lurch und Tinted House gefeiert; am 23./24. Februar gastiert das Soci dann im objekt klein a mit dem Tanzstück »All in One«. Mehr dazu unter www.societaetstheater.de/

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