■ Im Gespräch mit Tom Schilling und Schlagzeuger Philipp Schaeper hat DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl erfahren, was es mit der Spätromantik auf sich hat, warum die Band ihren Namen trägt und wie es ist, sich auf eine Rolle am Klavier vorzubereiten.
Wie viel Verantwortung trägt Nick Cave dafür, dass du auf der Bühne stehst?
Tom Schilling: Nicht unbedingt Verantwortung, aber es gibt ein paar Musiker, die mich mein ganzes Leben lang besonders bewegt haben. Nick Cave ist einer davon. Ich habe ihn mit zwölf oder dreizehn entdeckt, und er begleitet mich bis heute.
Die Songs auf dem Album »Vilnius« machen den Eindruck, dass auch dir Leichtes nicht liegt ...?
Tom Schilling: Es ist schwer, leichte Stoffe interessant und erzählenswert zu machen. So, dass es nicht wie Fast Food daherkommt. Irgendetwas muss ja verhandelt werden: ob in einem Bild, in der Literatur, oder in der Musik.
Philipp, ihr habt Tom am Set zu »Oh Boy« kennengelernt. Was war der Eindruck, als ihr das erste Mal zusammen musiziert habt?
Philipp Schaeper: Tom hatte uns zum Abendessen eingeladen. Irgendwann hat er eine Gitarre in die Hand genommen und den von ihm für den Film komponierten Song gespielt. Daraus entstand ein kleiner Tischklopf-Jam. Das war cool.
Tom, wie und wann war klar, dass die Jungs deine Band werden?
Tom Schilling: Ich wusste immer, dass ich zu limitiert bin, um alleine auf der Bühne zu stehen. Dafür ist meine Stimme nicht stark genug und ich bin auch kein guter Instrumentalist. Daher war es wichtig, eine Band, eine Gang zu haben.
Wie schnell ging das Ganze in Richtung Auftritt?
Tom Schilling: Auf der Bühne macht man sich sehr verletzbar. Besonders wenn man Schauspieler ist, sind die Vorurteile wahnsinnig groß. Teilweise bekommt man von vornherein abgesprochen, dass man das überhaupt darf. Daher haben wir lange geprobt und geübt – was schön war, da wir so ohne jeden Druck arbeiten konnten.
Bei Stücken wie »Kalt ist der Abendhauch« hört man den sprachlichen Einfluss der Romantik?
Tom Schilling: In der Sprache bin ich ein Fan der Spätromantik und nicht der Einzige: Till Lindemann ist auch so ein Spätromantik-Texter. Ich finde manche Texte von Rammstein extrem gut. Das ist eine Zeit mit ihrer Musik, die mich total interessiert. Franz Schubert finde ich ganz wunderbar.
Im Film »Lara« mit Corinna Harfouch spielst du die Klavierparts alle selbst, giltst als Perfektionist?
Tom Schilling: Ich muss mich auf Filme oder generell Dinge, in die ich mich reinbegebe, mit einer gewissen Manie vorbereiten. Zudem spiele ich wahnsinnig gerne Klavier und interessiere mich für Musik. Daher habe ich mir die Zeit genommen, mich sehr lange auf den Film vorzubereiten. Wenn man ernsthaft einen klassischen Pianisten und Komponisten spielen möchte, man aber selbst nicht wie die Figur im Film ist, dann geht das nur, wenn man sich jeden Tag mit klassischer Musik beschäftigt und das zu Spielende …
… versatzstückweise erlernt?
Tom Schilling: Genau. Eine Rollenarbeit und kein Muss. Man hätte das auch anders lösen können, aber ich hatte den Ehrgeiz, es so zu machen. Sag mir, wie viele Takte wir brauchen, wie viele Sekunden, die möchte ich irgendwie spielen können.
Fluch oder Segen, dass »Oh Boy« die Geschichte vom planlosen Berlintum mit geprägt hat?
Tom Schilling: Ich bin dankbar einen Film zu haben, der bleibt. Vielen Schauspielern ist das verwehrt. So etwas Ikonisches ist selten und gelingt nicht allzu oft. Ein anderes Beispiel ist Hannelore Elsner in Oskar Röhlers Film »Die Unberührbare« – was war das für ein Geschenk für diese Schauspielerin. Oder eben »Lara« für Corinna Harfouch.
Ihr seid weder Kids, noch spielt ihr Jazz. Wie entstand der Name?
Philipp Schaeper: In der Zeit, in der wir den Soundtrack für »Oh Boy« gemacht haben und viel zusammen unterwegs waren, wurden wir immer die Jazz Kids genannt.
Tom Schilling: Es war beeindruckend, wie ihr in einem so jungen Alter innerhalb von zwei Wochen einen Filmscore von vorne bis hinten durchgeschrieben und bis auf die Sekunde ausgetimet habt. Seitdem waren sie die Jazz Kids. Am Ende fiel mir nichts Besseres ein und alle fanden den Namen gut.
Auf der Bühne tragt ihr klassische Outfits mit Hemd und Anzug. Warum?
Tom Schilling: Das Popgeschäft ist eine Hülle. Da braucht es eine gewisse Griffigkeit. In dunklen Anzügen sehen wir einfach besser aus, unser privater Look ist eher unscheinbar. Bands wie AnnenMayKantereit steht das vielleicht, die wollen aber auch aus der Mitte der Gesellschaft, den Studenten kommen. Unsere Musik ist anders, zeitlos – und was ist zeitloser als ein Anzug?
Wer sind neben Nick Cave die anderen musikalischen Helden deiner Jugend?
Tom Schilling: Die erste Band, die ich richtig toll fand, waren die Inchtabokatables. Ich mag diese Art von Folkpunk. Ihre ersten drei Platten, bis »Ultra« fand ich richtig, richtig gut. Der Bassist war ja zunächst Oliver Riedel, bis er zu Rammstein ging – die mich auch sehr geprägt haben. Also Inchtabokatables, Rammstein, Leonard Cohen und eben Nick Cave.
Warst du in der Schule eher der Freak?
Tom Schilling: Auf jeden Fall. Ich war so ein Grufti, hatte schwarz gefärbte Haare und habe immer ganz böse geguckt.