■ Bereits 1981 haben sich am Tisch der »Kommune I« der Tageszeitung »taz« die selbsternannten »Komputerfrieks« zum Chaos Computer Club formiert. Später sind diese Treffen in Hamburg weitergeführt worden. 1986 folgte die Vereinsgründung. Heute ist der CCC e.V. die größte Hacker-Vereinigung Europas. Inzwischen gibt es in zahlreichen deutschen Städten dezentrale Organisationen, die sogenannten Erfas, des Hamburger Mutterschiffs – seit 2005 offiziell auch in Dresden. Im September 2016 ist der C3D2 in das Zentralwerk auf die Riesaer Straße 32 umgezogen. DRESDNER-Autor Stephan Zwerenz traf sich mit den beiden Mitgliedern des CCC Dresden Nek0 und Wolf in den neuen Räumlichkeiten.
Was macht eigentlich der C3D2?
Nek0 und Wolf: Wir sind ein sogenannter Erfa, also Erfahrungsaustauschkreis. Generell beschäftigen wir uns neben eigenen Hobbies aktiv mit aktuellen Themen der Informationstechnologie. Menschen können zu uns kommen, wenn sie Fragen haben. Wir zeigen gerne Dinge, lernen voneinander und versuchen es entsprechend zu konservieren. Wir hatten auch heute schon wieder Anfragen wie: »Hilfe, mein Computer geht nicht mehr!« Das kommt auch häufiger vor. Und wir helfen gerne, sofern es in unseren Möglichkeiten liegt. Und wenn nicht, dann helfen wir auch gerne dabei, einen kommerziellen Support zu finden, den man dafür bezahlen kann, dass er dein Windows neu installiert. Wir aber beschränken uns bei Betriebssystemen meistens auf GNU/Linux und andere UNIX-artige Systeme, die alle freie Software sind. Das Grundprinzip heißt »Hilfe zur Selbsthilfe!« Damit ist gemeint, dass wir uns nicht als Service-Stelle verstehen. Zudem wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Leute in erster Linie auf freie Software zurückgreifen und damit selbstständig Probleme lösen können.
Was würdet ihr sagen, welche Unterschiede es zu den Gründerzeiten des CCC in den 80er Jahren und heute gibt?
Nek0 und Wolf: Heutzutage benutzt beinahe jeder täglich, bewusst oder unbewusst, moderne Informationstechnologie. Damals war da nur sehr schwer ranzukommen. Heute hat jedes Kleinkind schon ein Handy oder ein Tablet zum Spielen oder irgendwelche elektronischen Spielzeuge, in die vom Synthesizer bis zum Spielcomputer alles mögliche eingebaut ist. Bei der Arbeit des CCC geht es daher nicht nur darum, die technischen Grundlagen zu erklären, sondern zunehmend um Aufklärungsarbeit. Es geht darum, begreiflich zu machen, welche technischen Möglichkeiten überhaupt existieren und wie diese sowohl für als auch gegen die Nutzer angewendet werden. Immer wichtiger wird damit die politische Komponente unserer Arbeit. Eine ehemalige Studentin aus Dresden unterstützt jetzt »netzpolitik.org«, ein Blog, das sich ja unter anderem mit Freiheitsrechten, staatlicher Überwachung und der freien Wissensgesellschaft beschäftigt. Ob Auto, Medienkonsum oder die Wohnung – kaum ein Lebensbereich bleibt von »der IT« heute noch verschont.
Gibt es eigentlich noch so etwas wie medienwirksam angelegte Hacks?
Nek0 und Wolf: Also grundsätzlich ist bei uns niemand mediengeil und ich weiß von keinem medienwirksamen großen Fall aus Dresden. Falls jemand etwas findet, dann wird es in der Regel an die Betroffenen geschickt – zum Beispiel das kleine, mittelständische Unternehmen in Dresden. Viele sind dann dafür auch dankbar, nehmen das an und beheben die Fehler, gegebenenfalls mit Hilfe. Aber wenn beispielsweise die Deutsche Telekom mit De-Mail eine Werbeaktion in einem Dresdner Einkaufzentrum startet, dann kann es vorkommen, dass Aktive in der Fußgängerzone auftauchen und die Menschen darüber aufklären – am besten gleich neben der Telekom – was sie sich denn da gerade für einen Vertrag abholen wollen.
Ein anderes Beispiel wäre der WiFi-Hack bei der Deutschen Bahn. Bei der DB wurden WLAN-Installationen in den Zügen gemacht, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht besonders sicher waren. Da gab es Leute, die auf dem Gebiet sehr genau wissen, was sie tun. Die haben das dann verdeutlichen müssen, bevor wirklich etwas Schlimmes damit angestellt wird. Das musste natürlich Aufmerksamkeit erfahren, denn bei der DB – das weiß man vielleicht als regelmäßiger Fahrgast – wird nicht sehr schnell auf E-Mails reagiert, sondern da wird eine gewisse Eskalationsschwelle benötigt, bevor sich die Mitarbeiter bemüßigt sehen.
Was stört euch am meisten daran, wie die Leute mit ihren Daten umgehen?
Nek0 und Wolf: Freizügigkeit ist das, was mich am meisten nervt. Wenn ich beobachte, wie die Leute persönliche Angaben an Facebook oder Twitter gegeben werden, ohne dabei zu bedenken, dass die Sachen im Zweifelsfall für ewig da stehen und öffentlich zugänglich sind. Es stört mich nicht, wenn die Leute das mit ihren eigenen Daten machen, aber sehr wohl, wenn sie das mit meinen Daten machen oder den Daten von Bekannten, Kollegen, Freunden oder Lebenspartnern.
Das schönste Beispiel ist noch immer WhatsApp oder ähnliche Messenger-Dienste, die einfach ganze Adressbücher an die zentralen Anbieter schicken. Und selbst nach dem Datenaustausch von WhatsApp direkt mit Facebook, wo in den USA gezeigt wurde, wer beim gleichen Psychologen Patient war, sagen Leute trotzdem : »Naja, das ist halt so. Kann ich nichts dagegen machen.« Sie könnten es zwar schon, aber es ist ihnen halt nicht Grund genug, ihre Kommunikationsgewohnheiten zu ändern.
Was noch mehr stören sollte, ist, wie Firmen mit unseren Daten umgehen: sie sammeln, sie werten teilweise aus und verkaufen oft ohne Kenntnis der Betroffenen. Da greift auch nicht das Argument »Ich habe nichts zu verbergen«! Da scheitert man ganz einfach an der Realität, denn die Daten würden nicht gesammelt werden, wenn sie nicht nützlich wären. Das Problem ist dann vor allem, dass man teilweise dazu gezwungen wird, manche Dienste zu nutzen. Manchmal auf Berufsebene, manchmal auch auf der Produktebene. Da kann ich meinen Rechner abschotten wie ich will, sobald ich bestimmte Dienste nutzen will, bringt das nicht viel.
Bei Unternehmen wird es dann zum Problem, wenn die Leute sich auf nicht-firmeninterne Kommunikationsstrukturen stützen. Es passiert zuhauf, dass per WhatsApp, Skype usw. kommuniziert wird und nicht etwa über einen firmeninternen Server, was ja auch gehen würde. Da braucht man sich dann auch nicht mehr zu wundern, dass Industriespionage so einfach ist. Die Politik stützt dann das Ganze auch noch mit der Förderung von »Big Data«. Das geht dann bis die Daten der Politiker selbst betroffen sind. Also gerade bei den Daten, die eigentlich transparent sein sollten – nämlich die unseres Staates – da ist dann ein »Durchstechen« oder ein »Hack« angeblich illegal und wird deshalb auch verfolgt. Diese Art des Ungleichgewichts stört uns ganz besonders.