■ Tino Piontek ist ein international gefeierter DJ und Produzent. Nicht nur im Disco- und House-Metier begeistert er mit Purple Disco Machine längst ein Millionenpublikum. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl sprach mit dem sympathischen Dresdner über Erfolg im Ausland, das neue Album und Änderungswünsche von Elton John.
In welchem lokalen Club hast du dich das erste Mal musikalisch wohlgefühlt?
Purple Disco Machine: Das war im »German Club«. Meine Freunde konnten mit House nichts anfangen, also bin ich erstmal alleine hingegangen. Da ich nie so der extrovertierte Typ war, blieb das meistens auch so. Ich war nur für die Musik da. Ralf Kopetzki hat sich damals viel Mühe gegeben. Alle 14 Tage war alles anders: mit verschiedenen Themen, unterschiedlichen Dekos und Tänzern. Die einzig feste Komponente im Programm war DJ Tokn. Dann gab es noch einen kleinen Housefloor in der Dance Factory – da war ich auch öfter.
»Soulmatic«, dein Debüt mit Purple Disco Machine, hat aktuell um die 100 Millionen Streams. Damit bist du das musikalisch wohl erfolgreichste Aushängeschild deiner Heimatstadt. Lange kannte man dich vor allem im Ausland. Wie erklärst du dir das?
Purple Disco Machine: Ich denke, das ist nur durch die Musik zu erklären. Funk, Soul und Groove sind hierzulande nicht unbedingt der vertraute Sound. Schon mit meinem alten Projekt »Stereofunk« habe ich in Italien, Russland oder Portugal gespielt, die damaligen Plattenverkäufe meines Labels hierzulande aber waren im Keller. Auch in der Statistik des Facebook-Profils von Purple Disco Machine konnte man von Anfang an sehen, dass meine Musik vor allem in Südamerika, den USA, Australien, aber auch Spanien, Italien und in südlichen Ländern gehört wird.
Kratzt das am Ego?
Purple Disco Machine: Früher hat mich meine Frau oft gefragt, ob es sich nicht komisch anfühlt, erst 5.000 Kilometer fliegen zu müssen, um Anerkennung zu bekommen. Da das aber nie anders war, hat es mich auch nicht gestört. Ganz im Gegenteil: Als im Ausland alles immer wilder wurde, fand ich es gut, nach all dem Trubel wieder nach Dresden als ruhigen Gegenpol zurückzukommen.
Das neue Album »Exotica« kommt dieses Jahr – was kann man erwarten?
Purple Disco Machine: Ich habe mir viel Zeit genommen, mit anderen Musikern zusammengearbeitet, experimentiert und probiert. Durch die Pandemie war ich von Montag bis Freitag im Studio, konnte den Songs so mehr Struktur und Tiefe geben. Das Prinzip, alles so einfach wie möglich zu halten, gilt aber weiterhin. Clubmusik muss auf den Punkt kommen, kein Element darf mit dem anderen kämpfen. Trotz einer organischen Weiterentwicklung hin zu 80s, Electro und Italo-Disco wird niemand enttäuscht sein.
Die Hitsingle »Hypnotized« ist ein gemeinsamer Track mit der Band »Sophie and the Giants« aus Sheffield. Wie kam es zu der Kooperation?
Purple Disco Machine: Für die neue Platte haben wir uns entschieden, mehr mit jungen Indie-Künstlern zusammenarbeiten. Bei »Fireworks« war das Moss Keena und hier Sophie and the Giants. Der Kontakt zur Band kam vom Label. Ich fand die Stimme von Anfang an interessant und die Musik klang komplett anders als mein Sound. In der Zusammenarbeit war ich positiv überrascht, wie offen und unkompliziert alles ablief. Das sind junge Künstler, die Bock haben was Cooles zu machen und sich neuen Input zu holen. Schon nach zwei Wochen kam ein Demo des Songs zurück. Das war schon fast perfekt – wir haben nur noch etwas verfeinert und dann veröffentlicht.
Die Liste deiner Remixe ist lang – von Dua Lipa, über Lady Gaga bis zu Elton John. Warum wird ein Remix überhaupt in Auftrag gegeben?
Purple Disco Machine: Der Hauptgrund, warum mich zum Beispiel Lady Gaga oder Dua Lipa anfragen, ist der, dass sie vom DJ spielbare Versionen ihrer Songs wollen, die so direkt auf den Dancefloor gebracht werden. Für mich ist das eine schöne Sache.
Bekommst du persönliches Feedback?
Purple Disco Machine: Witzigerweise schon. In den meisten Fällen kommt das sogar vom Künstler selbst. Von Elton John habe ich eine Mail mit Änderungswünschen für den Remix zu »(I`m Gonna) Love Me Again« für den Soundtrack zum Film »Rocketman« bekommen. Nach seinem Empfinden hatte ich den Part des Schauspielers Taron Egerton wohl zu oft drin. Später hat er den Song in seiner Radiosendung gespielt und gesagt, dass es sein persönlicher Wunsch war, dass ich das Stück remixe. Auch Kylie Minogue hat sich für den Remix bedankt. Über Instagram bleibt man dann in Kontakt. Das ist schon surreal.
Eigenkomposition oder Remix – was liegt dir mehr?
Purple Disco Machine: Ich brauche beides. Durch einen Remix bekommt man automatisch einen anderen Input. Das inspiriert. Andererseits sind gewisse Sachen vorgegeben, an denen man sich orientieren muss. So ist man weniger flexibel. Mit eigenen Songs ist das wesentlich freier.
Vorher viel unterwegs, dann die Corona-Vollbremsung. Wie geht es dir damit?
Purple Disco Machine: Am Anfang konnte ich es sehr genießen, bei der Familie zu Hause zu sein, merkte aber schnell, dass es mir da so geht, wie vielen anderen Künstlern auch: Auflegen und die Anerkennung vor Ort ist wie eine Sucht. Es fühlte sich an wie ein kalter Entzug, und ich brauchte Monate, damit umzugehen. Mittlerweile habe ich mich mit der Situation abgefunden, auch weil ich weiß, dass es endlich ist und wir irgendwann wieder Shows spielen werden. Nun habe ich aber das Glück, dass meine finanzielle Situation relativ entspannt ist. Vielen in der Branche geht das nicht so. Ich mache mir Sorgen, dass es gerade die kleinen Clubs und Bars nach Corona nicht mehr gibt.
Bist du eigentlich ein guter Tänzer?
Purple Disco Machine: Nein, deswegen bin ich DJ geworden – DJs don`t dance.