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Auf dem Graswurzelweg – Frank Eckhardt zu Kunst im politischen Diskurs
Frank Eckhardt zu Kunst im politischen Diskurs
■ Neulich in den sozialen Medien: Ein Vertreter der hiesigen Kunstszene meinte, es sei an der Zeit, dass sich bildende Künstler auch endlich politisch positionierten. Eine Dresdner Künstlerin antwortete beinahe wütend, dass sei überhaupt nicht ihre Aufgabe, die sei einfach, Kunst zu machen. Neu ist Diskurs nicht. DRESDNER-Redakteur André Hennig hat Frank Eckhardt, Geschäftsführer des größten Dresdner Kulturvereins »riesa efau« gefragt, wie das so ist mit der Kunst und der Politik.

Wer hat Recht, der Befürworter des politischen Statements oder der sich selbst und seiner Kunst genügende Künstler?

Frank Eckhardt: Beide irgendwie. Gute Kunst hat immer auch etwas Offenes, aber das steht einem künstlerisch-politischen Engagement ja nicht unbedingt entgegen. Wir hatten im vergangenen Herbst in der Motorenhalle zum Beispiel die Videoausstellung »Wohin gehen wir«. Da gab es ein breites Spektrum an Filmen, von denen einige eine klare Botschaft hatten und andere, die sich frei assoziativ mit dem Phänomen Stadt beschäftigten. Aus solch einem Gewebe ergibt sich natürlich die Möglichkeit zur Anknüpfung: Der Wert von Immobilien, die vermeintlich gefährdete Sicherheit, also das, worüber sich bestimmte Leute gerade Sorgen machen, das war alles da drin. Das ist ja kein alleiniges Problem von Dresden.

Gibt es irgendwas, das für eine unpolitische Position von Kunst spricht?

Frank Eckhardt: Hm, da bin ich wahrscheinlich der falsche Ansprechpartner. Es gibt in Dresden ja genügend Häuser, die sich mit künstlerischen Entwicklungen und Positionen beschäftigen, die innerhalb des Systems »Kunst« relevant sind, aber wenig Ambitionen haben, in andere Bereiche auszustrahlen. Das ist völlig okay. Wir sind mit dem riesa efau aber halt anders. Wir möchten ausloten, wie Kunst in die Gesellschaft wirken kann, was es für Reflexionen gibt. Dabei wollen wir das Feld der Kunst aber nicht verlassen, wir sind nicht die Abteilung Agitprop. Es geht uns nicht um eine total offensichtliche Abbildung eines Themas, sondern um assoziative Verknüpfungen. Ich denke, nur dadurch gewinnt eine Ausstellung einen Raum – geistig und künstlerisch.

Vor 1989 war hierzulande Kunst – in gewissen Grenzen – eine der wenigen Möglichkeiten, sich gegen das System zu positionieren. Die Situation damals war nicht vergleichbar mit heute, manche Menschen glauben das aber. Die glauben, von gesellschaftlichen Prozessen bis zu den Medien wäre heute wieder alles vom »System« gesteuert und deswegen verweigern sie sich dem öffentlichen Diskurs. Könnte Kunst vielleicht eine Möglichkeit sein, mit denen wieder ins Gespräch zu kommen?

Frank Eckhardt: Das müsste dann schon eher Kunsttherapie sein, glaube ich. Das sind ja mittlerweile geschlossene Regelkreise, zu denen kaum noch ein Zugang möglich ist. Um mal eine Parallele zu unserer gegenwärtigen Ausstellung, also zu Erich Kästner und den 1930er Jahren zu ziehen: Es ist ja schon interessant, wie Stimmungen kippen, wie viele Menschen plötzlich beginnen an merkwürdige Dinge zu glauben. Wie so etwas fest Gefügtes, vielleicht auch ein bisschen Langweiliges, plötzlich anfängt zu kippeln und Menschen auf einmal glauben, die Grundfesten der Existenz des Staates seien erschüttert. Das erschüttert wiederum mich. Ich finde das bedrohlich – als Zeichen für das, was noch kommen könnte.

Bietet das riesa efau eine Möglichkeit, dass diese geschlossenen Regelkreise – die es ja auf beiden Seiten gibt – miteinander in Kontakt kommen?

Frank Eckhardt: Mit der Ausstellung »Wohin gehen wir« haben wir das ja im Ansatz versucht. Wenn wir etwas erreicht haben, man darf seine Wirkmächtigkeit da wirklich auch nicht überschätzen, dann vielleicht in den Begleitveranstaltungen. Da waren durchaus auch Leute, die erkennbar anderer Meinung waren. Aber, das muss man schon zugeben, wir haben – leider – ein vorwiegend intellektuelles Publikum und zwar eher kein rechtsintellektuelles. Ich sage leider, weil ich natürlich auch gerne Leute erreichen würde, an denen man sich reiben kann. Mit dem Mehrgenerationenhaus haben wir aber auch ein Angebot, auf dem wir sozusagen den Graswurzelweg beschreiten, wo sehr unterschiedliche Menschen und Meinungen zusammenkommen.

Um wirksamer zu sein, müsste man da vielleicht einfacher werden, auch wenn dann die Gefahr besteht, dass das in Richtung Agitprop geht?

Frank Eckhardt: Es kommt drauf an, auf welchem Level man Kunst anschaut. Wir haben den Anspruch, Ausstellungen auch bildnerisch zu inszenieren und – zumindest auch – Werke auszuwählen, die anschlussfähiger sind, wo man leichter reinkommt. Wir sehen zu, dass wir immer auch Texte zu den Werken haben, die lesbar und nicht völlig verkopft sind. Diese Vermittlung ist uns sehr wichtig.

Wenn wir uns die Aktion mit den Wölfen auf dem Neumarkt ansehen – die genügten einem höheren künstlerischen Anspruch vielleicht nicht unbedingt, waren aber sehr präsent und haben einen Diskurs angestoßen, wie ihn eine Institution wie das riesa oder irgendein Museum wahrscheinlich nie bewirken würde. Vielleicht muss man einfach mal raus aus diesen Räumen?

Frank Eckhardt: Mag sein, dafür müsste man allerdings Künstler finden, die das auch wollen. Wir sind da als Institution sozusagen noch einen Schritt weiter weg als der Künstler auf dem Neumarkt. Ich fände das gut, stärker rauszugehen, auf der anderen Seite fehlen uns da auch ein bisschen die Kapazitäten. Wir arbeiten mit dem was wir können – indem wir hier einen Raum zur Verfügung stellen, der für alle offen ist, in dem wir aber auch deutlich machen, wofür wir stehen. Da kann vielleicht eher etwas überspringen, als wenn wir große Statements aufhängen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zu den aktuell laufenden Ausstellungen und zu den Angeboten des riesa efau unter http://riesa-efau.de/

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