■ Sänger Campino im Interview mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl über Punk-Attitüde, die Wurzeln der Toten Hosen und die Nachwehen seiner Rede bei der letzten Verleihung des Echo-Musikpreises.
Gibt es Dinge, von denen der ältere dem jüngeren Campino abraten würde?
Campino: Jede Menge. Dafür ist es aber leider zu spät. Ich würde ihm zum Beispiel davon abraten, den Kopf immer in die Bass Drum zu stecken, weil man davon irgendwann ein schlechtes Gehör bekommt. Das wäre eine Sache. Wir sind früher ein wenig wie »Hans Guck-in-die-Luft« durchs Leben gezogen und hätten uns nichts sagen lassen. Rückblickend ist mir klar, dass wir sehr oft pures Glück gehabt haben. Die Linie zwischen clever und dumm ist oft dünn. Der eine baut Mist und wird nicht erwischt, den anderen kriegt die Polizei oder er ist körperlich nicht so aufgestellt, dass er eine Alkohol- oder Drogennacht vernünftig wegsteckt. Das ist eine sehr komplexe und schwierige Angelegenheit. Wir wissen unser Glück zu würdigen, dass wir immer noch zusammen sind und auch noch Kraft haben.
Was hat sich für gesellschaftskritische Bands heute im Vergleich zu vor 25 Jahren verändert?
Campino: Es wird sehr viel mehr wahrgenommen, was man sagt. Meldungen verbreiten sich mit einer enorm hohen Geschwindigkeit, die nicht mehr mit damals zu vergleichen ist. Wenn heute eine Behauptung über dich aufgestellt wird, geht diese in Minuten durch alle Medien. So etwas wieder richtig zu stellen, erfordert die zehnfache Kraft. Das ist eine qualitative Veränderung, die uns alle angeht. Ich habe das Gefühl, Menschen hören sich generell weniger zu. Alle schreien gleichzeitig, jeder sondert seinen Senf ab und eine Gesprächskultur, der richtige Austausch gerät etwas unter die Räder.
Im Paket mit »Laune der Natur« gibt es den Cover-Sampler »Learning English Lesson II«. Ist es euch nach dem Erfolgsschub durch »Ballast der Republik« wichtig, dass auch neuere Fans eure Wurzeln nachvollziehen können?
Campino: Darum ging es nicht, der Ansatz war ein spielerischer. Wir sehen unsere Wurzeln in den Liedern, die Ende der 70er, Anfang der 80er als ein Quell toller Popsongs innerhalb einer großen Welle einfach untergegangen sind. Es macht eine Riesenfreude, anderen Menschen, die das damals nicht mitbekommen haben, diese Stücke heute näher zu bringen. Im Gegensatz zum eigenen Album, wo man erstmal nicht genau weiß, wie sich das Ganze entwickelt, hat man bei solchen Cover-Projekten einen klaren Plan. Das ist wie eine Aufwärmübung, die gleichzeitig großen Spaß macht.
Stichwort Punk-Attitüde: Hat sich das vom klassischen Punkrock in andere Genres verlagert – dahin wo die Kids eher darauf anspringen?
Campino: Ich unterschreibe voll und ganz, was du sagst. Man findet sie zum Beispiel im Hip-Hop, aber auch in vielen anderen Bereichen. Letztendlich war Punk ja nur ein Label seiner Zeit. Ich bin mir sicher, dass wir zehn Jahre früher alle Hippies geworden wären. Die hatten wiederum Woody Guthrie als Vorbild. Es ging darum, sich über die Musik mit Obrigkeiten anzulegen und das für sich als Klassenkampfelement zu nehmen. Bands wie The Jam und Begriffe wie »working class« waren Sachen, die mich geprägt haben. Attitüde war genauso wichtig wie die Musik als solche. Das findet man heute bei Bands wie der Antilopen Gang, aber auch bei Feine Sahne Fischfilet – es gibt immer wieder Perlen.
Du wurdest vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung nach deiner Rede beim Echo zum Thema Kollegah und Farid Bang für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Was sagst du dazu?
Campino: Ich habe an dem Abend lediglich das gesagt, was meiner Meinung nach zu dem Thema gesagt werden musste, freue mich aber natürlich, dass Menschen im Nachhinein meine Gedanken gut fanden und teilen. Es ist schön, wenn der Antisemitismusbeauftragte so etwas Löbliches über mich sagt, offiziell angesprochen hat mich aber noch niemand. Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass ich dafür eine Auszeichnung verdient hätte.
Wieder steht eine große Tour in ausverkauften Stadien, Arenen und auf Festivals an. In Dresden spielt ihr im Juni im Dynamo-Stadion und später in Ferropolis in Gräfenhainichen. Werden sich die Setlisten da unterscheiden?
Campino: Die Leute goutieren und schätzen es, wenn wir unser Programm immer mal wieder ändern. Du hast einen gewissen Rumpf, Klassiker, die du immer bringst. Andererseits erlauben wir uns einen großen Anteil an Songs, die regelmäßig ausgetauscht werden. Dresden und Gräfenhainichen liegen relativ nah beieinander, daher kann es bei den Besuchern zu Überschneidungen kommen. Wir werden daher besonders viel wechseln. Das ist auch für uns ein Anreiz, Spannung zu erhalten.
Hasta la muerte – wieviel Jahre kann das so weitergehen?
Campino: Wir werden schon irgendwann vom Platz geholt, wenn es dem Schiri zu langweilig wird, oder wenn er meint, wir haben unsere Schuldigkeit getan. So lange wir keine Persiflage von uns selbst sind und den Leuten einen guten Abend bereiten, haben wir eine Berechtigung weiterzumachen. Sollte das mal anders sein, ist das auch kein Grund zur Traurigkeit. Definitiv bewegen wir uns schon ein bisschen Richtung Ausgang, das ist klar abzusehen. So lange die Sache aber läuft, wollen wir maximalen Spaß haben und bieten.
Die Toten Hosen spielen am 2. Juni supportet von den Broilers, Schmutzki und Feine Sahne Fischfilet im DDV-Stadion (Konzert ausverkauft) sowie am 31. August in Ferropolis (Gräfenhainichen). Mehr zur Band: www.dietotenhosen.de