Ein Tribute-Album mit den größten Hits

Dresden hat keine Banksy-Ausstellung

2006 organisierte Banksy eine Ausstellung in Los Angeles, bei der Angelina Jolie ein kleines Vermögen für drei Werke bezahlte und die sein Schicksal als berühmtester Straßenkünstler der Welt besiegelte. Eigentlich waren es aber die Stunts, die ihn berühmt machten. Der Einbruch in den Zoo von Barcelona, die Veröffentlichung seiner eigenen Version der CD von Paris Hilton, das Aufstellen eines aufblasbaren Guantanamo-Gefangenen in Disneyland, die Aufschrift »Mind the crap« auf den Stufen der Tate Gallery und das Eindringen in mehrere große Museen, um seine eigenen Werke aufzuhängen, sorgten für Aufmerksamkeit in den Medien. Er machte aus der Straßenkunst eine Art Performance-Kunst und ahmte die Arbeitsweise der großen Marken nach, um etablierte Werte anzugreifen.

Ein Blick in die Ausstellung; Copyright: Dominik Gruss

Die Ausstellungen, die Banksy produziert, haben nie die Form einer »traditionellen« Kunstausstellung. Sie dauern in der Regel nur ein paar Tage und – wichtiger Punkt – sind kostenlos. Dresden hat also keine Banksy-Ausstellung. Das, was in der Zeitenströmung zu besichtigen ist, sind Reproduktionen seiner Graffitis, Stencils, Drucke, Skulpturen und Installationen. Der Anspruch der Ausstellungsmacher ist es, »einen umfassenden Überblick und Einblick in das Gesamtwerk« zu geben. Die Firma »Cofo Entertainment«, die sonst auf Musicalbiografien spezialisiert ist (»Falco – Das Musical«, »Die Udo Jürgens Story«), hat in erprobter Manier also ein Tribute-Album mit den größten Banksy-Hits zusammengestellt: Mit dabei sind der »Flower Thrower«, das »Balloon Girl« und das »Devolved Parliament«. Es gibt einen Nachbau der Eingangshalle des Walled Off Hotels in Bethlehem und einen U-Bahn-Waggon mit Corona-Graffitis: ein großes Kuriositätenkabinett mit handwerklich gut gemachten Kopien.

Nicht autorisierte Ausstellungen mit seinen Bildern sind rund um den Globus zu finden. Man kokettiert mit dem Zitat »Copyright is for losers« und macht sich die Gesetzgebung im Bild- und Medienrecht zunutze, wonach illegal in den öffentlichen Raum eingebrachte Kunst keinen Eigentumsrechten unterliegt. Der Künstler selbst sagt dazu: »There has been a recent spate of Banksy exhibitions none of which are consensual. Please treat them accordingly.«

So fragwürdig das Geschäftsmodell auch ist, die größere Frage ist: Was bietet die Ausstellung tatsächlich? Banksys Werke haben viel schwarzen politischen Humor und satirischen Witz; sie sind Reaktionen auf aktuelle gesellschaftliche und politische Themen. Ohne diesen Kontext können sie nicht gelesen werden, und hier ist auch der Punkt, die Ausstellung zu kritisieren. Fotografien der Werke sind alle im Internet zu finden. Wofür sollen Besucher den happigen Eintrittspreis bezahlen, wenn nur wenig kuratorische Mühe aufgewendet wurde? Die Bilder und Objekte sind zwar mehr oder weniger thematisch geordnet, doch die Erläuterungen zu den Zusammenhängen und Hintergründen fallen sehr mager aus.

Es ist ein heikles Unterfangen, Werke, die eigentlich auf die Straße gehören, in eine Galerie zu holen. Die klugen Beobachtungen, Witze und Unverschämtheiten, die im Einzelnen überraschen und schockieren können, summieren sich nicht zu einem noch größeren Erlebnis. Im Gegenteil: Die Energie, die von einem einzelnen Werk ausgeht, verschwindet. Zusammengenommen wird alles ein bisschen monoton und belanglos.

Annett Groh

The Mystery of Banksy ist bis 9. Januar 2022 in der Zeitenströmung (Königsbrücker Str. 96) zu sehen.